Wertinger Zeitung

Warnt diese Wertinger Uhr vor dem Teufel?

Objekt des Monats (5) Einst war die Zusamstadt ein angesagter Ort für Uhrmacher. Ein Stück im Heimatmuse­um gibt Rätsel auf. Auf diesem findet sich Symbolik, die laut einer Expertin mit dem Satan zu tun haben könnte

- VON CORNELIUS BRANDELIK

Wertingen In unserem Artikel zum Objekt des Monats April ging es unter anderem um einen Reiseberic­ht des Jahres 1795, in dem von Wertingen als einem Städtchen, „das ganz von Uhrmachern bewohnt ist…“, gesprochen wird. Was hat es mit den Uhrmachern in Wertingen auf sich? Stadtarchi­var Johannes Mordstein recherchie­rte dazu in der Montgelas-Statistik und in Jürgen Fiedlers Häuserchro­nik. Und siehe da: Es gab sie tatsächlic­h, die Uhrmacher in Wertingen: Sie finden sich im 18. Jahrhunder­t und vor allem im 19. Jahrhunder­t.

Eine Vielzahl von talentiert­en Männern ging früher dem filigranen Handwerk in der Zusamstadt nach. Die Familie Hut(t)ner, von der die Taschenuhr­en des Heimatmuse­ums gefertigt wurden, ging dem Uhrmacherh­andwerk über Generation­en nach und hatte ihren Betrieb in der Zusmarshau­ser Straße 15. In der Mühlgasse 2 betrieb Rudolf Braun eine Uhrmachere­i, Theodor Maden fertigte in der heutigen Augsburger Straße 2a, Johann Baptist Remele in der Hauptstraß­e 13 (heute P. Kolb), August Rimlinger in der Gänsweid 4. Joseph Seneß war am Marktplatz 11 tätig, Otto Urban in der Schulstraß­e 11, Karl Weisenbach in der Bauerngass­e 40, Eustach Zientner in der Hauptstraß­e 1, später am Marktplatz 4. Johann Baptist Schlosser, der 1873 Walburga Huttner heiratete, hatte seine Werkstatt in der Zusmarshau­ser Straße 13. Gotthard Fürstenfel­der betrieb sein Geschäft in der Dillinger Straße 14.

Das Uhrmacherh­andwerk war also über die ganze Stadt verteilt. Im 20. Jahrhunder­t nahm die Zahl der Uhrmacher ab: Franz Christl war in der Badgasse tätig und Wendelin Huber am Marktplatz, später Hauptstraß­e 10. Bis heute führen die beiden Traditions­unternehme­n Kolb und Hirn in der Hauptstraß­e das Handwerk aus.

Früher gab es allerdings noch keine Armbanduhr­en – wer etwas auf sich hielt, las die Zeit auf seiner Taschenuhr ab. Wie die bereits in der Wertinger Zeitung vorgestell­te Taschenuhr weisen auch die anderen beiden Taschenuhr­en des Heimatmuse­ums, die unsere Objekte des Monats Mai sind, Emaillezif­ferblätter mit idyllische­n Szenen auf. So zeigt die Uhr mit der Inventarnu­mmer 33130_25-098 eine junge Frau, die am Flussufer steht und mit einem weißen Tuch winkt. Im Hintergrun­d sieht man auf einem Fluss ein Boot, in dem zwei Personen mit Hut sitzen. Die junge Dame ist mit einem gelben Rock und weit ausgeschni­ttener Bluse gemalt, sie blickt in Richtung des Betrachter­s und scheint sich von den beiden im Boot zu verabschie­den. Auch diese Uhr besitzt ein Übergehäus­e, das rotbraun meliert ist und kleine Nieten aufweist. Es besteht aus Schildpatt. Im Inneren findet sich neben der Gravur „Hutner“und „Wertingen“ein Brauerzunf­tzeichen bei der Brücke. Vermutlich wurde die Uhr für einen Brauereibe­sitzer gefertigt.

Die Taschenuhr mit der Inventarnu­mmer 32674_25-097 wirkt etwas gedrungene­r als die beiden anderen Uhren. Sie besitzt kein Übergehäus­e. Das silberne Uhrengehäu­se weist auf der Rückseite einen Schildpatt­bezug auf. Die in Rosa gekleidete Dame liegt unter einem Baum und blickt zu einem Eichhörnch­en auf. Unter der liegenden Dame findet sich der geheimnisv­olle Spruch „Lebi ilches chis“. Dr. Alice Arnold-Becker, Leiterin des Museums im Wittelsbac­her Schloss in Friedberg, weist darauf hin, dass das Eichhörnch­en schon in der christlich­en Kunst des Mittelalte­rs als Symbol des Teufels galt. Seine Flinkheit und die rote Farbe verband man mit dem Teufel, der hier wohl als Verführer fungiert. Wenn man die einzelnen Worte des Spruchs rückwärts liest und sich die Aussprache im Dialekt vorstellt, könnte man hineininte­rpretieren Ibel/Übel sehcli/Sachen sich/siehe.

Alle drei Uhren weisen im Inneren die gleiche Gravur auf: „Hutner“und „Wertingen“. Ein weiteres Argument für Wertingen als Uhrmachers­tadt – zumindest des 18./19. Jahrhunder­ts.

Was bedeutet die mysteriöse Inschrift „Lebi ilches chis“?

 ??  ?? Das Innere der Uhr mit der winkenden Dame (siehe rechts unten). Sie weist ein Brauerzunf­tzeichen und die Gravuren „Hutner“und „Wertingen“auf.
Das Innere der Uhr mit der winkenden Dame (siehe rechts unten). Sie weist ein Brauerzunf­tzeichen und die Gravuren „Hutner“und „Wertingen“auf.
 ??  ?? Unter der liegenden Dame steht „Lebi ilches chis“. Über ihr befindet sich ein Eich‰ hörnchen. Laut einer Expertin könnte das eine Warnung vor dem Teufel sein.
Unter der liegenden Dame steht „Lebi ilches chis“. Über ihr befindet sich ein Eich‰ hörnchen. Laut einer Expertin könnte das eine Warnung vor dem Teufel sein.
 ?? Fotos: Cornelius Brandelik ?? „Die winkende Dame“heißt diese Uhr, die ein rotmeliert­es Übergehäus­e mit kleinen Nieten besitzt.
Fotos: Cornelius Brandelik „Die winkende Dame“heißt diese Uhr, die ein rotmeliert­es Übergehäus­e mit kleinen Nieten besitzt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany