Der Kampf um die Eizellenspende geht weiter
Interview Im November erklärt das Bayerische Oberste Landesgericht eine Praxis des Höchstädter Vereins Netzwerk Embryonenspende für illegal. Vorsitzender Hans-Peter Eiden will aber nicht aufgeben – und sucht Hilfe in der Politik
Landkreis Das Urteil hat viel Aufsehen erregt: Im November erklärte das Bayerische Oberste Landesgericht die Praxis des Höchstädter Vereins Netzwerk Embryonenspende für illegal, eingefrorene menschliche Zellen im Vorkernstadium (die sogenannte 2-PN-Zelle) an Paare mit unerfülltem Kinderwunsch weiterzugeben. Die Richter sahen in der Weitergabe einen Verstoß gegen das Embryonenschutzgesetz. Hier bedarf es einer Exkursion in die Biologie: Vier Stunden nachdem eine Samenzelle in eine Eizelle eindringt, beginnt das sogenannte Vorkernstadium. Dann bildet sich aus beiden Keimzellen jeweils ein sogenannter Vorkern mit dem halben Chromosomensatz des Vaters beziehungsweise der Mutter. Diese beiden Vorkerne nähern sich einander an, bis die Chromosomensätze der Eltern verschmelzen. Die Befruchtung einer Eizelle ist laut Gericht also nicht mit dem Eindringen des Samens abgeschlossen, sondern setzt sich über einen Zeitraum von bis zu 24 Stunden bis zur Entstehung eines Embryos fort. Entsprechend dürfen eingefrorene Eizellen im Vorkernstadium nicht an andere Frauen weitergegeben werden. Befürworter argumentieren jedoch, dass bereits durch das Eindringen der Samenzellen ein unumkehrbarer Prozess beginnt, der zwangsläufig zur Bildung eines Embryos und zu menschlichem Leben führt. Das Urteil des Obersten Landesgerichts war das erste obergerichtliche in Deutschland. Den Vorsitzenden des Vereins, Hans-Peter Eiden, traf das schwer. Aufgeben will er trotzdem nicht.
Herr Eiden, was ist seit November in der Sache passiert?
HansPeter Eiden: Nichts. Der Status quo ist nach wie vor gültig. Das ist eine juristische Sachlage, an die wir uns zu halten haben. Auch wenn sie noch so unbefriedigend und unlogisch ist. Die Situation ist die: Entweder entscheidet das Bundesverfassungsgericht als nächsthöhere Instanz – das müsste ich dann anrufen, und das kann ich mir nicht leisten –, oder aber der Gesetzgeber wird tätig.
Sie klangen damals so, als ob Sie nicht mehr weitermachen wollten. Genau das tun Sie jetzt aber. Am 9. April erhielten alle Bundestagsfraktionen ein Anschreiben von Ihnen mit der Bitte um Stellungnahme.
Eiden: Das Rad lässt sich nicht mehr zurückdrehen. Die Embryonenspende in Deutschland ist ein Faktum. Die Frage ist nur, unter welchen Rahmenbedingungen das Ganze stattfindet. Wir haben durch unser Netzwerk die Rahmenbedingungen so geschaffen – das war auch die Aussage von Gesundheitsminister Jens Spahn –, dass dies anerkennenswert ist. Aber dabei geht es halt nur um die Embryonenspende und nicht um die PN-Zelle. Wir haben vor Gericht nicht verloren. Wir haben dahingehend gewonnen, dass die Embryonenspende jetzt höchstrichterlich legitimiert wurde. Nur die Differenzierung der Zellen, die das Gericht vorgenommen hat, widerspricht naturwissenschaftlichen, ärztlichen und von Ethikern formulierten Bestimmungen. Deshalb habe ich mich jetzt an die Politik gewandt.
Sie hatten sich schon vor dem Urteil Unterstützung von Juristen, Medizinern und Ethikern gesucht.
Eiden: Das geht, denke ich, aus meinem Schreiben an die Parteien hervor: Wir haben zwei gravierende Unterschiede: Zum einen ist durch die Bundesärztekammer und das PaulEhrlich-Institut festgelegt worden, dass – und das steht in den Richtlinien der Reproduktionsmedizin drin – die Eizellen im Vorkernstadium als „regelrecht fertilisierte Zellen mit zwei Vorkernen“bezeichnet werden können. Genau das ist die PN-Zelle.
ist nach meinem Dafürhalten befruchtet. Die rein naturwissenschaftliche Betrachtung ist die: Die PN-Zelle lässt sich nicht mehr verändern. Entweder stirbt sie oder sie wird zu einem Menschen. Das ist der Streitpunkt. Und hier erwarte ich vom Gesetzgeber, dass er eine Regelung herbeiführt. Denn das Gericht hat nach meiner Meinung einen weiteren Fehler begangen: Es differenziert in zwei Zelltypen, wie es das Embryonenschutzgesetz vorsieht. Dort spricht man von Eizellen und von Embryonen. Das Gericht sagt, wenn es kein Embryo ist, ist es eine Eizelle. Die kann es aber nicht sein. Denn eine Eizelle hat nur einen einfachen Chromosomensatz. Und eine PN-Zelle hat zwei Chromosomensätze. Das Gericht hat also keine neue Klassifizierung getroffen, sondern die Zellen im Vorkernstadium einfach in eine alte reingeschoben, die gar nicht stimmen kann.
