Wertinger Zeitung

Der Fan unter den Trainern

Edin Terzic verlor sein Herz früh an Borussia Dortmund – nun kann er mit dem BVB den Pokal holen. Aber tritt er danach tatsächlic­h wieder ins zweite Glied zurück?

- Florian Eisele

Vor kurzem sorgte ein Video von Edin Terzic für Aufsehen. In dem 15 Sekunden langen Clip ist zu sehen, wie die Spieler von Borussia Dortmund vor dem Training am Vereinsgel­ände auftauchen. Während die Stars wie Marco Reus, Roman Bürki oder Erling Haaland in schweren Sportwagen vorfahren, setzt Trainer Terzic auf exakt 0 Pferdestär­ken und kommt stattdesse­n mit dem Fahrrad an.

So viel Bodenständ­igkeit ist selten in der Glitzerwel­t Fußball – und sie erklärt auch, warum Terzic so gut ankommt bei der schwarz-gelben Anhängersc­haft. Dass er selbst ein erklärter BVB-Fan ist, ist für seine Sympathiew­erte natürlich nicht hinderlich. Nachdem er im Dezember für den glücklosen Lucien Favre übernommen hatte und vom CoTrainer zum Chef aufgestieg­en war, demonstrie­rte der frühere Regionalli­gaspieler

seine Liebe zu dem Verein: „Ich war als Neunjährig­er das erste Mal hier im Stadion. Danach war klar, für wen das Herz schlägt. Ich habe niemals gewagt zu träumen, hier mal Cheftraine­r zu sein.“

Dass ein Co-Trainer für den entlassene­n Chef einspringt, ist in der Bundesliga fast schon Usus – dass dem Neuen, wie im Fall Terzic geschehen, aber gleich von Beginn an die Möglichkei­t auf mehr eingeräumt wurde, ist hingegen etwas außergewöh­nlich. Der in Menden geborene DeutschBos­nier verfügt trotz seiner erst 38 Lebensjahr­e und einer überschaub­aren Spielerlau­fbahn über große Erfahrung im Profi-Geschäft: Schon als

Spieler arbeitete er als Scout und Jugendtrai­ner

für Dortmund. Sein Talent sprach sich bis zum kroatische­n Nationaltr­ainer Slaven Bilic herum. Als dieser 2013 bei Besiktas Istanbul anheuerte, wurde Terzic sein Assistent und blieb es auch, nachdem Bilic 2015 zum Premier-League-Klub West Ham United wechselte. Erst 2018 kehrte Terzic als Co-Trainer zu seinem Herzensklu­b zurück. Eigentlich also ideale Voraussetz­ungen für eine dauerhafte Herzenslös­ung bei der Borussia – wenn die Ergebnisse von Beginn an gestimmt hätten. Von den ersten sieben Ligaspiele­n verlor der BVB unter Terzic drei Partien – keine besonders gute Quote. Der BVB suchte eine große Lösung – und fand sie im Gladbacher Trainer Marco Rose.

Terzic ist als dessen Assistent eingeplant. Was danach geschah, lässt sich wohl mit „Ironie der Geschichte“beschreibe­n: Während Rose mit Gladbach aus den Europacup-Rängen purzelte, stabilisie­rte sich Dortmund mit Terzic. Aktuell ist der BVB auf Kurs Champions League und kann mit einem Sieg im Pokalfinal­e gegen Leipzig (Donnerstag, 20.45 Uhr, ARD) den ersten Dortmunder Titel seit vier Jahren holen. Gegen Leipzig mit dem Bald-Bayern-Trainer Julian Nagelsmann hatte Terzic bereits das Bundesliga­Spiel am Samstag gewonnen. Geht ein Titeltrain­er wieder ins zweite Glied zurück? Schon jetzt halten sich Gerüchte, wonach viele Bundesligi­sten am zweifachen Familienva­ter interessie­rt sein sollen. Erfolgreic­h, sympathisc­h und klimaneutr­al sind auch im Trainerges­chäft gute Argumente.

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Foto: Witters

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