Jeder hat ein Handicap
Manches ist offensichtlich. Etwa, wenn man selbst als Mensch ohne Beeinträchtigung einen großen Ausfallschritt machen muss, um in den Zug einzusteigen. Oder wenn sich Kunde und Verkäuferin in der Bäckerei näherkommen müssen, weil man den anderen unter der Maske schwer versteht. Was für einen selbst eine Hürde ist, ist für Menschen mit Handicap meist ein unüberwindlicher Graben. Nicht allen sieht man es jedoch an, dass sie Unterstützung brauchen, um ihren Alltag zu meistern oder dass es für sie eine ungleich größere Anstrengung ist, bei der Arbeit und in der Schule mitzuhalten. Was auf den ersten Blick wie eine ideale Startposition für eine Inklusion in die Gesellschaft scheint, kann für Betroffene manchmal hart sein. Wer schlechter hört oder sieht, erntet schnell schiefe Blicke oder abfällige Kommentare.
Jeder, der jedoch ehrlich zu sich selbst ist, wird feststellen, dass auch er eine Beeinträchtigung hat. Niemand glänzt in jeder Disziplin. Niemand kann gleichzeitig Super-Mitarbeiterin, Super-Papa, Super-Sportler sein. Leider leben wir aber in einer Gesellschaft, in der Perfektion oft das höchste Gut zu sein scheint. Wo sollen da Menschen Platz haben, die vermeintlich nicht perfekt sind und denen die Gesellschaft schiefe Blicke zuwirft, wenn sie anders sind als die anderen?
Inklusion ist deshalb ein so wichtiges Anliegen, weil sie uns alle betrifft und nicht die Defizite der Menschen in den Mittelpunkt rückt, sondern die Defizite unserer Arbeits- und Umwelt. Immer noch fehlt die Akzeptanz gegenüber Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt und noch immer stecken Bahnhöfe in Sachen Barrierefreiheit in der Kaiserzeit fest. Über Inklusion denkt man häufig nur nach, wenn man selbst betroffen ist, doch das ist falsch. Niemand ist perfekt und jeder kann helfen, dass sich alle wohlfühlen, auch wenn es nur ein kleiner Beitrag ist. Manchmal reicht schon Geduld mit unseren Mitmenschen.