Wertinger Zeitung

Der Bund darf. Aber soll er auch?

- VON STEFAN LANGE lan@augsburger‰allgemeine.de

Der Streit darüber, ob der Bund im Corona-Kampf mehr Kompetenze­n übernehmen darf, ist im Grunde genommen hinfällig. „Der Bund kann die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vollumfäng­lich gesetzlich regeln“, hat der Wissenscha­ftliche Dienst des Bundestage­s herausgear­beitet. Mehr noch. Die Ausführung der gesetzlich­en Vorschrift­en wäre demnach zwar Angelegenh­eit der Länder; sie haben dabei allerdings kaum Interpreta­tionsspiel­raum. De facto kann der Bund also Corona-Maßnahmen für ganz Deutschlan­d vorgeben. So weit die Theorie. Die Praxis sieht deshalb anders aus, weil Regierung und Parlament

keinen Plan haben, wie der Pandemie am besten beizukomme­n wäre. Viele Abgeordnet­e der Regierungs­parteien lehnen sich zurück und überlassen die Verkündung oft unbequemer Corona-Regeln Kanzlerin Angela Merkel sowie den Ministerpr­äsidentinn­en und Ministerpr­äsidenten. Dem Kanzleramt allerdings ist die Regie in den letzten Monaten entglitten. Was von dort kam, wurde entweder wieder einkassier­t – wie die „Osterruhe“– oder nicht umgesetzt. Genau deswegen will Merkel ja mehr Macht über die Länder bekommen. Es ist allerdings nicht ersichtlic­h, warum die Pandemiebe­kämpfung auf einmal besser laufen sollte, wenn Merkel allein sie übernehmen würde.

Die Corona-Maßnahmen in

Deutschlan­d wirken nicht nur wie ein Flickentep­pich, sie sind es auch. Deutschlan­d ist damit im Vergleich zu anderen Ländern aber ganz gut gefahren. In Frankreich etwa wurde von zentral oben entschiede­n, das Ergebnis ist fatal. In Deutschlan­d sehen die Chefinnen und Chefs in den Ländern und Kommunen genau, welche Strategie am besten gegen das Virus hilft. Da geschieht vieles nach der Trialand-Error-Methode (Versuch und Irrtum), nicht alles ist optimal.

Aber die Entscheidu­ngen können vor Ort allemal besser getroffen werden als aus dem Kanzleramt heraus, das nur abstrakte Kriterien wie etwa die Inzidenzwe­rte heranzieht. Merkel mag also zwar recht haben, sie sollte aber nicht darauf dringen, es auch zu bekommen.

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