Deswegen haben Sie jetzt das Anschreiben geschickt?
Eiden: Ich möchte wissen, wie die
Parteien dazu stehen, dass das Gericht sagt, dass die Zellen vernichtet werden müssen. Damit spricht der Staat ein Vernichtungsgebot für Zellen aus, die lebensfähig sind. Das ist staatsrechtlich nach meinem Dafürhalten überhaupt nicht haltbar. Die Frage an die Parteien ist: Wie steht ihr dazu?
Der Zeitpunkt des Anschreibens war sicher nicht zufällig gewählt. Immerhin ist in fünf Monaten Bundestagswahl. Eiden: Ich bin ja auch nicht ganz blöd. Deswegen habe ich auch geschrieben, dass die Aussagen auf unserer Homepage ungekürzt und unbearbeitet veröffentlicht werden. Immerhin haben wir circa 10.000 Besucher im Monat auf der Homepage.
Welche Rückmeldungen erwarten Sie? Eiden: Etwas in der Richtung: „Ja, wir sind Ihrer Meinung. Aber wir können momentan nichts tun.“Ich gehe davon aus, dass sie sich um die Situation drücken werden. Nach dem Motto: Macht doch weiter so. So war es früher schon, als die EmbryonenFertilisiert spende noch strittig war. Da wurde mir auch gesagt: „Macht’s doch. Wir wollen ja gar nichts dagegen unternehmen. Wir wollen aber auch nichts dazutun.“Aus dieser Verantwortung will ich unsere Politiker aber nicht rauslassen. Bei der Entscheidung ist der Staat gefordert.
Sie haben von zwei Parteien bereits Rückmeldung erhalten.
Eiden: Ja. Wer ganz schnell war, war die FDP. Dann auch die Grünen. Beide Parteien haben angekündigt, dass sie sich mit dem Schreiben beschäftigen. Eine Stellungnahme haben sie noch nicht abgegeben. Die CDU, CSU, SPD und Linke haben noch gar nicht geantwortet. Auf die Reaktion der AfD lege ich keinen Wert.
Sie reagieren mit dem Brief auf ein richterliches Urteil. Das klingt nach „Wenn das Gesetz nicht passt, muss man es eben passend machen.“
Eiden: Ich habe eine Krücke vorgegeben in meinem Schreiben. Ich will gar kein neues Gesetz, sondern eine Differenzierung. Es muss sich nur die Definition des Embryos im Embryonenschutzgesetz ändern. Und zwar in die Definition, die im Stammzellengesetz bereits vorgesehen ist. Da steht: „Ein Embryo ist bereits jede menschliche totipotente Zelle, die sich beim Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen zu teilen und zu einem Individuum entwickeln vermag.“Und das ist die 2-PN-Zelle. Wenn diese Definition angepasst wird, ist die 2-PN-Zelle spendbar. Ab dem Moment steht ihr grundgesetzlich das Lebensrecht zu. Eines ist mir wichtig: Es geht hier nicht nur um die Wunscheltern, sondern auch um die Spender.
Wie meinen Sie das?
Eiden: Viele von ihnen bringen es nicht übers Herz, ihre kryokonservierten Zellen, die sie für sich selbst aufgehoben haben, zu vernichten. Mir geht es nur um eine klare Aussage. Wenn die Parteien sagen, sie wollen das Gesetz so lassen, wie es ist, dann müssen wir damit leben.
Das Embryonenschutzgesetz ist von 1990, das Stammzellengesetz von 2002. Da liegt also viel Zeit dazwischen. Glauben Sie denn, dass das noch eindeutig geklärt werden wird?
Eiden: Das kann schnell gehen. Wenn die Politiker pragmatisch denken, passen sie die Definition an. Das ist sowieso ein Unding! Wie kann man denn ein und denselben Gegenstand im Gesetz unterschiedlich definieren?
Wie gestaltet sich Ihre Arbeit derzeit? Eiden: Wir vermitteln nur Embryonen, keine PN-Zellen. Und wir kriegen viele Embryonenspenden aus ganz Deutschland. Wenn wir die PNZellen auch hätten, könnten wir den Markt in Deutschland abdecken. Dann müsste niemand mehr dafür ins Ausland reisen.
Das Gespräch führte Jonathan Mayer