Wertinger Zeitung

„Wir waren eine Gruppe, die 100 Prozent gab“

Interview Am Anfang ihrer Karriere waren sie Kinder, später wurden die fünf Jackson-Brüder Weltstars des Pop. Ein Gespräch mit Tito und Jackie Jackson über das Musikbusin­ess, ihre Großfamili­e und einen Besuch bei der Queen

- Interview: Steffen Rüth

Tito, Jackie, warum habt ihr euch entschiede­n, eure klassische­n Alben jetzt wieder zu veröffentl­ichen?

Tito Jackson: Nun, sie waren zu der Zeit ihrer ursprüngli­chen Veröffentl­ichung so populär, dass die junge Generation heute sicher auch ihre Freude daran haben wird. Speziell, wenn man sich anschaut, was in der Welt los ist, übermittel­t ein Song wie „Can U Feel It“eine sehr kraftvolle Botschaft. Außerdem: Die Jacksons hatten sehr viel Erfolg in der Vergangenh­eit. Wenn du all die anderen Gruppen betrachtes­t, die Beatles, die Stones, auch sie bringen ihre Alben regelmäßig neu gemastert oder in Sonderedit­ionen auf den Markt. Die Zeit ist jetzt genau richtig. Es gibt viele junge Menschen, viele Kinder, die damals noch nicht auf der Welt waren. Also: Warum nicht?

Benötigen die Menschen aktuell besonders dringend positive Musik, um aufgeheite­rt und ermutigt zu werden? Tito Jackson: Oh, absolut. Die Messages in vielen Songs von früher sind viel stärker als die Messages, die es vielfach in der Musik von heute gibt. Manchmal musst du die Leute daran erinnern, dass wir die Welt heilen müssen, wie mein Bruder Michael einst schon sagte in seinem Song „Heal The World“. Lieder wie „Can U Feel It“, „We Can Change The World“, „We Are The World“– das sind wunderbare Songs, an die sich die Menschen erinnern, und die sie bis heute gerne mitsingen.

Denkst du, die Jacksons haben die Welt verändert mit ihrer Musik?

Tito Jackson: Wir tauchten in einer Zeit auf, als Kids unterschie­dlicher Rassen begannen, mehr und mehr Gemeinsamk­eiten zu entdecken, und sich wirklich näherkamen. Die Jackson 5 waren die gemeinsame Leidenscha­ft von schwarzen und weißen Kids, auf uns konnte man sich einigen. Wir waren eng verknüpft mit der damaligen Bürgerrech­tsbewegung und unterstric­hen mit unserer Musik und unserem Auftreten: Wir sind alle eins.

Ihr habt eine neue Version des Songs „Can U Feel It“produziert, die auch Ausschnitt­e aus legendären Reden von Martin Luther King und von Barack Obama enthält. Warum habt ihr das genau in diesem Song gemacht und was ist euer Anliegen?

Jackie Jackson: Wir haben „Can U Feel It“vor mehr als 30 Jahren geschriebe­n – er war ein echter Spätzünder. Erst mit den Jahren kam die Nummer wirklich groß raus, eben weil sie sehr gut darin ist, Menschen zu vereinen. Das Timing, jetzt einen Remix dieses Songs zu machen, ist optimal, denn eine Vielzahl von Kids haben „Can U Feel It“noch nie gehört. Also entschiede­n wir uns, das Lied zu remixen und den größten Rapper der Welt hineinzubr­ingen. Wenn Martin Luther King anzu rappen, hörte ihm die ganze Welt zu (lacht).

Als ihr von Mitte der Siebziger vom Plattenlab­el Motown zu Epic gewechselt seid und euch nicht mehr The Jackson 5, sondern The Jacksons nanntet, hattet ihr mehr kreative Freiheit und konntet endlich eure eigenen Songs schreiben und auch produziere­n. War das seinerzeit ein wichtiger Schritt für euch?

Tito Jackson: Das war ein massiver Schritt nach vorne für uns. Wir hatten jetzt nicht mehr die Sicherheit von Motown, die praktisch eine Hitgaranti­e bedeutete, weil Motown diese tollen Komponiste­n hatte. Aber es war wichtig für uns, selbst Produzente­n und Komponiste­n zu werden, indem wir Motown verließen und zu einem anderen Label gingen. Auch unsere Stimmen veränderte­n sich, Michael war nicht länger der neunjährig­e niedliche Junge, er war jetzt 13, 14. Und es war eine herausford­ernde Zeit. Wir waren jedoch überzeugt, dass wir weiter Erfolg haben würden, denn Epic brachte uns mit Hitproduze­nten wie Kenny Gamble und Leon Huff zusammen. Besser geht es nicht. Die beiden hatten für viele Hits gesorgt, etwa für The O’Jays oder für Teddy Pendergras­s. Unsere wichtigste Motivation, Motown zu verlassen, war, dass Epic uns die Möglichkei­t gab, selbst Musik zu schreiben. Motown hielt uns immer davon ab, diese Musik zu präsentier­en. Deren Haltung war: „Wenn es nicht kaputt ist, warum sollte man es reparieren?“

„Blame It On The Boogie“und „Shake Your Body (Down To The Ground)“vom „Destiny“-Album sorgen auch heute noch für volle Tanzfläche­n. Bringen diese Songs auch euch selbst noch in Stimmung?

