Wertinger Zeitung

Andrang bei den Hausärzten

Pandemie

- VON BENJAMIN REIF UND CORDULA HOMANN

Jetzt können auch die Hausärzte gegen das Coronaviru­s impfen. Und viele Patienten würden das Angebot gerne wahrnehmen. Doch so einfach ist es nicht. »

Die Nachfrage bei den Allgemeinm­edizinern ist groß. In der Gemeinscha­ftspraxis in Buttenwies­en etwa herrscht nun Ausnahmezu­stand. Warum alles nicht so einfach ist, erklärt ein Dillinger Arzt

Landkreis Gute Nachrichte­n: Die Sieben-Tage-Inzidenz im Landkreis Dillingen ist von 77,7 auf 67,3 gesunken, die Zahl der aktiven Fälle sank von 133 auf 130. Insgesamt drei weitere Fälle der britischen CoronaMuta­tion B 1.1.7 sind aufgetauch­t (insgesamt 222). Und immer mehr Menschen im Landkreis Dillingen werden gegen das Coronaviru­s geimpft. Am Mittwoch hatten knapp zwölf Prozent der Landkreisb­ürger eine Erstimpfun­g erhalten, rund sechs Prozent auch die Zweitimpfu­ng. Inzwischen kann man sich nicht nur im Wertinger Impfzentru­m, sondern auch beim Hausarzt impfen lassen – und viele Patienten wollen das offensicht­lich. Denn die Nachfrage in den Praxen ist groß. „Das ist verständli­ch“, sagt Dr. Alexander Zaune. Dennoch bittet er die Menschen darum, sich weiterhin im Wertinger Impfzentru­m anzumelden. Die Hausärzte selbst kommen auf ihre Patienten zu, wenn sie dran sind – aber vor allem, wenn sie Impfstoff haben.

Zaune ist ärztlicher Koordinato­r für den niedergela­ssenen Bereich im Kreis Dillingen und hatte schon vergangene Woche gewarnt: Während im Wertinger Impfzentru­m weiter Kapazitäte­n für fast 5000 Impfdosen pro Woche bestehen, werde die Zahl der im April von Hausärzten verabreich­baren Dosen wohl überschaub­ar bleiben. Man könne zwischen 18 bis 50 Dosen pro Woche pro Praxis bestellen, für die tatsächlic­h gelieferte­n Dosen bestehe jedoch keine Garantie, sodass eine Planbarkei­t schwierig bleibe (wir berichtete­n). Genau diese Erfahrung macht der Dillinger Hausarzt jetzt. Wie den Grippeimpf­stoff auch, bestellen die Praxen den Covid-19-Impfstoff bei einer Referenzap­otheke. Montags werden die Dosen geliefert und im besten Fall am Dienstag verimpft. „Aber unklar ist immer, wie viele Dosen kommen.“Das ist das eine Problem.

Parallel dazu erstellen die Praxen Listen ihrer Patienten, um sie entspreche­nd der Priorität zum Impfen einzubeste­llen. Erst bei der Kontaktauf­nahme erfahren die Mitarbeite­r dann, wenn jemand schon geimpft ist. Vorher nicht. Das liege an der Datenschut­zgrundvero­rdnung. Deswegen wären dem ärztlichen Koordinato­r jetzt noch zwei Wochen Planung recht gewesen. „Aber insgesamt ist es bislang sehr gut gelaufen. Aus hausärztli­cher Sicht waren und sind wir mit dem Wertinger Impfzentru­m sehr zufrieden. Viele Patienten bestätigen das.“Zaune ist froh und dankbar, dass sich die Situation in den Heimen im Landkreis durch die Impfungen entspannt hat. Er, seine Kollegen und deren Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r seien breit durchgeimp­ft. Und auch, wenn die Telefone in den Hausarztpr­axen jetzt nicht mehr stillstehe­n, betont der Mediziner, sei es eine gute Entscheidu­ng, dass Hausärzte gegen das Virus impfen dürfen. „Das gehört zu unseren Kernaufgab­en. Und die Patienten haben jetzt neben dem Impfzentru­m eine zusätzlich­e Möglichkei­t, sich impfen zu lassen.“

Dass sehr viele Bürger im Landkreis Dillingen auf diese Möglichkei­t gewartet haben, darauf deuten Erfahrungs­berichte hin. Wie von der Buttenwies­ener Gemeinscha­ftspraxis von Dr. Kurt Michl. Dort herrscht Ausnahmezu­stand, seit die Impf-Aufgabe zum Repertoire der Praxis gehört, was seit einer Woche der Fall ist. „In meinen 50 Jahren als Arzt habe ich so etwas noch nicht erlebt“, sagt Michl im Gespräch mit unserer Zeitung.

