Die Argumente der Befürworter und Gegner
Bürgerentscheid II Deutliche Kritik am „Tower“kommt aus dem Umfeld der CSU und der Bürgerinitiative – aber nicht nur von dort
Wertingen Ebenso wie die Zustimmung zum geplanten Bauvorhaben kommt auch die Kritik aus mehreren Ecken:
● Johann Popp: Der Wertinger CSUPolitiker ist gleich auf drei Ebenen mit dem Projekt in Kontakt: Er sitzt im Aufsichtsrat der kreiskliniken sowie im Wertinger Stadtrat und dem Dillinger Kreistag. Im Aufsichtsrat der Kliniken, wo alles seinen Anfang nahm, votierte er in der ersten Abstimmung als einziges Mitglied gegen Reitenbergers Projekt und für einen Ideenwettbewerb. Im Wertinger Stadtrat sprach er sich mehrfach entschieden gegen das Vorhaben aus. Das Vorantreiben eines einzelnen Projektes ohne vorhergegangene Ausschreibung ist in den Augen Popps ein schwerer Fehler. Nach der Präsentation vor dem Stadtrat im Oktober sagte er wörtlich: „Es braucht die beste, nicht die erstbeste Lösung für das Krankenhaus.“Außerdem stört den CSU-Mann, der auch im Bezirkstag sitzt, die Vermengung des ÄrztehausTurms mit den Bauprojekten Pflegeschule und Pflegeheim. Diese seien eigenständig und müssten auch eigenständig betrachtet werden, nicht im Zusammenhang mit dem „Tower“. Weiterhin stört sich Popp am Verkauf des öffentlichen Grundstücks.
● Alfred Schneid: Der stellvertretende Landrat und ehemalige CSUStadtrat argumentierte in den Stadtratssitzungen ähnlich wie Popp. Er kritisierte die Informationspolitik von Bürgermeister Willy Lehmeier und Landrat Leo Schrell. Schon im Oktober 2019 hätte eine öffentliche Diskussion um das Projekt beginnen können – das sei jedoch nicht geschehen. Stattdessen sei zwei Wochen nach der öffentlichen Präsentation vor dem Stadtrat im Oktober schon die Abstimmung angesetzt worden. Dies kritisierte auch CSU–Stadtrat Josef Stuhler scharf. In seinen 28 Jahren als Stadtrat habe er es noch nie erlebt, dass ein Thema „derart im Schweinsgalopp“zur Abstimmung gekommen wäre. Johann Bröll von der Ortsteilliste CSW wollte das „hochkomplexe“Thema angesichts der Fülle an Informationen, welche die Stadträte zu berücksichtigen hätten, vertagen, was allerdings knapp abgelehnt wurde.
● Klaus Lang: Der Gründer der Bürgerinitiative „Für das Krankenhaus – Gegen den Tower“kritisiert, dass für den Bau des Turms eine öffentliche Fläche verkauft und damit keine Möglichkeit der Einwirkung für den Landkreis und die Kreiskliniken mehr bestünde. Außerdem gebe es keinerlei Lösungsansätze für den zusätzlichen Verkehr, der durch den Bau zu erwarten sei. Er bestreite nicht, dass eine verkehrliche Anbindung des Krankenhausareals durch die von der Stadt geplante Nord-OstTangente angedacht und gewollt sei. Allerdings sei ein in den Planungen enthaltener Knotenpunkt nicht dasselbe wie eine komplette Anbindung samt Verbindungsstraße. Und eben für diese notwendige Stichstraße gebe es noch keinen Planungsauftrag. Mehr noch: Es gebe bisher keinen Grunderwerb und es sei mit „erheblichen Einsprüchen“zu rechnen. „Eine Anbindung vom Tower nach Norden ist fern, ihre Realisierung dauert, wenn überhaupt, Jahre“, schrieb Lang Anfang März an unsere Zeitung.
