Chronik des Versagens
Die Interviewprotokolle im neuen Buch „Rage“(dt: „Wut“) von „Watergate-Enthüller“Bob Woodward im Gespräch mit Donald Trump beweisen, wie fahrlässig der US-Präsident von Anfang an mit dem Corona-Virus umgegangen ist – eine Chronik des Versagens, deren Ende noch nicht absehbar ist. „Sie brauchen nur die Luft einzuatmen und schon haben sie sich angesteckt“, sagt Trump am 7. Februar diesen Jahres, lange vor Beginn der Pandemie in den USA und betont: „Das ist sehr viel tödlicher als selbst eine starke Grippe.“Von „Fake News“kann selbst Trump in diesem Fall nicht sprechen. Es sind unwiderlegbare Tonbandmitschnitte, die die Mitverantwortung des US-Präsidenten bei der (Nicht-)Eindämmung des Virus zweifelsfrei belegen.
Obwohl er sich bereits zu einem frühen Zeitpunkt sehr wohl bewusst ist, welche Gefahr von Covid-19 ausgeht, befeuern seine Aussagen den teils laxen Umgang der Bevölkerung mit der Pandemie und die daraus resultierende, unkontrollierte Ausbreitung des Virus. Anstatt die US-Bürger zu schützen und in einem frühen Stadium adäquate Gegenmaßnahmen zu ergreifen, macht Trump das Gegenteil. Erfordert die Gouverneure der US-Bundesstaaten dazu auf, ihre Corona-Beschränkungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufzuheben – aus Angst vor den wirtschaftlichen Folgen. Finanzielle Mittel von Bundesbehörden, die ein landesweit koordiniertes Vorgehen ermöglicht hätten, werden gestrichen. Trump tut monatelang öffentlich so, als wäre Covid-19 nicht mehr als eine harmlose Grippe.
Obwohl renommierte Epidemiologen wie Anthony
Fauci gebetsmühlenartig darauf hinweisen, dass strengere Hygienemaßnahmen wie Abstandsregeln oder das verpflichtende Tragen eines Mundschutzes zumindest eine Eindämmung der Pandemie bewirken könnten, ist Trump erst im Juli bereit, öffentlich eine Maske zu tragen. Von Geboten und Verboten hält er dennoch wenig. Stattdessen setzt er alles auf eine Karte – die schnelle Verfügbarkeit eines Corona-Impfstoffs. Schließlich stehen Wahlen an und die Wirtschaft muss weiter brummen – koste es, was es wolle, in dem Fall Menschenleben. Derweil nimmt die Corona-Pandemie in den USA historische Ausmaße an. Stand gestern: 196 831 Tote, 6 631 568 nachgewiesene Infektionen. Zum Vergleich: Die Spanische Grippe von 1918 bis 1920 – die sogenannte „Mutter aller Pandemien“– fordert in den Vereinigten Staaten 675 000 Tote. Im Amerikanischen Bürgerkrieg von 1961 bis 1965 fallen 558 000 Soldaten – im Zweiten Weltkrieg mehr als 400 000. Experten befürchten ähnliche Opferzahlen durch Covid-19 bis Ende des Jahres.
Wie zynisch müssen daher Trumps folgende, widersprüchliche Aussagen in den Ohren der Angehörigen der Opfer klingen. „Ich habe das nicht heruntergespielt, sondern es durch mein Handeln in vielen Fällen hervorgehoben“, behauptet Trump am Dienstagabend unverhohlen in einer Bürgersprechstunde im US-Fernsehen – im Gegensatz zu seiner Aussage gegenüber Woodward. „Ich möchte es immer noch herunterspielen, weil ich keine Panik erzeugen will.“Anstatt Verantwortung für das historische Scheitern zu übernehmen, lügt Trump ungeniert weiter.
Die CoronaPandemie in den USA nimmt historische Ausmaße an.