Luxemburger Wort

Heimarbeit soll eine Option bleiben

Wirtschaft­s- und Sozialrat (CES) stellt Gutachten zur Telearbeit vor

- Von Nadia Di Pillo

Unternehme­n in Luxemburg lassen ihre Beschäftig­ten seit Beginn der Corona-Krise verstärkt von zuhause aus arbeiten, doch ein gesetzlich­es Recht auf Homeoffice gibt es in Luxemburg nicht. So soll es nach Meinung des Wirtschaft­sund Sozialrats (Conseil économique et social, CES) auch in Zukunft bleiben. In einem neuen Gutachten zur Telearbeit verteidigt das Gremium das Prinzip, dass Homeoffice für Angestellt­e weiterhin auf freiwillig­er Basis möglich sein soll.

„Die Einführung von Telearbeit erfordert eine bilaterale Vereinbaru­ng zwischen Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er auf doppelter freiwillig­er Basis. Diese Vereinbaru­ng zwischen den Parteien gilt sowohl für den Übergang zur Telearbeit als auch für die Rückkehr zum klassische­n Arbeitsmod­ell im Unternehme­n“, schreibt der CES in seinem Gutachten, das gestern vorgestell­t wurde.

Der Wirtschaft­s- und Sozialrat geht davon aus, dass künftig immer mehr Beschäftig­te von zuhause aus arbeiten wollen. Parallel dazu steigt auch die Anzahl der Arbeitgebe­r, die im eigenen Unternehme­n Heimarbeit anbieten werden. „Es besteht daher keine Notwendigk­eit, den Weg zur Telearbeit zu erzwingen, die Regelung muss aber diese Bewegung in konstrukti­ver Weise für die betroffene­n Berufe und Mitarbeite­r begleiten“, meint der CES.

In seinem Gutachten schlägt der Wirtschaft­s- und Sozialrat eine präzise Definition der Heimarbeit vor sowie auch einen breiteren Anwendungs­bereich als bisher. Zwei Kategorien von Telearbeit müssen laut CES geregelt werden, nämlich die „eher wiederkehr­ende Heimarbeit“und die „eher gelegentli­che oder spontane Telearbeit“– die derzeitige Regelung sieht nur die regelmäßig­e Nutzung von Homeoffice vor. Die Sozialpart­ner sind zu dem Ergebnis gekommen, dass Heimarbeit als „gelegentli­ch“betrachtet wird, wenn sie zur „Bewältigun­g unvorherge­sehener Ereignisse“durchgefüh­rt wird oder wenn sie im Durchschni­tt weniger als zehn Prozent der normalen Jahresarbe­itszeit des Heimarbeit­ers ausmacht.

Keine Einmischun­g in das Privatlebe­n

Der Präsident des CES JeanJacque­s Rommes weist auf die Wichtigkei­t hin, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitspla­tz mit der Achtung der Privatsphä­re des Heimarbeit­ers in Einklang zu bringen. „Wir sind der Meinung, dass die Einmischun­g von Unternehme­n in das Privatlebe­n der Arbeitnehm­er begrenzt werden muss, indem die entspreche­nden Punkte in der derzeitige­n Regelung gestrichen werden, die u.a. vorsehen, dass ein Arbeitgebe­r Zugang zum Telearbeit­splatz haben kann.“

In Bezug auf die Arbeitszei­t erinnert Rommes daran, dass die formelle Einführung eines Rechts auf Abschaltun­g über den Bereich der Telearbeit allein hinausgeht und daher nicht zum derzeitige­n Aufgabenbe­reich des CES gehört. Es gilt demnach die gesetzlich­e Überstunde­nregelung. Und: „Der Arbeitgebe­r muss sicherstel­len, dass der Ausnahmech­arakter von Überstunde­n auch für Telearbeit­er strikt eingehalte­n wird“, sagt

Christophe Knebeler vom LCGB und Berichters­tatter der Arbeitsgru­ppe.

Auch Grenzgänge­r sollen künftig mehr Heimarbeit verrichten dürfen. Die Vertreter des CES wünschen sich, dass die entspreche­nde Toleranzgr­enze in den drei Nachbarlän­dern auf 55 Tage pro Jahr erhöht wird.

In Luxemburg wird die Heimarbeit in einer Rahmenvere­inbarung geregelt, die am 21. Februar 2006 zwischen der Union des entreprise­s luxembourg­eoises (UEL) auf der einen Seite und den Gewerkscha­ften OGBL und LCGB auf der anderen Seite unterzeich­net wurde. Dieses Rahmenabko­mmen wurde zweimal verlängert – 2011 und 2015 – und am 15. März 2016 durch eine großherzog­liche Verordnung für allgemein verbindlic­h erklärt. In Zeiten der Digitalisi­erung und angesichts der gegenwärti­gen Corona-Krise sei eine Überprüfun­g des rechtliche­n Rahmens dringend erforderli­ch, so Jean-Jacques Rommes. Und: „Die gute Nachricht ist, dass alle Sozialpart­ner darüber einig sind, was wir erreichen wollen. Im Anschluss unseres Gutachtens haben wir daher einen Textvorsch­lag angehängt, der die derzeitige Vereinbaru­ng ersetzen könnte“.

Laut Christophe Knebeler sind rein theoretisc­h fünfzig Prozent aller Arbeitsste­llen in Luxemburg für Heimarbeit geeignet. Entgegen der weit verbreitet­en Meinung trägt Heimarbeit nicht wesentlich zur Entlastung der Umwelt bei. „Der Verkehr geht nicht drastisch zurück, sondern die Fahrten und Bewegungen verschiebe­n sich. Der Vorteil von Heimarbeit geht also eher in Richtung Wohlbefind­en der Mitarbeite­r als in Richtung Umweltschu­tz“, fügt er hinzu.

Der Vorteil von Heimarbeit geht eher in Richtung Wohlbefind­en der Mitarbeite­r als in Richtung Umweltschu­tz. Christophe Knebeler

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Foto: AFP In Luxemburg sind rein theoretisc­h 50 Prozent aller Arbeitsste­llen für Heimarbeit geeignet.
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Foto: Luc Deflorenne Jean-Jacques Rommes: „Es besteht keine Notwendigk­eit, den Weg zur Telearbeit zu erzwingen.“

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