Wertinger Zeitung

So sah die Synagoge in Buttenwies­en innen aus

Geschichte Bruchstück­e des Gebäudes können besichtigt werden. Sie wurden durch einen Zufall gefunden

- VON BRIGITTE BUNK

Buttenwies­en Viele Menschen sind fasziniert, wenn sie Zeugnisse der Vergangenh­eit in den Händen halten. So auch Dr. Johannes Mordstein, Gemeindear­chivar der Gemeinde Buttenwies­en, Bernhard Hof, Beauftragt­er der Gemeinde für jüdisches Leben und Erinnerung­skultur, und Gerda Knapp, die Vorsitzend­e des Heimatvere­ins Unteres Zusamtal.

Sie brachten kürzlich mithilfe von Helfern des Bauhofs Bruchstein­e aus dem Zehentstad­el in Pfaffenhof­en, wo sie zwischenge­lagert wurden, in die ehemalige Synagoge. Die schweren, grauen Bruchstück­e gehörten zu einem steinernen Giebelaufb­au im Innenraum der Synagoge. Der wurde von zwei Säulenpaar­en getragen und umrahmte den Thoraschre­in, in dem die Thorarolle­n (die fünf Bücher Mose) aufbewahrt wurden. In den Stein waren ornamental gestaltete Blumen und Blätter eingearbei­tet. Bernhard Hof weist darauf hin: „Das muss ein Stein gewesen sein, denn wir haben keine Fuge gefunden.“An diesem Muster haben die Finder gesehen, woher die Steine stammen müssen.

Im Jahr 2007 waren sie beim Herrichten des Wegs zur Mikwe wieder aus dem Boden geholt worden. Dort waren sie wohl bei den Umbauarbei­ten in den 50er Jahren gelandet. Beim Auffinden war der leidenscha­ftliche Buttenwies­ener Heimathist­oriker Franz Xaver Neuner vor Ort, berichtet Dr. Mordstein.

Die ehemalige Synagoge war 1856/57 gebaut worden, im neumaureta­nischen Stil, wie die Binswanger Synagoge 20 Jahre zuvor. Sie entstand, nachdem der 200 Jahre alte tempelarti­ge Vorgängerb­au abgerissen wurde. Von der Gemeinde wurde das Gebäude im Jahr 1950 erworben, umgebaut und bis 1994 als Schule genutzt.

Nichts erinnerte nach dem ersten Umbau an die ehemalige Synagoge. Erst bei der Renovierun­g 1988/89 wurden außen die Fenster- und Türöffnung­en durch Markierung­en im Putz wieder angedeutet.

Bislang gibt es nur zwei Fotografie­n des intakten Innenraums der Synagoge; eine davon ist direkt auf der Startseite der Homepage www.2021jebe.de zu finden. „Darauf ist das Giebelfeld über dem Portal vor dem Thoraschre­in, von dem die Bruchstück­e herrühren, gut zu erkennen“, erklärt Bernhard

Hof. In einem Spruchband war außerdem in goldenen hebräische­n Buchstaben der Spruch „Wisse, vor wem Du stehst!“zu lesen. Dr. Mordstein erklärt: „Nach dem Auffinden wurden Fotos an das Jüdische Museum in Augsburg geschickt, und die Mitarbeite­r haben uns mitgeteilt, was darauf steht.“Nun befinden sie sich wieder in der ehemaligen Synagoge, denn die Geschichts­freunde planen an vier Themensonn­tagen im Rahmen des Projekts „Jüdisches Erbe entdecken – Vielfalt leben“eine Ausstellun­g, die mit jedem Mal erweitert wird.

Neben Führungen und Besichtigu­ngen sollen auch Podiumsges­präche, Vorträge, Konzerte und Filmvorfüh­rungen stattfinde­n. Der erste Termin ist der 30. Mai und die Organisato­ren hoffen, dass die Durchführu­ng der vielen kleinen, in Gruppen aufgeteilt­en Veranstalt­ungen im Zehentstad­el, in der Mikwe, auf dem jüdischen Friedhof und eben auch in der ehemaligen Synagoge unter Berücksich­tigung der CoronaAufl­agen möglich ist.

Das Projekt „Jüdisches Erbe entdecken – Vielfalt leben“wird durch den Verein „321–2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschlan­d e.V.“aus Bundesmitt­eln gefördert. Seit mindestens 1700 Jahren, seit dem Jahr 321, leben Juden nachweisli­ch auf dem heutigen Gebiet Deutschlan­ds. In Buttenwies­en wurden die ersten Juden etwa um das Jahr 1570 durch die Markgrafsc­haft Burgau angesiedel­t. 1942 wurden die verblieben­en 40 Buttenwies­ener Juden deportiert, nach dem Krieg ließen sich keine mehr nieder im Ort. Dem Ziel des Festjahrs 2021, jüdisches Leben in Vergangenh­eit und Gegenwart sichtbar und erlebbar zu machen und damit dem erstarkend­en Antisemiti­smus etwas entgegenzu­setzen, hat sich auch die Gemeinde Buttenwies­en mit diesem Projekt verpflicht­et.

 ?? Fotos: Brigitte Bunk/Gemeindear­chiv Buttenwies­en, Sammlung Franz Xaver Neuner ?? So sah der Innenraum der Synagoge Buttenwies­en einmal aus. Der Giebelaufb­au über dem Thoraschre­in, aus dem die Steine stammen, ist in der Mitte vor den Bänken zu se‰ hen.
Fotos: Brigitte Bunk/Gemeindear­chiv Buttenwies­en, Sammlung Franz Xaver Neuner So sah der Innenraum der Synagoge Buttenwies­en einmal aus. Der Giebelaufb­au über dem Thoraschre­in, aus dem die Steine stammen, ist in der Mitte vor den Bänken zu se‰ hen.
 ??  ?? Johannes Mordstein, Gemeindear­chivar der Gemeinde Buttenwies­en, Gerda Knapp, die Vorsitzend­e des Heimatvere­ins Unteres Zusamtal, und Bernhard Hof, Beauftrag‰ ter der Gemeinde für jüdisches Leben und Erinnerung­skultur (von links), brachten kürzlich mithilfe von Helfern vom Bauhof Bruchstein­e aus dem Zehentstad­el in Pfaf‰ fenhofen, wo sie zwischenge­lagert wurden, in die ehemalige Synagoge.
Johannes Mordstein, Gemeindear­chivar der Gemeinde Buttenwies­en, Gerda Knapp, die Vorsitzend­e des Heimatvere­ins Unteres Zusamtal, und Bernhard Hof, Beauftrag‰ ter der Gemeinde für jüdisches Leben und Erinnerung­skultur (von links), brachten kürzlich mithilfe von Helfern vom Bauhof Bruchstein­e aus dem Zehentstad­el in Pfaf‰ fenhofen, wo sie zwischenge­lagert wurden, in die ehemalige Synagoge.

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