Athen macht Druck
Die griechische Polizei bringt Flüchtlinge auf Lesbos in ein neues Zeltlager – Geschlossene Camps sind geplant
Die griechische Polizei hat am Donnerstag auf der Insel Lesbos damit begonnen, die obdachlosen Migranten des abgebrannten Camp Moria in das neue Zeltlager Kara Tepe zu bringen. Hilfsorganisationen und Anwälte kritisieren aber die Zustände in Kara Tepe.
Das neue Lager liegt am Rand der Inselhauptstadt Mytilini und bietet Platz für etwa 5 000 der rund 12 500 Menschen, die in Moria lebten. Viele Migranten zögerten aber, dort einzuziehen. Sie fürchten, im Lager auf unabsehbare Zeit festgehalten zu werden. Die meisten Menschen campieren seit dem Brand auf Feldern, Straßen und Plätzen. Sie wollen aufs griechische Festland und in andere europäische Länder. Nach den Bestimmungen des EU-Flüchtlingspaktes müssen Schutzsuchende aber so lange auf den griechischen Inseln bleiben, bis über ihre Asylanträge entschieden ist.
Die Polizeiaktion, für die zur Umsiedlung von Familien extra 70 Polizisten aus Athen und Thessaloniki nach Lesbos geflogen wurden, verlief ruhig und geordnet. Starke Einheiten der Bereitschaftspolizei hielten sich im Hintergrund bereit, aber die befürchteten Unruhen blieben aus. Bürgerschutzminister Michalis Chrysochoidis sagte, im Rahmen des Polizeieinsatzes seien seit Donnerstagmorgen rund 1 000 Migranten in das neue Lager gezogen. Damit halten sich dort nun etwa 3 000 Menschen auf. Wo die anderen Obdachlosen untergebracht werden sollen, war zunächst unklar.
Überwiegend afghanische Migranten
Die Regierung verspricht jenen Migranten, die das Lager beziehen, eine vorrangige Bearbeitung ihrer Asylanträge. Auf Lesbos sind etwa 11 000 Asylanträge anhängig.
Fast 80 Prozent der Antragsteller sind Afghanen, nur acht Prozent syrische Kriegsflüchtlinge. Die Asylverfahren, die sich früher oft über Jahre hinschleppten, sollen beschleunigt werden. Bürgerschutzminister Chrysochoidis sagte, bis Weihnachten sollten etwa 6 000 und bis Ostern 2021 die restlichen anhängigen Asylverfahren abgeschlossen werden. Damit könnten bis dahin alle jetzt noch wartenden Antragsteller die Insel verlassen. Anwälte auf Lesbos kritisierten allerdings, dass sie keinen Zugang zu dem neuen Lager hätten und deshalb die Asylsuchenden nicht beraten könnten. Das Lager sei unzureichend ausgestattet, es gebe keine Duschen. Auch die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen berichtete von Behinderungen durch die Polizei.
Haftbefehl gegen Verdächtige
Unterdessen hat ein Richter auf Lesbos Haftbefehl gegen vier afghanische Migranten erlassen. Die jungen Männer im Alter zwischen 19 und 20 werden beschuldigt, vergangene Woche die Brände gelegt zu haben, die das Migrantenlager Moria zerstörten. Der Staatsanwalt erhob Anklage wegen Brandstiftung und Bildung einer kriminellen Vereinigung. Zwei weitere mutmaßliche Brandstifter von Moria, ebenfalls Afghanen im Alter von 17 Jahren, wurden in Nordgriechenland gefasst und sollen auf der Insel vor Gericht gestellt werden. Nach dem Brand in Moria waren auch am Rand des Migrantenlagers Vathy auf Samos mehrere Feuer ausgebrochen. Die Polizei vermutet dort ebenfalls Brandstiftung. Der für die Migrations- und Asylpolitik zuständige Minister Notis Mitarakis sagte, die Ereignisse auf Lesbos und Samos zeigten, dass man die „anarchischen Zustände“auf den Inseln beenden müsse. Mitarakis will jetzt den Bau geschlossener Lager für Asylbewerber vorantreiben. Es gibt Überlegungen, auf Lesbos als Pilotprojekt ein neues Lager für Asylbewerber in Zusammenarbeit der griechischen Behörden mit EUAgenturen zu bauen.