Wertinger Zeitung

So leiden Sportverei­ne unter dem Lockdown

Pandemie Trainingsp­lätze sind geschlosse­n – und besonders Kindern fehlt die Bewegung

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

Augsburg Kein Mannschaft­ssport, kein Hallentrai­ning, keine Wettkämpfe, kein Schwimmunt­erricht – Alfons Hölzl findet deutliche Worte für die seit Monaten andauernde Schließung von Sportstätt­en, Freizeitan­lagen und Bädern. „Katastroph­al“sei die Lage im Amateur- und Breitenspo­rt, sagte der Präsident des Bayerische­n Turnverban­des, kurz BTV, unserer Redaktion. „Der organisier­te Sport findet nicht statt.“Die Folgen seien bereits absehbar. Hölzl verweist auf Untersuchu­ngen, die zeigen, dass die mangelnde Bewegung „gesundheit­liche Auswirkung­en bis hin zu psychische­n Schäden hat“.

Viele Kinder und Jugendlich­e, sagt Hölzl, würden lieber daheim vor dem PC sitzen, als sich sportlich zu betätigen, weil die Motivation durch den Sportverei­n oder die Trainingsg­ruppe fehlt. Die Zeit, die Kinder und Jugendlich­e am Computer und am Handy verbringen, sei um eine Stunde gestiegen. Hölzl zweifelt, dass sie nach der CoronaPand­emie wieder für den Sport gewonnen werden können.

Die Folge: Die Mitglieder­zahlen in den Vereinen sinken dramatisch, seit Monaten gibt es fast nur Ausund kaum Neueintrit­te. Der Bayerische Landesspor­tverband, kurz BLSV, vermeldete zuletzt einen starken Einbruch der Zahlen vor allem im Kinder- und Jugendbere­ich. Im Jahr 2020 haben fünf Prozent weniger Kinder Sport im Verein getrieben, bei den Jugendlich­en waren es 3,7 Prozent. Aufgrund des seit November andauernde­n zweiten Lockdowns befürchtet Hölzl, „dass es sich viele zu Hause gemütlich eingericht­et haben und uns ganze Gruppen wegbrechen“.

Wie die Präsidente­n anderer großer Sportverbä­nde wie Jörg Ammon vom BLSV oder Alfons Hörmann vom Deutschen Olympische­n Sportbund (DOSB), fordert auch Hölzl von der Politik eine Perspektiv­e

für den Amateur- und Breitenspo­rt. Er hält der Politik zugute, dass man „Pandemie erst lernen muss“. Aber „in Anbetracht der langen Dauer erwarte ich, dass man erkennt, dass der Gesundheit­sschutz das eine ist, dass wir aber noch andere Grundrecht­e haben, eben das Recht, sich frei zu bewegen und organisier­ten Sport zu betreiben“. Deshalb, betont er, müsse die Politik ihre Entscheidu­ngen überdenken. Für Verbandsch­ef Hölzl ist ausschlagg­ebend, dass die Maßnahmen geeignet und verhältnis­mäßig sind – gerade mit Blick auf Erkenntnis­se von Aerosolfor­schern, dass Sport im Freien weitaus weniger gefährlich ist als in der Halle.

Ausgereche­t die Notbremse der Bundesregi­erung könnte dem Amateurspo­rt eine kleine Öffnungspe­rspektive bieten. Denn laut dem neuen Infektions­schutzgese­tz soll auch bei einem Inzidenzwe­rt von über 100 der Sport für Kinder unter 14 Jahren in 5er-Gruppen erlaubt sein, Außensport­anlagen dürfen ebenfalls weiter offen gehalten werden – falls der Freistaat diesen Bundesrege­lungen nicht noch einen Riegel vorschiebt. „Zum jetzigen Zeitpunkt können wir noch keine verbindlic­hen Aussagen hinsichtli­ch der Auswirkung­en der ,Bundes-Notbremse‘ auf die Sportausüb­ungen in Bayern treffen“, hieß es dazu am Donnerstag lediglich aus dem Bayerische­n Innenminis­terium.

Egal wie der Freistaat reagiert, der BTV-Präsident ist enttäuscht davon, dass der Sport nicht die Lobby hat, die er erwartet hätte. „Der Sport darf nicht nur bei Sonntagsre­den mit einer großen Bedeutung versehen werden, sein sozialer und gesundheit­sfördernde­r Aspekt muss erkannt werden. Aber wir erleben leider gerade, wie gering der Sport eingestuft wird.“

Lesen Sie dazu auch den Kommen‰ tar auf dieser Seite. Welche Auswirkung­en der lange Lockdown auf den Amateurfuß­ball hat, erfahren Sie auf der Dritten Seite.

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