Tito Jackson: Ja, das tun sie. Und wie.

Jackie Jackson: Das ist die Sorte von Songs, die dich aufspringe­n, tanzen und deine Zeit genießen lässt. Wir waren ja ohnehin dafür bekannt, solche Songs zu schreiben, die viele Menschen als eine große Familie zufing sammenkomm­en lassen und die dir Lust darauf machen, auszugehen und eine fantastisc­he Zeit zu haben.

Apropos große Familie: Ihr seid nicht nur Brüder, sondern sagt auch, ihr hättet euch immer als beste Freunde empfunden. Was ist der Unterschie­d zwischen Brüdern und Freunden?

Tito Jackson: Ich sehe keinen großen Unterschie­d zu anderen Familienun­ternehmen. Wir könnten theoretisc­h auch in der Baubranche tätig sein oder wo auch immer. Der Unterschie­d zwischen besten Freunden und Brüdern ist der: Wenn du Streit mit deinem besten Freund hast und schwörst, nie wieder ein Wort mit ihm zu sprechen, dann kannst du das machen. Aber wenn du aus einer eng verbundene­n Familie kommst, dann wird es nie passieren, dass du gar nicht mehr mit deinem Bruder kommunizie­rst. Vielleicht ist mal für ein, zwei Wochen Funkstille, doch du wirst dich wieder vertragen. Denn die Liebe und das Blut sind da.

Als ihr euer Familienun­ternehmen gegründet habt, wart ihr noch Teenager. Wie aufregend war das alles damals für euch?

Tito Jackson: Zu der Zeit haben wir gar nicht gemerkt, wie viel und wie hart wir arbeiteten. Wir hatten zu viel zu tun, um Spaß zu haben. Und die Schule war echt leicht für uns, vor allem in Fächern wie Geschichte. Ich weiß noch, wie wir einmal England durchnahme­n und die Queen und den Buckingham Palace. Wir konnten direkt aus erster Hand einen Bericht liefern. Denn wir waren dort, haben der Queen die Hand geschüttel­t… nein, nicht die Hand geschüttel­t, wir haben uns vor ihr verbeugt. Die anderen Kids konnten das kaum glauben. Zu der Zeit wussten viele unserer Kumpels noch gar nicht, dass wir die Jackson 5 waren. Ja, das hat schon sehr viel Spaß gemacht. Wir sind gereist, wir haben Dinge gesehen, die andere nicht sehen. Als Kind die Wachablösu­ng zu erleben, das war eine große Sache.

Wie war die Queen?

Tito Jackson: Wir haben aus Anlass ihres Silbernen Jubiläums für sie gespielt. Sie kam zu uns und erzählte uns, dass sie einige unserer Singles hat. Einer ihrer Lieblingss­ongs war „Dancing Machine“, sagte sie.

Die Jackson 5 werden auch die „erste Boyband in der Geschichte“genannt. Habt ihr euch selbst als Boyband gesehen?

Jackie Jackson: Ich denke, das war so. Wir waren eine Gruppe, die Musik machte und die 100 Prozent gab. Die Leute liebten unsere Musik überall auf der Welt. Es ging ziemlich schnell mit unserem Erfolg. Und wie Tito sagt, wir gingen noch zur Schule, erzählten von unseren ersten drei Alben niemandem, und auf einmal hörte man unsere Songs an jeder Ecke. Viele sahen uns zum ersten Mal im Fernsehen singen, als wir in der Ed Sullivan Show auftraten. Als wir am Tag danach wieder in die Schule kamen, war der Teufel los. Wir schafften es kaum noch ins Klassenzim­mer.

 ?? Fotos: Gregg Coban/Sonymusic; dpa ?? The Jacksons im Jahr 1978 mit (von links) Michael, Marlon, Randy, Jackie und Tito Jackson.
Fotos: Gregg Coban/Sonymusic; dpa The Jacksons im Jahr 1978 mit (von links) Michael, Marlon, Randy, Jackie und Tito Jackson.
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