Frühling im Herbst
Die ICT-Spring findet in diesem Jahr überwiegend virtuell statt – für viele gewöhnungsbedürftig
Derzeit müssen alle Unternehmen versuchen, das Beste aus der schwierigen Situation zu machen. Das gilt besonders für Veranstalter von Messen und Konferenzen, die im Moment überwiegend virtuell stattfinden müssen. So startete die diesjährige ICT-Spring gestern zunächst notgedrungen etwas holprig. Viele der internationalen Top-Redner waren per Videokonferenz aus dem heimischen Büro zugeschaltet oder schickten ihren Beitrag als vorab aufgezeichnetes Video. Die Organisatoren der Konferenz, die bis Mittwoch dauert, erwarten über 5 000 digitale Besucher. Normalerweise findet die ICT-Spring namensgemäß im Frühling statt, musste aber in diesem Jahr infolge der Pandemie auf den September verlegt werden.
Die Messe bringt eigentlich ideale Voraussetzungen mit, auch als Online-Konferenz zu funktionieren, sind doch sowohl die Teilnehmer als auch die Referenten erwartbar technikaffin. Dennoch wurde die besondere Schwierigkeit der aktuellen Situation im Laufe des ersten Konferenztages auch technisch deutlich: Einige der Referenten konnten ihre Slides nicht zeigen oder Ton und Bild der Vorträge waren nicht synchron.
Krise dominierendes Thema
Abgesehen von den technischen Herausforderungen war es den Organisatoren aber wieder gelungen, eine beeindruckende Liste von Branchenexperten zu versammeln. Eines der dominierenden Themen der Konferenz war auch hier das Corona-Virus und wie digitale Hilfsmittel den Unternehmen dabei geholfen haben, ihr Geschäft trotz des Lockdown aufrecht zu erhalten. Für Robert Scharfe, den Chef der Luxemburger Börse, war es entscheidend, dass das Unternehmen bereits lange zuvor angefangen hatte, bestimmte Prozesse in die Cloud zu verlagern. „Es dauerte weniger als 72 Stunden, bis wir es geschafft hatten, dass 98 Prozent der Belegschaft im Homeoffice arbeiteten“, so Scharfe in einer Diskussionsrunde. Mirjam Bamberger, die Chefin der Versicherung AXA in Luxemburg, betonte, wie sehr die Krise die Digitalisierung in ihrem Unternehmen beschleunigt habe. „Wir haben Dinge getan, von denen wir zuvor nur geträumt haben. Innerhalb weniger Stunden haben wir Entscheidungen über Investitionen in Digitalisierung getroffen, die normalerweise zwei bis drei Jahre dauern“, sagte sie.
Neben der allgegenwärtigen Krise war eines der Schwerpunktthemen in diesem Jahr das Thema Künstliche Intelligenz (KI). Ein ganzer Strang des Konferenzprogramms war dem Thema gewidmet. Zahlreiche Vorträge drehten sich um die Frage, wie KI in Unternehmen so eingesetzt werden kann, dass sie menschliche Arbeit ergänzt und ihre humanen Kollegen von repetitiven Tätigkeiten befreit. Daneben gab es Foren zu den Themen Finanztechnologie, IT-Sicherheit, Weltraumtechnologie und die digitale Lieferkette sowie einen Start-up-Wettbewerb.
Virtuelles Netzwerken
Ein Aspekt, der normalerweise den Reiz solcher Veranstaltungen ausmacht, kam aber erwartbar zu kurz: Das Knüpfen nützlicher Kontakte. Das schien auch Carlo Thelen, Generaldirektor der Handelskammer, zu sehen: „Digitale Interaktionen sind begrenzt. Kontakte von Angesicht zu Angesicht werden immer große Vorteile haben, die nicht digital reproduziert werden können“, sagte er in seiner Ansprache. So fiel auch die Ausstellung in diesem Jahr etwas gewöhnungsbedürftig aus. Besucher konnten sich in den virtuellen Ausstellungsräumen der Unternehmen über Chats mit dem Standpersonal unterhalten. „Das funktioniert bisher ausgesprochen gut“, sagt Frederic Rouesnel von der Luxembourg Space Agency, einer der Aussteller. „Wir haben ähnlich viele Anfragen bekommen wie bei einer regulären Konferenz.“
Dennoch war es nicht allen wohl bei rein digitalen Networken. „Ich hoffe, dass wir uns bald wiedersehen – in der wirklichen Welt“, schloss Premierminister Xavier Bettel in seiner Videoansprache.