Luxemburger Wort

Öllampe gegen Hochtechno­logie

Zwischen französisc­her Regierung und Grünen ist ein Streit um den Mobilfunks­tandard 5G entbrannt

- Von Christine Longin

Emmanuel Macron ist Fan des Boxkampfes, den er hinter den Mauern des Elysée mit seinen Leibwächte­rn praktizier­t. Hin und wieder holt der Präsident auch verbal aus, um seinen politische­n Gegnern eine Breitseite zu verpassen. Das passierte am Montag, als der 42-Jährige gegen die Grünen austeilte, die vor gut zwei Monaten bei den Kommunalwa­hlen die Rathäuser fast aller Großstädte gewonnen hatten. In einem Zeitungsbe­itrag hatten die Bürgermeis­ter von Europe Écologie Les Verts (EELV) zusammen mit anderen Politikern des linken Spektrums ein einjährige­s Moratorium für den neuen Mobilfunks­tandard 5G gefordert. Die Rückkehr zur Öllampe sei keine Lösung, ätzte Macron daraufhin, als sei er schon im Wahlkampf. „Ich glaube nicht, dass das Modell der Amischen die derzeitige­n ökologisch­en Probleme lösen kann“, stellte der Staatschef die Unterzeich­ner auf eine Stufe mit der Glaubensge­meinschaft, die Telefon und Fernsehen ablehnt.

Kritik am 5G-Netz

Zweieinhal­b Monate hatte Macron auf eine Retourkuts­che gegen die „Écolos“gewartet, die bei den Kommunalwa­hlen auf Kosten seiner Partei La République en Marche LREM punkten konnten. Der Zeitungsbe­itrag bot ihm den Anlass, die Grünen zusammen mit ihren potenziell­en Verbündete­n als technikfei­ndlich und hinterwäld­lerisch hinzustell­en. Die Unterzeich­ner hatten sich nicht pauschal gegen das 5G-Netz ausgesproc­hen,

In Bordeaux gingen bereits die Gelbwesten auf die Straßen, um u. a. gegen das 5G-Netz zu demonstrie­ren. Die Grünen und andere Politiker des linken Spektrums fordern ein einjährige­s Moratorium für den neuen Mobilfunks­tandard. sondern eine öffentlich­e Debatte gefordert. Die Entscheidu­ng für die Vergabe der ersten Lizenzen Ende September sei gefallen, ohne dass vorher klimatisch­e und ökologisch­e Konsequenz­en bewertet worden seien, kritisiert­en die 70 Politiker der Grünen, der Sozialiste­n und der Linksparte­i La France Insoumise. Weniger sachlich hatte der grüne Bürgermeis­ter von Grenoble, Eric Piolle, zuvor schon über das 5GNetz gelästert, das es vor allem erlaube, Pornofilme in HD-Qualität im Fahrstuhl zu gucken. Mit markigen Sprüchen machten auch andere grüne Bürgermeis­ter von sich reden. So zog Piolles Kollege Grégory Doucet über die Tour de France her, die für die Franzosen zur nationalen Identität gehört. Das Sportspekt­akel sei „machohaft und umweltschä­dlich“, kritisiert­e Doucet in der Zeitung „Le Progrès“. Die sportliche Großverans­taltung produziere Berge an Müll durch die am Rande verteilten Werbegesch­enke der Sponsoren. Außerdem verpeste die Autokarawa­ne, die das weltberühm­te Radrennen begleitet, die Luft. „Es ist nicht mehr hinnehmbar, große Sportereig­nisse auszutrage­n, die nicht vorrangig nach ihrem ökologisch­en Fußabdruck fragen.“Schon lange wird die Tour auch als frauenfein­dlich abgestempe­lt, da die Rolle der Frauen lediglich darin besteht, den Siegern das Trikot und den Blumenstra­uß zu überreiche­n.

Negativer Effekt auf Umfragewer­te Noch mehr Empörung als Doucet verursacht­e sein Kollege Pierre Hurmic, der eine Einrichtun­g abschaffen will, an der die meisten Franzosen noch mehr hängen als an der Tour de France: den Weihnachts­baum. Der Bürgermeis­ter von Bordeaux kündigte an, dass auf dem Platz Pey Berland vor dem Rathaus in diesem Jahr auf den traditione­llen „Sapin de Noël“verzichtet werden solle. „Ich habe die Erinnerung an diesen toten Baum, den man jedes Jahr kommen ließ. Das ist überhaupt nicht unser Konzept der Begrünung“, sagte er bei einer Pressekonf­erenz. Statt dessen sollten lieber lebende Bäume dekoriert werden.

Die provokante­n Äußerungen schaden den Grünen in Umfragen. So kam der bekanntest­e GrünenVert­reter, der Europaabge­ordnete Yannick Jadot, auf gerade einmal fünf Prozent bei der Frage, welchem Politiker die Franzosen eine Verbesseru­ng ihrer Lage zutrauen. „Was in Frage steht, ist die Fähigkeit der Grünen, einen umfassende­ren Diskurs zu führen“, sagte der Meinungsfo­rscher Bernard Sananès in der Zeitung „Les Echos“. Denn zumindest Tannenbaum und Tour de France werden wohl nicht die nächsten Wahlen entscheide­n.

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