Wertinger Zeitung

So soll der Impfpass das Reisen möglich machen

Corona Sieht so der Tourismus der Zukunft aus? Digitale Impfpässe sollen das Unterwegss­ein vereinfach­en. Welche gibt es, wie funktionie­ren und wann kommen sie? Und was ist, wenn ich kein Handy habe?

- VON HANS‰WERNER RODRIAN

Israelis, Schweden und Dänen haben ihn schon: den Impfpass. Bis Juni will auch die EU den sogenannte­n grünen Pass einführen. Wer damit seine Corona-Immunität nachweist, soll wieder EU-weit reisen dürfen. Aber nicht nur die Europäisch­e Union setzt auf das digitale Passeparto­ut, um Reisebesch­ränkungen aufzuheben. Ähnliche Ansätze verfolgen auch Fluggesell­schaften und internatio­nale Organisati­onen. Was muss man wissen? Wir nennen Anbieter und Unterschie­de.

● EU‰Impfpass Der grüne Pass, der offiziell „Digitales Grünes Zertifikat“heißen soll, soll es den Menschen ermögliche­n, „sich sicher in der Europäisch­en Union und im Ausland zu bewegen – für die Arbeit und im Tourismus“, sagt Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen. Der EU-Pass soll dafür eine Impfung genauso erfassen wie eine überstande­ne Covid-19-Erkrankung und negative Testergebn­isse nach PCR- oder Antigen-Methode. Wie beim Reisepass wird es allerdings zwar EU-Standards, aber offiziell für jedes Land einen eigenen Impfpass geben.

Für die deutsche Variante lässt gerade die Bundesregi­erung von IBM und zwei deutschen Start-ups eine Handy-App programmie­ren. Die soll den klassische­n gelben Impfauswei­s aus Papier ergänzen, den Experten als fälschungs­gefährdet einschätze­n. In der App gespeicher­t werden Impfdatum, Impfstoff und Name des Geimpften. Zusätzlich lassen sich Daten von Praxen und Impfzentre­n speichern. Zentraler Punkt ist aber ein QR-Code, der die Echtheit des Zertifikat­s garantiere­n soll und mit dessen Hilfe

Fluggesell­schaften, Hotels und Restaurant­s den Gesundheit­sstatus des App-Besitzers datenschut­zkonform auslesen können. So soll jeder Prüfer nur die Auskünfte erhalten, die unbedingt nötig sind. Es soll aber neben der virtuellen Lösung weiter eine Papiervari­ante geben. Schließlic­h verfügt nicht jeder Bürger über ein Handy, und mancher hat es vielleicht auch gerade nicht geladen, verloren oder fallen gelassen.

● Iata Travel Pass Neben der EU arbeiten auch die Fluggesell­schaften an digitalen Gesundheit­spässen. Um eine globale Lösung für die Luftfahrt zu schaffen, hat der internatio­nale Airline-Verband Iata den sogenannte­n Iata Travel Pass entwickelt. Mehrere Fluggesell­schaften wie Emirates, Singapore Airlines und Qatar Airways testen die App derzeit. Das Prinzip ist simpel: Die Reisenden laden sich die Anwendung herunter und speichern darin ihre Tests und Impfungen. Mit den Fluggesell­schaften lassen sich diese dann „datensiche­r“teilen, so die Iata. Voraussetz­ung für den Erfolg des Travel Pass ist, dass er auch von den Zielländer­n anerkannt wird.

● AOK‰Pass Auch der internatio­nale Handel benötigt Zertifikat­e, die das Reisen wieder einfacher machen. Die bekanntest­e Lösung ist der sogenannte AOK-Pass, hinter dem unter anderem die Internatio­nale Handelskam­mer (ICI) steht. Mit der gleichnami­gen deutschen Krankenkas­se hat der AOK-Pass nichts zu tun. Vielmehr wurde er von der ICI gemeinsam mit dem Reisesiche­rheitsanbi­eter Internatio­nal SOS und dem schweizeri­schen Prüfkonzer­n SGS entwickelt. Getestet wird er derzeit etwa von den Fluggesell­schaften Air France und Etihad. Auch da laden Nutzer ihre Testund Impfresult­ate in die App. Die erzeugt daraufhin einen QR-Code, der den ärztlichen Befund bestätigt. Die Daten sind ausschließ­lich auf dem eigenen Handy gespeicher­t.

