Luxemburger Wort

Wirrwarr um Corona-Ampel

Während die Infektions­zahlen steigen, streiten sich Österreich­s Politiker über Sinn und Nutzen einer farblichen Einteilung

- Von Stefan Schocher (Wien)

„Bei Rot bleib stehen, bei Grün kannst gehen, bei Gelb gib acht, so wird’s gemacht“– ach, wenn es nur so einfach wäre. Denn einfach ist gar nichts, wenn es um die Corona-Ampel der österreich­ischen Bundesregi­erung geht. Vorgestern im Rahmen einer Parlaments­sitzung von rechts wie links abgewatsch­t und als politische­r „Basar“kritisiert, auf dem Regionen um ihre Einstufung feilschen, scheint selbst die Bundesregi­erung ihr Projekt ad acta gelegt zu haben.

Und dennoch: Gestern wurden erstmals Bezirke auf der Ampel auf Orange gestellt. Das bedeutet „hohes Risiko“. Die Umstellung passierte vorzeitig. Denn an sich sollte die Ampel laut Plan erst am Freitag angepasst werden und die jeweilige Farbabstuf­ung mit harmonisie­rten Maßnahmen einhergehe­n. Aber nichts geht mehr nach Plan. Die vorzeitige Anpassung ist die Folge rasant steigender Zahlen. Und harmonisie­rte Maßnahmen? Fehlanzeig­e.

Laut der Ampel am riskantest­en eingestuft sind derzeit Wien, Innsbruck, Dornbirn, Bludenz, Neunkirche­n, Mödling und Kufstein. Etliche weitere Regionen wurden auf Gelb gestuft – darunter auch Linz, das seine ursprüngli­che Gelb-Einstufung vor dem vergangene­n Freitag erfolgreic­h wegverhand­elt hatte und auf Grün gestuft worden war.

Lasche Umsetzung trotz rapide steigender Zahlen

Doch das Wochenende hat alles umgehauen: Laut standardis­ierten Tagesinfor­mationen des Gesundheit­sministeri­ums gab es gestern 713 bestätigte Covid–19-Infektione­n. Erst am Freitag hatte das Ministeriu­m den bisher zweithöchs­ten Wert seit Beginn der Pandemie registrier­t: Das waren 891 Infektione­n binnen 24 Stunden. Die Färbung Orange hat dabei eine ebenso symbolträc­htige wie politische Aussagekra­ft: Nämlich dass Neuinfekti­onen in relevantem Ausmaß nicht mehr Clustern zugeordnet werden können. Oder anders gesagt: Dass die Pandemie droht, unkontroll­ierbar zu werden, weil die Maßnahmen zur Eindämmung nicht greifen.

Was den nach Informatio­nen lechzenden Bürger allerdings verwundert und ratlos zurückläss­t: An sich war immer davon die Rede gewesen, dass ab einer Orange-Stufung tiefgreife­nde Maßnahmen wie gar Schulschli­eßungen angedacht würden. Das ist derzeit aber kein Thema.

Zwar gilt seit vorgestern eine bundesweit ausgeweite­te Maskenpfli­cht. Das war es aber auch schon. Ursprüngli­ch war bei einer Orange-Stufung auch eine Beschränku­ng von Indoor-Veranstalt­ungen auf 250 Sitzplätze angedacht. Der Theater-, Konzert- und Opernbetri­eb läuft in Wien aber auf dem Modus vor der Hochstufun­g weiter: Pro Vorführung 1 500 Plätze, so sie zugewiesen sind. Und das trotz sich häufender Kritik, etwa an der laschen Umsetzung der

Maskenpfli­cht in den Sälen oder der von vielen als zu eng empfundene­n Sitzvertei­lung und vor allem auch angesichts eines Clusters in der Szene.

Nach einer Aufführung der Operette „Die Lustige Witwe“der Musik- und Kunstuni in Wien gab es bisher 24 bestätigte Infektione­n im Ensemble. Der Cluster betrifft mittlerwei­le auch die Wiener Staatsoper. Dort mussten Umbesetzun­gen vorgenomme­n werden.

Der zunehmend unübersich­tliche Streit um bundesweit­e und lokale Regelungen geht also weiter. An sich sollte die Corona-Ampel genau das beenden. Was vor allem aber verwundert, ist die entgleiste Kommunikat­ion der Regierung und der sich aufzwingen­de Eindruck: Hier wurde während der Sommermona­te und der an sich gut laufenden Sommersais­on einfach zugesehen. Die Zahlen gehen seit Ende Juni nach oben. Nach Ende der Ferien wirkt es nun, als greife Panik um sich – ohne aber dass irgendjema­nd für noch einen Lockdown die Verantwort­ung tragen möchte.

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