Reich und Arm
Mehr Steuergerechtigkeit ist gut für die Demokratie
Es gibt „Stinkreiche“und „Bettelarme“, weil unser System das zulässt. Niemand hat etwas dagegen, dass dynamischere und innovativere Menschen mehr verdienen als andere. Wogegen man heutzutage etwas haben muss, ist die Tatsache, dass Reiche: 1. keine bzw. nicht genügend Steuern zahlen und 2. die Demokratie und der gesellschaftliche Zusammenhalt durch Megareiche, bzw. extremes Ungleichgewicht zunehmend in Gefahr gerät.
Zu „1.“: Es ist ein offenes Geheimnis, dass man ab einer gewissen Reichtumsschwelle genügend Methoden finden kann, um der Steuerlast zu entgehen. Dies führt nicht nur dazu, dass die Steuergerechtigkeit umgangen wird, sondern auch zu einer verständlichen Wut bei den ärmeren Bevölkerungsschichten. Der Drang nach Gerechtigkeit ist ein sehr starkes Gefühl ... es soll deswegen schon zu Revolutionen gekommen sein! Und, nebenbei gesagt, Herr Wilmes: Ihr „trickle-down“-Argument ist schon seit Jahren ins Reich der neoliberalen Fabeln verwiesen worden. Ganz im Gegenteil: Geld bei ärmeren Schichten wird ausgegeben, Reiche horten es und entziehen es dem Wirtschaftskreislauf.
Zu „2.“: Ein schlauer Mensch hat einmal gesagt, dass Geldstrafen für Vergehen ein Blankoscheck für die Reichen sind: 45 Euro Parkknöllchen? Prima, ich habe als Reicher einen freien Parkplatz überall. 50 000 Euro Geldstrafe, weil ich 20 000 000 Euro nicht korrekt versteuert habe? – Prima, ich bin einmal von 20-mal erwischt worden und habe sowieso mehr durch meine Betrügereien eingenommen, als die Strafe kostet ... Weiterhin kann ich mir als Reicher so viele Anwälte leisten, wie notwendig sind, um Gesetze und Verordnungen zu umgehen. Mein politischer Arm reicht weit, denn ich unterstütze eine oder sämtliche Parteien mit massiven Spenden.
Ich glaube, ich muss nicht alles aufzählen, was es gibt, um zu zeigen, dass Reiche (heute wie früher) als ein anderer, bevorzugter Menschenschlag anzusehen sind; einer, dem das normale System, das für uns alle gilt, so gut wie nichts anhaben kann. Steuern, die wirklich eingetrieben würden, würden wenigstens einen Teil Gerechtigkeit wiederherstellen. Nicht nur, dass der Staat mehr Geld einnehmen würde und die Ärmeren entsprechend entlasten könnte, sondern auch dem Ansehen
einer funktionierenden Demokratie würde es mehr als gut tun.
Und, um es einfach mal auf menschlicher Ebene zu sagen: Was um alles in der Welt macht es aus, wenn ich anstatt 50 Millionen nur mehr 40 Millionen hätte?
Maurice Salentiny, Luxemburg-Bonnevoie
Dies ist eine Reaktion zum Leserbrief „Die Reichen müssen berappen“vom 5. September 2020.