Der Erneuerer des Balletts
Porträt Als Choreograf brachte William Forsythe neue Formen in den Tanz und übertritt als Künstler Grenzen. Nun übergibt er sein Archiv in wissenschaftlich-museale Hände.
Den Preis für sein Lebenswerk hat der 73-jährige Choreograf William Forsythe längst bekommen, er wurde ausgezeichnet für sein beeindruckendes Schaffen – als Tänzer der Cranko-Schule in Stuttgart, vor allem als Choreograf, der Neuland betrat, alte Regeln hinter sich ließ, eine neue Formensprache schuf. Und gleichzeitig sorgte Forsythe als nimmermüder Kompagnie-Chef für Furore.
Man erinnere sich nur, wie der auf dem Zenit seines Ruhms stehende Forsythe, der in Frankfurt als Ballettchef die Stadt in den 1990er Jahren zu einem Mekka für Tanzliebhaber etablierte, plötzlich vor den Trümmern seines Schaffens stehen sollte. Aus Spargründen
beschloss Frankfurt Anfang der 2000er Jahre, das Ballett zu streichen. Und Forsythe, der sonst so kontrollierte und höfliche Amerikaner, sprach damals Klartext: „Das ist eine Katastrophe für Frankfurt! Die Politiker und die Öffentlichkeit, alle sollten mal ihre verdammten Hintern hochkriegen und etwas unternehmen!“
Forsythe unternahm dann selbst etwas, er gründete seine eigene Kompagnie, mit einem kleineren Etat, und tourte mit seinem Ensemble viele weitere Jahre durch die Welt. Ein Ballettchef durch und durch, der seinem Publikum etwas zeigen wollte. Tanz, wie er zuvor nicht zu sehen war. Seine Choreografien waren nicht auf die Welt draußen bezogen, bebilderten keine Geschichten, die anderswo zu lesen oder zu hören waren, sie waren auf sich selbst bezogen, Tanz als Tanz – oft in mathematisch-klaren Formen und mit schnellen, scharf umrissenen Bewegungen. Neu war bei ihm auch, dass er die Bezogenheit der Tänzerinnen und Tänzer aufs Publikum aufhob, sie bei ihm aus anderen Perspektiven zu sehen waren.
Kaum zu glauben, dass diese Weltkarriere einmal in dessen Highschool-Zeit mit klassischen Tänzen wie Cha-Cha-Cha, Rumba und Slow Fox begann. Aber vielleicht auch folgerichtig. Denn Forsythes Leben für den Tanz war diszplinenübergreifend. Auf der einen Seite arbeitete er mit der Wissenschaft zusammen, auf der anderen überschritt er die Grenze hin in Richtung Kunst – mit Biennale-Teilnahmen und Kunstausstellungen. Jetzt steht wieder ein Schritt im Leben des Ballettkünstlers an, er trennt sich schon zu Lebzeiten von seinem Archiv und seinen Aufzeichnungen und vermacht diese dem Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) Karlsruhe.