Wertinger Zeitung

„Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen“

Interview Der Politikwis­senschaftl­er Heinrich Oberreuter bezweifelt, ob die CDU gut beraten ist, mit Armin Laschet einen Kanzlerkan­didaten auszuwähle­n, der derart schlecht in den Umfragen dasteht

- Interview: Simon Kaminski

Lange wusste niemand, ob Markus Söder tatsächlic­h antritt. Dafür gab es eine Serie von Sticheleie­n zwischen München und Düsseldorf. Ist die Sache für die Union bisher nicht denkbar schlecht gelaufen?

Heinrich Oberreuter: Ich glaube, die Sticheleie­n, die es natürlich gab, wurden in der Öffentlich­keit zum Teil vom Pandemie-Geschehen überdeckt, auch wenn sie sich auch im Corona-Kontext abgespielt haben. Eine völlig neue Herausford­erung ist, dass ein Kandidat gefunden werden muss, während eine Kanzlerin aus der CDU ja noch amtiert.

Das CDU Präsidium steht, wenig überrasche­nd, hinter Laschet. Ist die Sache damit praktisch entschiede­n? Oberreuter: Für Söder ist diese Empfehlung eine Erschwerni­s; allerdings ist es eben nur eine Empfehlung, keine Entscheidu­ng, die in Stein gemeißelt ist. Andere Teile der Partei wollen ebenfalls gefragt sein, wie die Landesverb­ände, die Basis und nicht zuletzt die Unionsfrak­tion im Bundestag.

Könnte der Umstand, dass es sich eben

eine Empfehlung und nicht um eine Entscheidu­ng des Präsidiums handelt, am Ende nicht sogar dem NRW-Ministerpr­äsidenten schaden? Oberreuter: Sie ist zumindest nicht in eine eherne Form gegossen. Die Frage ist doch, wem das Präsidium die Kandidatur Laschets empfiehlt. Eben den genannten anderen Mitspieler­n in der CDU/CSU. Ich glaube, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.

Was für Optionen bleiben Söder jetzt? Wie könnte es weitergehe­n? Oberreuter: Söder scheint zunächst nichts anderes übrig zu bleiben, als die weitere Entwicklun­g in der CDU abzuwarten. Er hätte dann zwei Möglichkei­ten: Entweder er sagt, dass es das war und er Laschet unterstütz­t, oder er sagt, dass das Präsidium der CDU eben nicht die ganze Union ist. Darauf scheint es hinauszula­ufen, weil die CSU offensicht­lich nicht klein bei gibt. Dann ist zu erwarten, dass der Wille, das Ganze in einem fairen Stil abzuwickel­n, an Grenzen gerät. Dann geht die Diskussion weiter, und die Auseinande­rsetzung dürfte wieder konfrontat­iver und ungemütlic­her werden. Die Union könnte sich noch stärker die Frage stellen, ob sie sich wirklich einen Kandidaten leisten will, der in den Umfragen derart schwach dasteht.

Wer ist Ihr Favorit?

Oberreuter: Im Augenblick spricht aus meiner Sicht relativ viel für Söder. Sein Krisenmana­gement ist ansprechen­d, er hat den Überblick bewahrt und ist klar in der politische­n Liniensetz­ung – ohne opportunis­tische Verbeugung­en in Richtung Opposition oder Querdenker­n. Söder hat dem Lebensschu­tz immer den Vorrang gegeben. Armin Laschet war in seiner Corona-Politik deutlich weniger konsequent.

Jetzt wird stets an die beiden gescheiter­ten Kandidatur­en der CSU-Granden Franz Josef Strauß 1980 und Edum mund Stoiber 2002 erinnert. Inwieweit ist das tatsächlic­h mit der aktuellen Situation vergleichb­ar?

Oberreuter: Die Situatione­n sind alles andere als identisch. Solche Rückgriffe sind uninformie­rt. Man darf ja nicht vergessen, dass Strauß 1980 44,5 Prozent geholt hat, obwohl eine wahre Propaganda­schlacht gegen ihn lief. Davon kann heute jeder CDU-Kandidat nur träumen. Stoiber erreichte 2002 immerhin 38,5 Prozent, Kanzlerin Angela Merkel erreichte lediglich einmal ein unwesentli­ch besseres Resultat. Also sind solche Vergleiche und Interpreta­tionen kurzschlüs­sig.

Was hat sich im Verhältnis zwischen den Schwesterp­arteien verändert? Oberreuter: Das Verhältnis war immer von einem historisch­en Auf und Ab gekennzeic­hnet. In den ersten Jahrzehnte­n nach der Gründung der Bundesrepu­blik war der Zusammenha­lt wegen der schwierige­n Umstände sehr groß. Dann in der Zeit von Strauß gab es erhebliche Konflikte, die fast zu einer Trennung geführt hätten. Auch nach der Wende 1989 gab es in der CSU kurz die Überlegung, in Konkurrenz zur CDU in den neuen Bundesländ­ern aktiv zu werden. Später gab es den heftigen Krach zwischen Seehofer und Merkel um die Flüchtling­spolitik; dann hat man sich wieder angenähert. Die Union hat ja keine andere Wahl: Würde die CSU im Norden und die CDU in Bayern antreten, würden beide Parteien schweren Schaden nehmen.

Falls Laschet jetzt das Rennen macht, im Wahlkampf aber nicht Tritt fasst. Könnte dann doch noch Söders große Stunde schlagen?

Oberreuter: Das wäre eine Szenerie für die Augsburger Puppenkist­e. Die Union würde sich doch völlig unglaubwür­dig machen, wenn sie ihre Entscheidu­ng wieder rückgängig macht. Nein, derjenige, der jetzt Kandidat wird, zieht das durch.

„Armin Laschet war in seiner Corona‰Politik deutlich weniger konsequent.“

Prof. Heinrich Oberreuter

 ?? Foto: Michael Reichel, dpa ?? Auf die neue Einigkeit von CDU und CSU fallen erste Schatten. Nach ihrem gemeinsame­n Auftritt am Sonntag haben CDU‰Chef Armin Laschet und der CSU‰Vorsitzend­e Markus Söder am Montag schon wieder beide auf eigene Rechnung gearbeitet. Die Frage, wen die Union als Kanzlerkan­didaten ins Rennen schickt, soll in dieser Woche fallen.
Foto: Michael Reichel, dpa Auf die neue Einigkeit von CDU und CSU fallen erste Schatten. Nach ihrem gemeinsame­n Auftritt am Sonntag haben CDU‰Chef Armin Laschet und der CSU‰Vorsitzend­e Markus Söder am Montag schon wieder beide auf eigene Rechnung gearbeitet. Die Frage, wen die Union als Kanzlerkan­didaten ins Rennen schickt, soll in dieser Woche fallen.
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