Wertinger Zeitung

Erinnerung­en ans Tanzen

Rückblick Zum heutigen Welttag des Tanzes haben wir Senioren aus dem ganzen Landkreis um ihre Erinnerung­en gebeten

- VON CORDULA HOMANN

Heuer darf man ja fast nichts. Es gibt auch keinen Tanz in den Mai. Dabei ist heute der Welttag des Tanzes. Wir haben Senioren um ihre Erinnerung­en gebeten. »

Kein Feiern, nicht mal am 1. Mai – die Corona-Pandemie verändert vieles. Aber am heutigen Donnerstag ist der Tag des Tanzes – und den kann man auch mit interessan­ten, unterhalts­amen und goldigen Erinnerung­en an das Tanzen vor vielen, vielen Jahren begehen.

Landkreis „Des isch scho lang her“, sagt Rosi Götzfried nachdenkli­ch. Klar war sie in ihrer Jugend viel beim Tanzen. „Erst mit 15, 16 Jahren, dann kam der Krieg. Aber zwischendr­in konnte man auch noch mit den Freundinne­n ein bisschen tanzen gehen.“Die heute 95-Jährige wohnte damals in Augsburg. Überall gab es Tanzcafés und samstags und sonntags ab 20 Uhr war immer etwas los. Meist zu Fuß, aber auch mit der Straßenbah­n ging es hin. In den Cafés hätten damals Kapellen gespielt. Man sei noch zum Tanz gebeten worden und der Tanzpartne­r begleitete einen auch zurück zum Platz. War er ein guter Tänzer, hoffte man, noch mal von ihm aufgeforde­rt zu werden. „Es war schön, trotz des Krieges“, erinnert sich Rosi Götzfried, die heute im Seniorenze­ntrum St. Klara in Wertingen wohnt. Damals habe man Walzer, Foxtrott und Tango getanzt, Rock ’n’ Roll und Samba. Auch Götzfrieds Mann war ein leidenscha­ftlicher Tänzer gewesen. „Am liebsten habe ich den Walzer linksherum getanzt. Und Tango.“In Wertingen unternimmt die 95-Jährige inzwischen nur noch kleine Spaziergän­ge mit dem Rollator, in der Einrichtun­g selbst nutzt sie den Rollstuhl. „Früher gab es oft ganze Johann-Strauß-Abende. Die Zeit ist leider vorbei.“

Als Flüchtling­skind aus dem Sudetenlan­d landete Lieselotte Thürl 1947 in Tapfheim. Ihr wurde das Tanzen vermutlich in die Gene gelegt. „Meine Mutter konnte den Walzer tanzen wie der Lump am Stecken“, erzählt sie und lacht. Manchmal ging die junge Lieselotte mit der ganzen Clique ins Gasthaus Reichenber­ger oder ins Café Willi zum Tanzen. Oder lief gar ein bis eineinhalb Stunden zu einem Ausflugslo­kal in Dettenhart. „Mit meiner Jugendlieb­e habe ich damals Tango getanzt“, berichtet die 86-Jährige am Telefon. Später wohnte sie in Neu-Ulm, kehrte aber mit ihrem Mann nach Höchstädt zurück. Im Gasthof Berg oder im Café Kommer wurde mit Freunden zu deutschen Schlagern getanzt oder in der Weinbar vom Café Vogel gefeiert. „Das kann man mit der heutigen Zeit alles nicht vergleiche­n.“Vor allem die Musik von Roy Black gefiel Thürl, die inzwischen im AWO-Seniorenhe­im in Höchstädt lebt.

Margarete Stiegelmay­r und ihre Freundinne­n haben das Tanzen in der Küche ihrer Mutter gelernt. Immer wieder habe man das alte Grammophon aufgekurbe­lt und geübt. „Blieb’ eine übrig, sagte meine Mutter: Nimm’ den Besen, das geht auch“, erzählt die 83-Jährige, die in der Dillinger Hospitalst­iftung lebt. In ihrer Jugend war sie eine begeistert­e Tänzerin und durfte mit einem Bekannten auf Veranstalt­ungen in Lauingen. „Wir wussten ja, wo welche Kapellen spielen, und da sind wir hin.“Zu jedem Lied habe sie getanzt, ob Walzer, Tango oder Marsch, später auch Rock ’n’ Roll. Wenn ihr dabei ein junger Mann auf die Schulter klopfte und um den nächsten Tanz bat, sei sie dem auch nachgekomm­en. „Er kam dann zu mir, machte mir ein Kompliment und forderte mich zum Tanz. Es war eine schöne Zeit. Mein Lieblingsl­ied seitdem ist ‚Ich tanze mit dir in den Himmel hinein‘.“Auch ihr Mann sei ein richtig guter Tänzer.

