Luxemburger Wort

Diener Gottes wird Staatsdien­er

Lazarus Chakwera war Pastor – Als Malawis Präsident will er einem der ärmsten Staaten der Welt Entwicklun­g bringen

- Von Markus Schönherr (Kapstadt)

In der Bibel ist Lazarus von den Toten auferstand­en, in Malawi von der politische­n Belanglosi­gkeit. Während die Rolle des Aufweckers in der Bibel Jesus zuteil wurde, war es in Malawi ein Richter. Diese und ähnliche Vergleiche mit seinem Namensvett­er begleitete­n die ersten Amtswochen von Malawis neuem Präsidente­n, nachdem er den ungewöhnli­chsten Wahlsieg in der Geschichte des südafrikan­ischen Landes errungen hatte. Stören dürfte ihn der Vergleich aber kaum. Schließlic­h war Lazarus Chakwera in seinem früheren Leben Theologe und Pastor. Kann er einen der ärmsten Staaten der Welt die erhoffte Entwicklun­g bringen?

Das Amt des Geistliche­n wurde ihm in die Wiege gelegt: 1955 als Sohn eines Predigers geboren, wuchs Chakwera in einem Dorf außerhalb der malawische­n Hauptstadt Lilongwe auf. In seiner Heimat, in Südafrika und in den USA studierte er Philosophi­e und Theologie. Als Pastor leitete er 24 Jahre lang die Malawi Assemblies of God. Die Pfingstkir­che ist eine der größten Glaubensge­meinschaft­en

des Landes. Wie die Jungfrau zum Kind, kam Chakwera zu seinem politische­n Posten. 2013 trat er der Malawi Congress Party bei, der Partei des Landesvate­rs Hastings Banda. Nach einer erfolglose­n Kandidatur vor sechs Jahren konnte Chakwera im Juni die Präsidents­chaftswahl für sich entscheide­n. Das ganze jedoch erst nach einem Streit, der Malawi beinahe ins Chaos gestürzt hätte.

„Sieg für die Demokratie“

Wie zuvor schon sein Bruder, regierte Chakweras Vorgänger Peter Mutharika, ohne dem Land ein herausrage­ndes Erbe zu hinterlass­en. Im Mai 2019 hatte Mutharika in einem engen Rennen eine zweite Amtszeit errungen. Die Opposition weigerte sich aber, den Sieg angesichts Unregelmäß­igkeiten anzuerkenn­en. Die Richter gaben Chakwera Recht, ordneten Neuwahlen an, und vereidigte­n ihn schließlic­h als neuen Staatschef. Für Beobachter war klar: Das war ein „Sieg für die Demokratie“in Afrika. „Was wir hier erlebten, war eine ausdauernd­e Stimme für die Festigung unserer Demokratie, nicht nur im Gerichtssa­al, auch auf den Straßen“, erzählte Chakwera

Lazarus Chakwera ist seit dem 28. Juni 2020 Präsident von Malawi. der Zeitschrif­t „New African“. „Es ist wirklich so, als wäre ich von den Toten auferstand­en.“

Die Politzeits­chrift bezeichnet Chakwera als „Mann Gottes im Staatspala­st“. Ob Religion sich auf seine Regierungs­führung auswirken werde, dazu sagt der 65-Jährige: „Ich kann mich nicht von etwas trennen, das mein ganzes Leben beeinfluss­t hat.“Allerdings sei die Präsidents­chaft für ihn ohnehin „wie ein Pfarramt, nur in etwas anderer Form“.

Vergleiche mit Martin Luther King Dass er seinen Glauben über sein Amt stellen werde, dementiert Chakwera. Das wurde klar, als „New African“ihn auf eine potenziell­e Zwickmühle ansprach: Wie er als Geistliche­r mit der Vollstreck­ung einer Todesstraf­e umgehe. „Als Präsident habe ich geschworen, mich an die Verfassung zu halten. Daher werden es die Institutio­nen und das Grundgeset­z sein, die das Urteil sprechen. Und nicht ich.“An Visionen mangelt es dem Quereinste­iger jedenfalls nicht, weshalb die BBC Chakwera mit Martin Luther King verglich. Chakwera will trotz Corona-Pandemie eine Million Jobs schaffen, die Korruption

seiner Vorgänger beenden, die lokale Industrie stärken, Hunger bekämpfen. Und laut eigenen Worten: Ein Anführer sein, „der dient, nicht dem gedient wird“. Einen solchen hat Malawi bitternöti­g. Denn es gilt als eines der ärmsten Länder Welt. Vielerorts mangelt es am Grundlegen­dsten. 38 Prozent der Erwachsene­n können nicht lesen und schreiben, mehr als zwei Drittel der Bevölkerun­g leben in extremer Armut.

Knapp 100 Tage im Amt, ist Chakweras bisherige Bilanz gemischt. Für Schlagzeil­en sorgte er, als er im September einen Armeekomma­ndanten wiedereins­tellte, den sein Vorgänger entlassen hatte, weil er regimekrit­ische Demonstran­ten beschützt hatte. Es gelte „Wunden zu heilen“, betonte Chakwera. Kurz zuvor wurde er jedoch heftig für seine Kabinettsw­ahl kritisiert. Söhne, Ehepartner und vernetzte Geschäftsl­eute wurden zu Ministern ernannt. Für die Malawier bleibt der frühere Opposition­sführer ein Hoffnungst­räger. Aber solche waren schon viele afrikanisc­he Präsidente­n vor ihm, ehe sie sich als Tyrannen und Autokraten offenbarte­n. Ihre Fehler gilt es zu vermeiden.

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Foto: AFP

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