Wertinger Zeitung

Experte Watzl hält Impfung von Kindern für „unkomplizi­ert“

Corona Der Immunologe sieht den Piks als medizinisc­h dringend geboten. Das Biontech-Vakzin könnte im Juni zugelassen werden

- VON SIMON KAMINSKI

Augsburg Es ist ein Phänomen, das während der Corona-Pandemie häufig zu erleben ist. Themen, die über Monate nur am Rande eine Rolle spielten, schaffen es plötzlich in alle Schlagzeil­en und Nachrichte­nsendungen. Ein solches Thema ist aktuell die Impfung von Kindern. Für den Generalsek­retär der Deutschen Gesellscha­ft für Immunologi­e, Carsten Watzl, ist das überfällig – und zwar nicht nur, weil die Jüngsten unter den Einschränk­ungen in der Krise besonders stark leiden, sondern weil es aus medizinisc­her Sicht wichtig sei: „In Deutschlan­d leben über zehn Millionen Kinder, die 15 Jahre oder jünger sind. Das ist ein ganz schöner Batzen. Bleiben die Mädchen und Jungen ungeimpft, dann wird es schwer, die Herdenimmu­nität zu erreichen. Dann müsste man noch deutlich höhere Impfquoten bei den Deutschen über 15 Jahren erreichen.“

Gleichzeit­ig geht es Watzl um die Gefahr von Infektione­n, auch wenn die Wahrschein­lichkeit einer schweren Erkrankung in dieser Altersgrup­pe gering sei. „Durch die naturgemäß sehr hohe Quote der unter 15-Jährigen an den Schulen ist die Gefahr einer Ausbreitun­g des Virus dort groß, wenn die Schüler nicht geimpft sind.“

Britische und belgische Studien haben zudem gezeigt, dass sich Kinder und Jugendlich­e verstärkt mit der britischen Mutante B.1.1.7 infizieren. Das Risiko ist groß, dass sie die aggressive Variante an Eltern oder Verwandte weitergebe­n. Ebenfalls bekannt ist, dass auch Jüngere – wenn auch signifikan­t seltener als Ältere – von tückischen Spätfolgen durch Covid-19 betroffen sein können. Die dramatisch­en bildungspo­litischen und vor allem seelischen Folgen von monatelang­en Schulschli­eßungen sind ebenfalls hinreichen­d bekannt.

Zwei Punkte stehen jetzt im Fokus. Einmal die Frage, wann die Impfstoffe zunächst für Zwölf- bis 15-Jährige, dann später für noch Jüngere zugelassen werden und anderersei­ts, ob es angemessen ist, die Priorisier­ung aufzuheben oder so zu modifizier­en, dass junge Menschen schneller geimpft werden können. Was Punkt eins betrifft, so sieht es gut aus. Die Augen richten sich derzeit auf Biontech/Pfizer. Der Antrag auf Zulassung bei der Europäisch­en Arzneimitt­elbehörde EMA ist bereits gestellt. Eine Entscheidu­ng wird für Juni erwartet.

Der Professor für Immunologi­e ist sich darüber im Klaren, dass die Entscheidu­ng für Eltern, „die eigenen Kinder für Tests zur Verfügung zu stellen, sicher nicht ganz einfach“sei. Das Risiko hält Watzl jedoch für sehr gering, da die Vakzine sich ja bereits sehr bewährt hätten. Die Prüfungen für Biontech seien sehr positiv verlaufen. „Erste vorliegend­e Ergebnisse sind ermutigend, die Antikörper­produktion

lag höher als bei den 16- bis 25-Jährigen.“Insgesamt habe Biontech mehr als 2000 Kinder der Altersgrup­pe zwölf bis 15 Jahre mit dem Impfstoff getestet. Die Zusammense­tzung sei identisch mit dem Vakzin, das Erwachsene bekommen. Das werde das Impfen für Kinder dann „noch unkomplizi­erter“machen. Der nächste Schritt ist in Planung. Watzl: „Es laufen auch bereits Studien für Kinder von sechs Monaten bis elf Jahren. Bei den Kleineren wird die Dosierung allerdings wahrschein­lich geringer sein.“

Es spricht also alles dafür, dass das Impfen von Kindern im Prinzip schnell beginnen kann. Allerdings steht bisher noch die Priorisier­ung dagegen. Darüber, ob und wann die Abfolge verändert werden soll, wird politisch gestritten. Immerhin gilt als wahrschein­lich, dass es in absehbarer Zeit genügend Impfdosen geben dürfte, um mehrere Gruppen gleichzeit­ig zu immunisier­en.

Im Windschatt­en von Biontech/

Pfizer arbeiten verschiede­ne Hersteller ebenfalls auf die Zulassung ihres Präparats für Zwölf- bis 15-Jährige hin. Dass Biontech die Nase vorn hat, überrascht Watzl nicht: „Schließlic­h waren sie ja auch die Ersten weltweit, die einen zugelassen­en Impfstoff vorweisen konnten. Ich gehe davon aus, dass die anderen Hersteller nach und nach folgen werden.“

Das US-Unternehme­n Moderna führt derzeit mehrere klinische Studien durch, sowohl für Kinder im Alter von sechs Monaten bis elf Jahren als auch für Kinder und Jugendlich­e von zwölf bis 17 Jahren. Die britisch-schwedisch­e Firma AstraZenec­a testet ihren Impfstoff für Sechs- bis 17-Jährige, Johnson&Johnson (USA) für Zwölf- bis 16-Jährige. Auch das deutsche Biotech-Unternehme­n Curevac ist am Ball. „Wir haben unsere Studie für Kinder und Jugendlich­e ausgeweite­t“, sagte Pressespre­cher Thorsten Schüller gegenüber unserer Redaktion. Curevac wartet noch auf die Zulassung seines Impfstoffs für Erwachsene. Schüller: „Wir rechnen damit im laufenden zweiten Quartal.“

Noch steht die Priorisier­ung im Wege

 ?? Foto: M. Kappeler, dpa ?? Eine Spritze mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer – das Vakzin steht kurz vor der Zulassung für Kinder und Jugendlich­e von zwölf bis 15 Jahren.
Foto: M. Kappeler, dpa Eine Spritze mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer – das Vakzin steht kurz vor der Zulassung für Kinder und Jugendlich­e von zwölf bis 15 Jahren.

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