● Fabian Braun: Schon bevor er im Januar nach Alfred Schneids Rückzug für die CSU in den Stadtrat einzog, wandte sich Braun mit einem Leserbrief an unsere Zeitung. Er kritisierte darin Landrat Leo Schrell und Bürgermeister Willy Lehmeier, die seiner Ansicht nach die Nachteile des Turmbaus unerwähnt ließen. Würden die Pläne zudem hin zu einem reinen Ärztehaus ohne jede Mischnutzung geändert, könnte es der Landkreis selbst errichten, argumentierte Braun.
● Michael Gumpp: Der Architekt hatte sich mit seinen Kollegen Ingo Blatter, Andreas Georgens und Wolf ram Winter im November in einem gemeinsamen Statement gegen den Turmbau ausgesprochen. Die Architekten halten es für sinnvoll, einen Ideenwettbewerb mit festgesetztem Zeitrahmen auszurichten, bei dem verschiedene Planungsbüros ihre eigenen Konzepte vorlegen. „Erst im Vergleich lässt sich sagen, was für Wertingen und den Landkreis die richtige Lösung ist“, hieß es in der Erklärung. Durch einen Ideenwettbewerb ließe sich auch die Neutralität wahren. „Die öffentliche Hand kommt ihrer Pflicht nach, unabhängig zu bleiben, und erarbeitet einen Rahmen, in dem im zweiten Schritt das Projekt eines privaten Investors umgesetzt werden kann“, so Michael Gumpp. Ein derartiges Projekt müsse mit besonderem Augenmerk gehandhabt werden. Der Turm wäre nicht nur stadtbildprägend, sondern würde den höchsten Punkt Wertingens am oberen Riedrand deutlich überragen und die Silhouette Wertingens weithin sichtbar verändern, argumentiert der Unterzeichner Wolfram Winter. Ob das gut oder schlecht sei, bei dieser Beurteilung könne ein Gestaltungsbeirat helfen.
● SPD: Im Wertinger Stadtrat ist Otto Horntrich einzig verbliebenes Mitglied der Sozialdemokraten, für diese sitzt er auch im Kreistag. Auch er stört sich an dem aus seiner Sicht intransparenten Entscheidungsprozess, warum das Vorhaben ohne Alternative weiterverfolgt wurde und der Tatsache, dass für den Bau eine öffentliche Fläche veräußert werden müsste. Außerdem stehe der Bau des Towers Horntrichs Meinung nach nicht im Zusammenhang mit dem Erhalt des Krankenhauses, auch wenn das immer wieder suggeriert werde.
● KreistagsGrüne: Eine „unglückliche Verquickung nachvollziehbarer Interessen des Investors und der nicht in allen ihren Folgen zu Ende gedachten, bisherigen politischen Entscheidungen“hätten dazu geführt, die Mitglieder des Kreistags in einen extremen Gewissenskonflikt zu bringen, schrieb die Kreistagsfraktion in einer Pressemitteilung an unsere Zeitung im Februar. Sollte sich die Mehrheit für das Ärztehaus der Firma Reitenberger entscheiden, so sei bei der Vertragsgestaltung akribisch darauf zu achten, die bestmögliche medizinische Versorgung der Bevölkerung auch zukünftig sicherzustellen.
● Otto Killensberger: Der Mit-Initiator von „Für das Krankenhaus – Gegen den Tower“findet, dass ein Ärztehaus in der Dillinger Straße besser aufgehoben wäre als direkt am Krankenhaus, so wie es in einem frühen Entwurf angedacht gewesen sei.
● Leserbriefschreiber: Diverse Einsendungen zum Thema erreichten uns. Edmund Füssel etwa schrieb: „Die politischen Verflechtungen des Bauträgers mit den politisch Entscheidungsbefugten sind ja bekannt, alle sind sie von den Freien Wählern, und trotzdem geschieht nichts (Stichwort Amigo!). Keine Ausschreibung, keine Vergleichsangebote, kein Wettbewerb. Warum?“Hel mut Bauer äußerte sich folgendermaßen: „In Anzeigen wirbt eine bayernweit einmalige Koalition von Grünen, Freien Wählern, Rechtsradikalen und der Linken einträchtig für dieses Ergebnis. Eine nun ganz offizielle Vereinigung von Kräften, die stets beteuern, niemals miteinander kooperieren zu wollen. Sehr verwunderlich, ein Schelm, der Böses dabei denkt.“