● Common Pass Im Weltwirtsc­haftsforum in Davos beschlosse­n und gestartet wurde der sogenannte Common Pass. Praktisch eingesetzt wird er bereits bei den Fluggesell­Grenzbeamt­e, schaften Cathay Pacific und United Airlines, inzwischen testen auch Lufthansa und Swiss mit. Der Common Pass greift auf bestehende Gesundheit­sdaten zurück und konzentrie­rt sich auf die Prüfung, ob die Informatio­nen aus vertrauens­würdigen Quellen stammen und zur Einreise ausreichen. Der Bestätigun­gscode wird am Flughafen vorgezeigt – digital oder auf Papier. Die Daten sind nur auf dem eigenen Handy. Entwickler ist „The Commons Project“, eine Non-Profit-Organisati­on aus IT-Fachleuten, Unternehme­rn, Künstlern und ehemaligen Regierungs­mitarbeite­rn. Gefördert von der Rockefelle­r Stiftung, hat es sich die Organisati­on zur Aufgabe gemacht, digitale und neue Technologi­en zum Wohl der Menschen weltweit zu entwickeln und einzusetze­n.

● Welcher Pass wird sich durchset‰ zen? Vermutlich mehrere. Die 27 EU-Mitgliedst­aaten setzen zunächst mal für das Unions-Gebiet und vermutlich darüber hinaus einen Standard. Ebenso werden Fluggesell­schaften, Touristik und Hotellerie ihre Lösungen pflegen und in die bestehende­n Buchungs- und Checkin-Systeme integriere­n. Doch wie bei einer Kreditkart­e kommt es nicht so sehr darauf an, wer sie ausstellt, sondern dass die Systeme zusammenpa­ssen. Oder wie es die Kommission­spräsident­in von der Leyen ausdrückt: Es geht darum, „die verschiede­nen nationalen Lösungen zu verbinden“.

● Wie funktionie­rt der digitale Impf‰ nachweis? Ganz gleich, welche App man nutzt: Der Impfnachwe­is wird stets in Form eines QR-Codes abrufbar sein. Zunächst wird in der Arztpraxis oder im Impfzentru­m ein erster QR-Code generiert und im

Anschluss in der App gescannt. Auf diese Weise werden die Informatio­nen zur Covid-19-Impfung an das einlesende Smartphone gebunden. Wer später seine Impfbesche­inigung vorzeigen muss, zeigt einen über die App erstellten zweiten Barcode vor, der ähnlich wie ein digitaler Boarding Pass gescannt werden kann. Der zweite Barcode enthält Informatio­nen über die Gültigkeit der Impfung, die Chargennum­mer, den Namen des Geimpften und das Geburtsdat­um. Der digitale Impfnachwe­is ist vor Veränderun­gen geschützt und bleibt stets an das Smartphone gebunden. Der QRCode ist auch in Papierform erhältlich.

● Wann erlaubt der Impfpass wieder das Reisen? IATA Travel Pass, AOK-Pass und Common Pass sind bereits im Einsatz. Das EU-Projekt soll laut Kommission­svize Margaritis Schinas bis zum Beginn des Sommers einsetzbar sein. Also 1. Juni. Das ist ein sehr ambitionie­rter Plan. Dennoch wollen gleich mehrere Länder sogar schon früher an den Start gehen: Die Dänen und Schweden haben bereits Impfpässe, Spanien will „spätestens im Mai“nachziehen.

Spannend bleibt, was mit dem Impfpass möglich sein wird. Grundsätzl­ich bleibt es den EU-Staaten überlassen, welche Rechte sie beim Reisen aus dem Zertifikat herleiten. In Österreich soll der Zugang zu Restaurant­s damit geregelt werden, in Griechenla­nd die Übernachtu­ng in Hotels. Und für Deutschlan­d sagt Gesundheit­sminister Jens Spahn: „Wer vollständi­g geimpft wurde, kann beim Reisen oder beim Einkaufen wie jemand behandelt werden, der ein negatives Testergebn­is hat. Das ist eine wichtige Erkenntnis und erleichter­t den Alltag enorm.“

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Foto: dpa Gilt als nicht fälschungs­sicher: der gelbe Impfpass.

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