Das Versprechen von Sydney
Vor 20 Jahren wird Nancy Arendt bei Olympia Zehnte und beendet eine Durststrecke der Luxemburger Athleten
Als im Jahr 2000 bei den Olympischen Spielen im australischen Sydney der Triathlon mit einem spektakulären Event Olympiapremiere feierte und Nancy Arendt vor der prestigeträchtigen Kulisse des Opernhauses ihren zehnten Platz (unter 48 Konkurrentinnen) bejubelte, hatte der gesamte luxemburgische olympische Sport Grund zur Genugtuung.
Auf das Tief – von den Leistungen her – von Atlanta (USA) 1996 folgte das Hoch in Australien. Sydney 2000 stand im Vorfeld für Professionalität in der Trainingsausrichtung, eine gute sportmedizinische Betreuung und eine optimal auf mehrere Jahre hin ausgerichtete Vorbereitung.
Eines der wichtigen Mittel hierzu waren die Olympiakontrakte, mit denen sich die Athleten engagierten, im Hinblick auf das hohe Ziel Olympia dem Sport die Priorität zu geben, gegenüber dem Beruf oder den Studien.
Nicht jeder der infrage kommenden Sportler konnte sich mit einem solchen, auf den Sport ausgerichteten Programm anfreunden, so dass bei den Spielen in Down Under lediglich sieben Luxemburger Sportlerinnen und Sportlern starteten.
Ein Höhepunkt mit Nachhaltigkeit
Am 16. September 2000 setzte Arendt mit ihrem zehnten Platz ein Ausrufezeichen, das sich als ein Versprechen für die Zukunft des Luxemburger olympischen Sports erwies, dafür, dass ein kleines Land gegenüber den Großen nicht zwingend auf verlorenem Posten steht, systematische und intelligente Vorbereitung von motivierten Athleten vorausgesetzt.
Auch danach gab es bei den Olympischen Spielen noch einige Glückserlebnisse, 2004 wurde der Radsportler Kim Kirchen in Athen Sechster, 2008 Andy Schleck in Peking Vierter im Straßenrennen und Judoka Marie Muller Neunte, 2012 in London sogar Fünfte.
Rückblick: Bei den Spielen 1996 in Atlanta konnte eigentlich nur Judokoa Igor Muller mit dem Erstrundensieg gegen Kamol Muradov aus Usbekistan die Erwartungen erfüllen. Realistischerweise konnte man vom Luxemburger Schwergewichtler nicht erwarten, in Runde zwei David Douillet aus Frankreich, den späteren Olympiagewinner, niederzuhalten.
Auch die Erstrundenniederlage der Tennisspielerin Anne Kremer gegen die spätere Gewinnerin der Goldmedaille, Lindsay Davenport (USA), entsprach der sportlichen Hierarchie.
COSL wird aktiv
Unter dem Strich wurden die Leistungen der Luxemburger in der Öffentlichkeit generell als mittelmäßig eingestuft. Eine Ausnahme war bei den Paralympics Marc Schreiner, der Bogenschütze trumpfte mit der Qualifikation für das Viertelfinale auf.
Quasi postwendend wurde der Verwaltungsrat des Nationalen Olympischen Komitees COSL unter Norbert Haupert, seines Präsidenten
Die pure Freude: Nancy Arendt beim Zieleinlauf
von 1989 bis 1999, aktiv. Man nahm definitiv Abschied von der Vorstellung des Athleten als eines Amateurs, der mit viel gutem Willen, aber oft mehr schlecht als recht, versuchte, seinen Beruf beziehungsweise seine Ausbildung oder seine Studien mit seinen sportlichen Ambitionen unter einen Hut zu bringen.
Nachdem das Internationale Olympische Komitee 1981 beim Kongress in Baden-Baden (D) Abschied vom Amateurathleten genommen hatte, zog das COSL 19 Jahre später nach.
Olympiakontrakt mit drei Partnern
Ausgearbeitet wurde unter Haupert sowie des Generalsekretärs Raymond Hastert ein Konzept, das drei Partien in die Verantwortung nahm, das COSL, den nationalen Fachverband und den Athleten. Die Betreuung der potenziellen Olympiateilnehmer sollte alle Aspekte umfassen, den sportlichen, medizinischen, psychologischen, beruflichen und schulischen, dies in enger Absprache zwischen den verschiedenen Parteien, dem Nationaltrainer, eventuell dem persönlichen Trainer des Sportlers und gegebenenfalls dem Arbeitgeber und den Personen des Umfelds.
Das COSL, das sich sehr stark finanziell engagierte, stand eng mit den Athleten in Kontakt und kontrollierte die Entwicklung der Leistungen. Der Fachverband hatte die Aufgabe, möglichst optimale Trainingsbedingungen zu garantieren.
Je nach Sportart verpflichtete sich der Athlet, sich bis zu einem Jahr vor den Spielen professionell vorzubereiten. Die Zielsetzung hieß nicht nur, sich für Olympia zu qualifizieren, sondern mit Ambitionen an den Start zu gehen.
Arendt als Vorreiterin
Die Probe aufs Exempel für die Schlüssigkeit des neuen Konzeptes lieferte Arendt, die bereits 1988 als Schwimmerin bei den Spielen im südkoreanischen Seoul gestartet war. 1997 war sie die Erste, die einen Olympiakontrakt unterzeichnete, bereits Anfang 2000 wurde sie vom COSL für Sydney selektioniert.
Wo ist Guy, wo ist Guy? Nancy Arendt suchte nach der Zielankunft ihren Ehemann
Die Norm damals: Eine Zeit, die bei den internationalen Rennen (Welt- und Europa-Circuit) um weniger als fünf Prozent über der Siegerzeit lag. Ab Januar 2000 trainierte die Athletin von Tri 93 als Vollzeit-Triathletin innerhalb einer starken Gruppe um den Australier Brad Sutton, auf dem Fünften Kontinent und später im schweizerischen Leysin.
Der siebte Platz im ungarischen Tiszaujvaros (Welt-Circuit) und vor allem der erste Platz im schweizerischen Genf am 17. August (Europa-Circuit) unterstrichen die Topform der damals 31-Jährigen. Sydney konnte kommen.
Bei der allerersten Entscheidung dieser Spiele der XXVII. Olympiade zeigte Arendt taktisches Geschick. Entgegen ihren Erwartungen fand sich nach dem Schwimmen – über 1 500 m – eine größere Gruppe zusammen. Über die 40 km der Radstrecke hatte sie die Geduld, abzuwarten bis zum abschließenden 10 km langen Laufparcours, auf dem sie alles gab.
„Wo ist Guy, wo ist Guy“, das waren die ersten Worte der Olympiazehnten nach ihrer Zielankunft. Guy Kemp, der Ehemann und in Sydney der Betreuer, war noch auf der Strecke, die Umarmung erfolgte mit zeitlicher Verzögerung.