Mit Stoff aus Wertingen hat sich Anna Stimpfle vor vielen Jahren tagsüber ein Kleid genäht. Ist abends hineingesc­hlüpft und ging tanzen. Knapp 70 Jahre ist das her. „Selbstvers­tändlich haben wir uns damals schick gemacht“, sagt sie und lacht. Heute lebt die gebürtige Oberthürhe­imerin im Seniorenze­ntrum St. Klara in Wertingen. Früher, mit 16, 17, 18, 19 und 20 Jahren, sei sie regelmäßig im Heimatort oder auch in Buttenwies­en zum Tanzen gegangen oder mit dem Rad zur nächsten Veranstalt­ung gefahren, sommers wie winters. „Die Tanzfläche war immer voll“, erinnert sich die Seniorin am Telefon begeistert. Volksmusik und die hört sich noch immer gern, früher auch Roy Black. Vor allem Walzer fand sie schön. „Aber „Rock ’n’ Roll war mir zu schnell.“

Nicht so Ida Schmid. Als bei der

Familie der Schretzhei­merin Amerikaner einquartie­rt wurden, war die junge Frau eine begeistert­e Tanzpartne­rin, inklusive Hebefigure­n, erzählt die Seniorin. 24 Jahre lang arBeatles beitete sie in der Buchhaltun­g der ehemaligen Bindfadenf­abrik – samt eigener Wirtschaft. Und dort wurde getanzt. Zuerst der Wiener Walzer und der Tango, dann auch Samba, Foxtrott und der Englische Walzer. Eine Nachbarin nähte der jungen Ida die Kleider. „In Dillingen waren wir auch mal tanzen, aber das Weiteste war bei Burgau.“Ein Mal mussten Ida und ihre Freundinne­n nach einem Fest so weit heimlaufen, dass sie gerade noch rechtzeiti­g zum Ostergotte­sdienst daheim ankamen – und direkt weiter zur Kirche sind.

Christine Esenwein tanzt eigentlich immer noch. Mit inzwischen 87 Jahren bekommt sie zwar nicht mehr so gut Luft, „aber langsam geht’s scho no“, meint sie am Telefon und lacht. Noch vor zwei Jahren hat sie den Faschingsn­achmittag im AWOSeniore­nheim in Höchstädt aufgemisch­t und sich vom Alleinunte­rhalter ihr Lieblingsl­ied gewünscht: den Schneewalz­er.

In jungen Jahren hätte ihr Cousin seine Frau oft sitzengela­ssen, um mit der „Christl“zu tanzen. „Immer dann, wenn der Englisch-Walzer kam“, erinnert sie sich. Esenwein stammt aus Fristingen. Der ehemalige Gasthof Lamm, heute das „Storchenne­st“, hatte einen großen Saal – und die junge Frau tanzte alles. „Da war’ma jung“, ruft sie in den Hörer. Die Musik von Peter Alexander gefällt der 87-Jährigen heute noch. Während des Erzählens fallen der Seniorin immer mehr Geschichte­n von damals ein. Von dem tollen Silvester am Bodensee, mit Musik „vom Feinsten“und essen von 20 bis 1.30 Uhr. Mit der Freundin, die Esenwein dort besuchte, hat sie heute noch Kontakt.

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Foto: Roba/Siegfried Pilz/United Archives/Imago (Symbol) Erst schick gemacht, dann auf zum Tanz – so war das auch schon vor vielen Jahren. Aber die Musik war damals, das Bild stammt aus dem Jahr 1960, eine ganz ande‰ re.
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Foto: Vogel Auch an die legendären Partys in der Weinbar vom Café Vogel erinnert sich eine der Seniorinne­n, mit denen wir gesprochen haben. Nicht nur im Fasching war dort etwas los.
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Fotos: St. Klara/AWO-Seniorenhe­im Höchstädt/Hospitalst­iftung Dillingen Christine Esenwein
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Lieselotte Thürl
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Ida Schmid früher
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Ida Schmid heute
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Rosi Götzfried

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