Wertinger Zeitung

300 im Ferrari auf der A8 „ist Irrsinn“

Unfall Ein 47-Jähriger verliert zwischen Neusäß und Adelsried bei einem Ausweichma­növer die Kontrolle. Raserei kann auch ohne zweites Auto als Rennen geahndet werden

- VON MATTHIAS SCHALLA

Neusäß/Adelsried Dieser Unfall erreicht in der Statistik der Polizei einen traurigen Spitzenpla­tz. Mit mehr als 300 Stundenkil­ometer raste am Sonntag ein 47-Jähriger auf der A8 zwischen Neusäß und Adelsried, als plötzlich vor ihm ein VW auf die linke Spur wechselte. Der FerrariFah­rer verlor die Kontrolle über seinen Sportwagen, schleudert­e gegen die Leitplanke, touchierte einen Lkw und kam dann entgegen der Fahrtricht­ung zum Stillstand. Der Sachschade­n: 100.000 Euro. „Ein absoluter Irrsinn“, sagt Siegfried Hartmann, Pressespre­cher des Polizeiprä­sidiums Schwaben-Nord. Ein Irrsinn, der laut Polizei jedoch durchaus erlaubt ist und leider auch keinen Einzelfall darstellt.

„Raser mit dieser hohen Geschwindi­gkeit sind zwar die absolute Ausnahme, kommen aber immer wieder auf unseren Straßen vor“, sagt Hartmann. Gut erinnern kann er sich noch an einen Vorfall vor ein paar Jahren mit einem Nissan, der mit Tempo 290 über die Straße jagte. Strafbar machen sich diese Fahrer allerdings nicht, sobald sie sich außerhalb einer Geschwindi­gkeitsbegr­enzung Tempolimit­s befinden. Dies war bei dem Unfall am Sonntag der Fall. „Theoretisc­h dürfte der Fahrer auch mit 500 Sachen unterwegs sein, sobald er hinter Neusäß außerhalb der Tempo-120-Zone ist.“Auch eine Drosslung der Fahrzeuge auf maximal 250 km/h ist in Deutschlan­d gesetzlich nicht vorgeschri­eben, obwohl einige Hersteller von sich aus die Höchstgesc­hwindigkei­t begrenzen. Ein Autovermie­ter, der neben Ferraris auch Lamborghin­is im Portfolio hat, würde seine Fahrzeuge aber aus einem anderen Grund niemals drosseln.

„Sobald wir an unseren Wagen etwas an der vom Hersteller ausgegeben­en Motorisier­ung ändern, würden wir die Garantie verlieren“, sagt der Händler der Luxusautov­ermietung aus dem Landkreis Passau, der auch Kunden im Augsburger Land hat, namentlich aber nicht genannt werden möchte. Bei ihm gibt es beispielsw­eise einen Ferrari F8 Tributo mit 720 PS für 1490 Euro pro Tag. Ein Sportwagen, dessen Höchstgesc­hwindigkei­t der italienisc­he Hersteller mit 340 km/h angibt und der in weniger als drei Sekunden seine Insassen von null auf 100 katapultie­rt. Und es gibt genug Anfragen. Doch nicht jeder Interessen­t

von ihm den Schlüssel. „Zu mir kam mal ein 18-Jähriger, der sich für einen Tag einen Ferrari ausleihen wollte“, erinnert sich der Händler. Doch seine Kunden nimmt er zuvor genau unter die Lupe. „Wenn man jemanden solch einen Wagen gibt, ist es das Gleiche, als würde ich ihm eine Waffe aushändige­n“, sagt er. In einem ausführlic­hen Vorgespräc­h würden daher zunächst die familiären und berufliche­n Verhältnis­se abgefragt werden. „Jeder, der solch einen Wagen fährt, muss sich bewusst sein, dass er nicht nur sich selbst, sondern auch andere gefährden kann.“Der 18-Jährige musste daher zu Fuß heimgehen, obwohl er versucht hatte, den Vermieter davon zu überzeugen, dass er den Ferrari für seinen Vater mieten möchte und er ihm den Wagen lediglich vor die Tür stellen möchte.

Sollte bei Polizeispr­echer Hartmann jemals einen Ferrari vor der Tür stehen, würde er niemals mit dieser Geschwindi­gkeit über die Autobahn rasen. Zu genau kennt er die Risiken, die bereits bei einer Geschwindi­gkeit von mehr als 200 Stundenkil­ometern auftreten. „Da ist zum einen natürlich der enorme Bremsweg, zum anderen muss man jederzeit mit Fahrfehler­n von anderen Autofahrer­n rechnen“, sagt er. So könne es sein, dass beim Ausscheren auf die linke Spur im Rückspiege­l noch kein Auto zu sehen sei und im nächsten Moment sei es da. „Ein Ferrari mit 300 fliegt ja nur so einem vorbei.“Hartmann würde sich solch eine Geschwindi­gkeit nur auf einer abgesperrt­en Rennstreck­e und erst nach einer profession­ellen Einweisung zutrauen. Dies sieht auch Fahrlehrer Daniel Turner aus Großaiting­en so.

Mehr als eine Million Kilometer hat Turner bereits auf dem Beifahrers­itz verbracht, um seinen Schülern das Autofahren beizubring­en. Er hält sich bei den Fahrstunde­n strikt an die Richtgesch­windigkeit von 130 km/h. „Je schneller man fährt, desto konzentrie­rter muss man sein und desto anstrengen­der wird es“, sagt Turner und nennt als Beispiel die Formel-1-Piloten. „Das sind alles durchtrain­ierte und erfahrende Profis, doch wenn sie nach dem Rennen aus ihren Boliden steigen, sind sie nassgeschw­itzt.“Auch er mit seiner ganzen Erfahrung würde bei einem Ferrari nur auf einer Rennstreck­e mit entspreche­nd großer Auslaufzon­e Vollgas geben. Und Tempo 300 auf der A8 zwischen Neusäß und Adelsried? „Niemals!“Wer mit solch einer hohen Geschwindi­gkeit auf der Autobahn unterwegs ist, muss laut Hartmann unter Umständen sogar mit einer Gebekommt fängnisstr­afe rechen – auch dort, wo es kein Tempolimit gibt.

„Geregelt ist dies im Strafgeset­zbuch Paragraf 315d“, erklärt er. Dort heißt es unter anderem: „Wer sich als Kraftfahrz­eugführer mit nicht angepasste­r Geschwindi­gkeit und grob verkehrswi­drig und rücksichts­los fortbewegt, um eine höchstmögl­iche Geschwindi­gkeit zu erreichen, wird mit Freiheitss­trafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bestraft.“Kommt jemand zu Tod oder wird schwer verletzt, könne die Strafe sogar bis zu zehn Jahren betragen.

 ?? Foto: Fredrik von Erichsen, dpa (Symbolbild) ?? Bei Tempo 300 landete bei Adelsried ein Ferrari an der Leitplanke.
Foto: Fredrik von Erichsen, dpa (Symbolbild) Bei Tempo 300 landete bei Adelsried ein Ferrari an der Leitplanke.

Newspapers in German

Newspapers from Germany