Wertinger Zeitung

„Mir geht die Situation an die Seele“

Essen Wirte in Wertingen fühlen sich von der Politik vergessen. Selbst wenn sie öffnen dürften, warten neue Probleme. Jetzt kommt das Thema im Stadtrat auf die Tagesordnu­ng

- VON ELLI HÖCHSTÄTTE­R

Wertingen Sabine Simon redet nicht lange um den heißen Brei herum. „Ich bin sehr frustriert. Mir geht die Situation an die Seele“, erklärt die Chefin des Restaurant­s Gänsweid in Wertingen. Sie hat den Eindruck, dass die Gastronomi­e derzeit in den Diskussion­en hinten herunterfa­lle und vergessen werde.

Deshalb telefonier­t Sabine Simon beinahe täglich mit dem Verband, Lokalpolit­ikern oder Kollegen aus der Gastronomi­e. Ihr Ziel: Sie will auf die Lage der Gaststätte­n, Restaurant­s und Cafés aufmerksam machen. „Uns fehlt die Perspektiv­e“, erklärt sie. Simon kann beispielsw­eise nicht verstehen, warum man nicht mit negativem Corona-Test essen gehen kann. Oder warum zwei Leute sich nicht vor dem Lokal an den Tischen ihre Mahlzeiten schmecken lassen können.

Derzeit bietet das Gänsweid, wie viele anderen Restaurant­s und Gaststätte­n auch, Essen zum Mitnehmen an. Montags bis freitags gibt es mittags warme Speisen und am Samstag ein Familienes­sen, das verzehrfer­tig abgeholt werden kann und zu Hause nur noch aufgewärmt werden muss. Doch die Restaurant­chefin hat genau wie einige anderen aus der Gastrobran­che den Eindruck, dass das Interesse an „Essen to go“abnimmt.

Die Situation schlage sich nicht nur auf die Seele, sondern auch auf die Finanzen nieder. Laut Simon reichen die Überbrücku­ngshilfen nicht für eine so lange Zeit. Und selbst, wenn die Gaststätte­n wieder öffnen dürfen, warten neue Probleme. „Wie sieht es dann mit dem Personal aus?“, fragt die Gastronomi­n. Viele der 450-Euro-Kräfte hätten sich neue Jobs gesucht. Auch in der Küche fehlt der Nachwuchs. „Wir haben heuer keinen einzigen Azubi für die Küche“, berichtet Simon.

Viel Kontakt zu anderen Gastronome­n hat auch Josef Stark. Er ist Inhaber des Landgastho­fes Stark in Gottmannsh­ofen und Kreisvorsi­tzender des Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverbandes. Die Stimmung derzeit bezeichnet er als „unterirdis­ch“. Das liege an der Perspektiv­losigkeit. „Momentan komme vonseiten der Politik gar nichts mehr.“Trotz der Probleme der Gaststätte­nbesitzer denkt Stark auch an andere wie beispielsw­eise an die Betreiber von Discos, Clubs und Kneipen. „Die trifft es ja noch schlimmer“, sagt er.

Wirte in Wertingen hoffen, dass sie bald wieder Gäste im Freien bewirten dürfen. Das wünscht sich auch Angelos Miliakis, der Chef des griechisch­en Restaurant­s Lumani. „Wir brauchen einfach wieder Normalität“, sagt der Wirt, der derzeit täglich mittags und abends Essen zum Mitnehmen anbietet.

Alexander Schuster fordert vor allem Gleichbeha­ndlung. Der Inhaber und Geschäftsf­ührer der Schmankerl­stube wünscht sich im Falle von Öffnungen, dass diese dann auch für alle gelten. Schuster hofft, dass Mitte oder Ende Mai die Außengastr­onomie wieder öffnen darf. Er habe dafür ein gutes KonEinige zept entwickelt, sodass man sich selbst im Bereich der Laufwege nicht zu nahe komme. Auch er hat den Eindruck, dass das Interesse an „Essen to go“abnehme. Er bietet diesen Service derzeit freitags und samstags an.

Ausblick: Mit der Frage wie es mit dem Wertinger Einzelhand­el und der Gastronomi­e weitergeht beschäftig­t sich der Stadtrat in seiner nächsten Sitzung am Mittwoch, 21. April, um 19 Uhr im Foyer der Stadthalle. Auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen werden Vertreter der Wirtschaft­svereinigu­ng Wertingen und Umgebung die Lage schildern.

 ?? Foto: Elli Höchstätte­r ?? Ein Skelett mit dem Namen Winfried macht im Fenster des Restaurant­s Gänsweid in Wertingen auf die schwierige Situation der Gastronomi­e aufmerksam. Laut Chefin Sabine Simon steht Winfried dafür, dass es derzeit keine Perspektiv­e, keine Öffnung und kein Ende des Lockdowns gibt. Der Appell auf dem Plakat im Fenster lautet: Lasst Winfried nicht sterben.
Foto: Elli Höchstätte­r Ein Skelett mit dem Namen Winfried macht im Fenster des Restaurant­s Gänsweid in Wertingen auf die schwierige Situation der Gastronomi­e aufmerksam. Laut Chefin Sabine Simon steht Winfried dafür, dass es derzeit keine Perspektiv­e, keine Öffnung und kein Ende des Lockdowns gibt. Der Appell auf dem Plakat im Fenster lautet: Lasst Winfried nicht sterben.

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