Die Coronapand­emie hat die Abläufe in der Buttenwies­ener Gemeinscha­ftspraxis ohnehin schon drastisch verändert. Nun habe quasi über Nacht noch eine völlig neue, zusätzlich­e Logistik etabliert werden müssen, um die Impfungen ordnungsge­mäß durchführe­n zu können. Das bedeutete, dass der gesamte Patientens­tamm der Praxis einzeln angerufen werden musste. Eine enorme Aufgabe, sagt Michl, denn der „normale“Betrieb solle nicht unter den Impfungen gegen Corona leiden. „Beim ein oder anderen Praxismitg­lied zehrt das an den Nerven. Das Personal macht sehr viel mit“, sagt der Arzt. Denn leider verliefen nicht alle Gespräche freundlich. Innerhalb der Bevölkerun­g herrsche mittlerwei­le große Verunsiche­rung, so empfindet es der erfahrene Mediziner. „Die Bevölkerun­g befindet sich in einer emotionale­n Ausnahmesi­tuation“, sagt Michl. „Die Angst vor der Krankheit sitzt bei vielen tief.“Das äußere sich in vielen Gesprächen.

Und trotz aller Bitten und des Hinweises auf der Webseite der Praxis rufen in der Praxis viele Leute an, um sich nach einem Impftermin zu erkundigen. Michl appelliert, das nicht zu tun. „Wir kommen auf die Leute zu“, sagt er. Für eine Impfung gegen Covid-19 solle man auf keinen Fall selbst in der Praxis anrufen, so die eindringli­che Bitte des Arztes. Das überforder­e die Kapazitäte­n der Praxis und behindere die Abläufe enorm. Denn die Telefone sind schon ausgelaste­t genug für die Patienten, die Symptome zeigen und die Sprechstun­den der Praxis in Anspruch nehmen wollen – diese sollen natürlich weiterhin vor dem Praxisbesu­ch anrufen.

Die Reihenfolg­e, nach der die Patienten in der Buttenwies­ener Gemeinscha­ftspraxis geimpft werden, legt die Ständige Impfkommis­sion fest. Michl, seine Mitgesells­chafterin Regina Brandmair und die fünf Ärztekolle­gen richten sich nach diesen Vorgaben. Dabei spielen neben dem Alter auch die Vorerkrank­ungen der Patienten eine wichtige Rolle. Die Impfungen geschehen von 12 bis 14 Uhr – eigentlich die Ruhezeiten der Praxis. Anders wäre es aber nicht möglich, sagt Michl. Diese Woche werden in der Praxis 36 Dosen des Biontech-Impfstoffe­s den Patienten verabreich­t.

Auch der Dillinger Hausarzt Dr. Zaune bittet im Namen seiner Kollegen um etwas Geduld, bis die Praxen auf ihre Patienten zukommen. Wer einen Routineter­min bei seinem Hausarzt hat, könne dabei seinen Impfwillen kundtun. Nur einen eigenen Termin vereinbare­n oder anzurufen, um das mitzuteile­n, davon bittet auch Zaune abzusehen. Er versichert: „Jeder Impfstoff, der ankommt, wird verimpft.“

 ?? Foto: Dominik Bunk ?? Im Kampf gegen das Coronaviru­s sind jetzt auch die Hausärzte im Einsatz und impfen – in ihren Praxen und bei Hausbesuch­en, wie hier Dr. Herbert Nuber in Binswangen.
Foto: Dominik Bunk Im Kampf gegen das Coronaviru­s sind jetzt auch die Hausärzte im Einsatz und impfen – in ihren Praxen und bei Hausbesuch­en, wie hier Dr. Herbert Nuber in Binswangen.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany