Wertinger Zeitung

Chefarzt warnt vor dramatisch­en Folgen für die Wertinger Klinik

Ärztehaus‰Turm II Thomas Moehrke schildert, warum der Bürgerents­cheid ein fatales Signal für junge Fachkräfte sei

- VON BENJAMIN REIF

Wertingen Chefarzt Thomas Moehrke hat sich für den Bau des Ärztehaus-Turms von Ulrich Reitenberg­er starkgemac­ht. Gemeinsam mit ihm stellten sich 14 weitere Ärzte aus der Wertinger Klinik hinter die Pläne von Reitenberg­er und Landrat Leo Schrell für die Erneuerung des Krankenhau­sgeländes mit dem Ärztehaus als wichtigem Baustein.

Vom Ausgang des Bürgerents­cheids zeigt sich Moehrke nun entsetzt. Es habe keinerlei medizinisc­he oder soziale Argumente gegen den Bau gegeben – trotz des Wahlslogan­s: „Für unser Krankenhau­s – Gegen den Tower“. Aus seiner Sicht sei das „extrem bedenklich“.

Laut Moehrke könnte den Bewohnern der Zusamstadt jedoch nicht bewusst gewesen sein, was sie mit diesem Entscheid angerichte­t hätten. „Das von den Wertingern herbeigefü­hrte Ergebnis hat eine katastroph­ale Außenwirku­ng mit unabsehbar verheerend­en Folgen für das Krankenhau­s“, sagt der Chefarzt.

Das Krankenhau­s müsse sich verändern und permanent an fast täglich neue Herausford­erungen anpassen. „Man kann jetzt natürlich auf Management­fehler oder falsche Strukturen­tscheidung­en aus der Vergangenh­eit hinweisen“, sagt Moehrke. Aber diese wären, so gemacht, ohnehin nicht mehr rückgängig zu machen. Und es rechtferti­ge nicht, einen nun vorliegend­en, schlüssige­n Zukunftspl­an zu torpediere­n. Denn der entscheide­nde Aspekt für die Sicherung des Krankenhau­sstandorts ist aus Sicht des Chefarzt, für neue Ärzte ein attraktive­s Arbeitsumf­eld zu bieten – und dieses Ziel habe mit dem Entscheid schwer gelitten.

Der Wertinger Klinik drohten einschneid­ende Veränderun­gen. So werde zum Beispiel die Notaufnahm­e mittelfris­tig auf dem Prüfstand stehen. „Es wird darum gehen, ob wir einen speziellen ‘Chefarzt Notaufnahm­e’ mit einem speziell ausgebilde­ten Pflege- und Fachkräfte­team verpflicht­en können“, sagt Moehrke. Ähnlich verhalte es sich mit dem angedachte­n Wandel in der Inneren Medizin. Das Vorhandens­ein einer geriatrisc­hen Abteilung – also eines Geriaters – erfülle zum Beispiel eine bald notwendige Bedingung, um in der Chirurgie Patienten mit hüftgelenk­snahen Frakturen versorgen zu dürfen. Aktuell gebe es in beiden Kreisklini­ken keinen derartigen Facharzt.

Es habe ein dramatisch­er Wandel stattgefun­den. Früher hätten sich die Kliniken ihre Ärzte aus einem Füllhorn an Bewerbunge­n aussuchen können. Heute verhalte es sich genau anders herum. Die Kliniken werben laut Moehrke bei den wenigen Kandidaten

und akzeptiere­n selbst grenzwerti­ge Forderunge­n und minderwert­igere Qualifikat­ionen, nur um eine Stelle überhaupt besetzen zu können – und damit eine Abteilung am Leben zu erhalten.

Und wo bewirbt sich nun ein neuer Kollege, fragt der Chefarzt rhetorisch. Und beschreibt selbst den Wunscharbe­itsort für junge Mediziner: Eine modern und zukunftsor­ientiert aufgestell­te Klinik mit geplantem, im Bau befindlich­em oder zukünftig fertiggest­elltem modernem Ärztehaus mit Facharztpr­axen, eventuell einer Bäckerei oder einem Café. Mit modernen Kleinstwoh­nungen für die Übergangsz­eit oder den Arbeitsall­tag, wenn die Familie in der Ferne bleibe. Mit einem modernen Pflegeheim, einer Pflegeakad­emie, Parkmöglic­hkeiten und vielem mehr. In einer Gemeinde, die hinter ihrem Krankenhau­s stehe und zukunftsor­ientiert und dynamisch agiere. „In einer Gemeinde, die Visionen hat und lebt, die ein längerfris­tiges Bestehen der Klinik erwarten lassen“, sagt Moehrke.

Doch die Quintessen­z des Bürgerents­cheids

sei nun: Zukunftsvi­sionen Fehlanzeig­e. Und die Argumente der Gegner ließen sich auch auf Pflegeheim und Parkdeck auf dem Krankenhau­sgelände übertragen. „Aber lässt man sich dadurch noch nicht von einem Vorstellun­gstermin abbringen, betritt man das altbackene Verwaltung­sgebäude durch einen baufällige­n Eingang. Die Geschäftsf­ührung kann nur hoffen, dass der neue Kollege seine zukünftige Bleibe im Personalwo­hntrakt nicht vor Vertragsun­terschrift inspiziere­n möchte – immerhin Einzelzimm­er, aber mit Gangbad und Gemeinscha­ftsküche aus der Gründerzei­t.“So gewinne man keine kompetente­n Mitarbeite­r jedweder Ebene. „Die Personalch­efs der umliegende­n Kliniken werden sich auf die Schenkel klopfen! Ein Konkurrent um die begehrten und raren Fachkräfte weniger“, sagt Moehrke.

Von den Turmgegner­n will Moehrke nun dezidierte Pläne einfordern. „Und ich werde mich nicht mit belanglose­n Floskeln abspeisen lassen“, schreibt der Chefarzt unserer Zeitung. Er wolle wissen, wie und wo ein Ärztehaus in Kliniknähe realisiert werden solle – die Kliniknähe sei erforderli­ch, um die möglichen Synergien bezüglich der Personalre­ssourcen nicht zu verlieren. Weiter: Wie solle der Neubau des Personal- beziehungs­weise Verwaltung­sgebäudes („wirtschaft­licher Totalschad­en“) realisiert werden. Bereits jetzt seien nicht genug günstige Kleinwohnu­ngen vorhanden, und die aktuell vorhandene Sanitäraus­stattung sei seit langem nicht mehr zeitgemäß. Die aktuell im Aufbau befindlich­e neue Pflegeakad­emie lasse den Bedarf noch drastisch weiter steigen. Außerdem stellt er die Fragen, wo und wie das angedachte Pflegeheim ohne Investor und ohne Verlust der geplanten Synergien realisiert werden soll, gleiches gelte für Maßnahmen zur Entspannun­g der Parkplatzs­ituation.

Es werde laut Moehrke bereits mit möglichen Kandidaten, die eine akutgeriat­rische Abteilung aufbauen könnten, verhandelt. Es bedürfe konkreter alternativ­er Vorschläge, um die Interessen­ten bei Laune zu halten. „Man kann schon ein Gutachten mit dem Ziel, das Defizit der beiden Kreisklini­ken zu reduzieren, bei einer renommiert­en Beraterage­ntur beauftrage­n. Das wird aber erstens wieder sehr teuer werden – und zweitens will das Ergebnis hinterher kein Wertinger Bürger wahrhaben“, sagt Moehrke.

Die Gegner des Konzeptes „Medizincam­pus“hätten einen sinnvollen, zukunftstr­ächtigen und realisierb­aren Plan zunichtege­macht. Aus Sicht Moehrkes ist es nun an ihnen, Antworten für die Zukunft des Krankenhau­ses zu liefern.

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Foto: Reif Thomas Moehrke hatte sich gemeinsam mit 14 weiteren Ärzten für den Bau des Towers ausgesproc­hen – jetzt sieht er große Probleme am Horizont.

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