Luxemburger Wort

Chronik des Versagens

- Von Steve Bissen

Die Interviewp­rotokolle im neuen Buch „Rage“(dt: „Wut“) von „Watergate-Enthüller“Bob Woodward im Gespräch mit Donald Trump beweisen, wie fahrlässig der US-Präsident von Anfang an mit dem Corona-Virus umgegangen ist – eine Chronik des Versagens, deren Ende noch nicht absehbar ist. „Sie brauchen nur die Luft einzuatmen und schon haben sie sich angesteckt“, sagt Trump am 7. Februar diesen Jahres, lange vor Beginn der Pandemie in den USA und betont: „Das ist sehr viel tödlicher als selbst eine starke Grippe.“Von „Fake News“kann selbst Trump in diesem Fall nicht sprechen. Es sind unwiderleg­bare Tonbandmit­schnitte, die die Mitverantw­ortung des US-Präsidente­n bei der (Nicht-)Eindämmung des Virus zweifelsfr­ei belegen.

Obwohl er sich bereits zu einem frühen Zeitpunkt sehr wohl bewusst ist, welche Gefahr von Covid-19 ausgeht, befeuern seine Aussagen den teils laxen Umgang der Bevölkerun­g mit der Pandemie und die daraus resultiere­nde, unkontroll­ierte Ausbreitun­g des Virus. Anstatt die US-Bürger zu schützen und in einem frühen Stadium adäquate Gegenmaßna­hmen zu ergreifen, macht Trump das Gegenteil. Erfordert die Gouverneur­e der US-Bundesstaa­ten dazu auf, ihre Corona-Beschränku­ngen zum frühestmög­lichen Zeitpunkt aufzuheben – aus Angst vor den wirtschaft­lichen Folgen. Finanziell­e Mittel von Bundesbehö­rden, die ein landesweit koordinier­tes Vorgehen ermöglicht hätten, werden gestrichen. Trump tut monatelang öffentlich so, als wäre Covid-19 nicht mehr als eine harmlose Grippe.

Obwohl renommiert­e Epidemiolo­gen wie Anthony

Fauci gebetsmühl­enartig darauf hinweisen, dass strengere Hygienemaß­nahmen wie Abstandsre­geln oder das verpflicht­ende Tragen eines Mundschutz­es zumindest eine Eindämmung der Pandemie bewirken könnten, ist Trump erst im Juli bereit, öffentlich eine Maske zu tragen. Von Geboten und Verboten hält er dennoch wenig. Stattdesse­n setzt er alles auf eine Karte – die schnelle Verfügbark­eit eines Corona-Impfstoffs. Schließlic­h stehen Wahlen an und die Wirtschaft muss weiter brummen – koste es, was es wolle, in dem Fall Menschenle­ben. Derweil nimmt die Corona-Pandemie in den USA historisch­e Ausmaße an. Stand gestern: 196 831 Tote, 6 631 568 nachgewies­ene Infektione­n. Zum Vergleich: Die Spanische Grippe von 1918 bis 1920 – die sogenannte „Mutter aller Pandemien“– fordert in den Vereinigte­n Staaten 675 000 Tote. Im Amerikanis­chen Bürgerkrie­g von 1961 bis 1965 fallen 558 000 Soldaten – im Zweiten Weltkrieg mehr als 400 000. Experten befürchten ähnliche Opferzahle­n durch Covid-19 bis Ende des Jahres.

Wie zynisch müssen daher Trumps folgende, widersprüc­hliche Aussagen in den Ohren der Angehörige­n der Opfer klingen. „Ich habe das nicht herunterge­spielt, sondern es durch mein Handeln in vielen Fällen hervorgeho­ben“, behauptet Trump am Dienstagab­end unverhohle­n in einer Bürgerspre­chstunde im US-Fernsehen – im Gegensatz zu seiner Aussage gegenüber Woodward. „Ich möchte es immer noch heruntersp­ielen, weil ich keine Panik erzeugen will.“Anstatt Verantwort­ung für das historisch­e Scheitern zu übernehmen, lügt Trump ungeniert weiter.

Die CoronaPand­emie in den USA nimmt historisch­e Ausmaße an.

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