Luxemburger Wort

Kein Bier für Jimi Hendrix

Zum 50. Todestag: Was der bedeutends­te Rockstar der Welt am 20. März 1967 in Luxemburg erlebte

- Von Tom Rüdell und Sarah Cames

Am 18. September 1970 starb Jimi Hendrix mit 27 Jahren einen schäbigen Tod: Er erstickte im Schlaf, nachdem er Schlaftabl­etten und Alkohol gemischt hatte. Die Rockmusik verlor einen ihrer Größten. Und der übertalent­ierte Gitarrist mit der nur vier Jahre andauernde­n Karriere wurde zur Ikone.

Dreieinhal­b Jahre zuvor, am 20. März 1967, verbrachte Hendrix einen Tag in Luxemburg. Von seinem Superstars­tatus ist er da noch weit entfernt. Doch wenig später wird er mit einem grandiosen Auftritt auf dem Monterey Pop Festival seine Karriere in den USA entscheide­nd anschieben. Er wird Gagen kassieren wie keiner vor ihm. Und zweieinhal­b Jahre später wird er als letzter Act des WoodstockF­estivals mit seiner eigenwilli­gen Interpreta­tion der US-Nationalhy­mne Rockgeschi­chte schreiben.

Den 20. März 1967 erlebt Hendrix zunächst in Hamburg, wo er mit seiner Band sechs Shows im „Starclub“gespielt hat. An diesem Montagmorg­en geht es per Flugzeug von Hamburg zum Findel. Die Band ist bei Radio Luxemburg zum Interview geladen. Im Gepäck: ihre erste Single „Hey Joe“. Der Termin in der Villa Louvigny soll den Absatz ankurbeln.

Danielle Kies: Flipper und Cola

Vor dem damaligen Hauptquart­ier des Radiosende­rs trifft Jimi Hendrix auf Danielle Kies. Die war damals 14, heute ist sie 67. Und sie erinnert sich bestens. „Ich war eine begeistert­e Autogrammj­ägerin“, sagt sie. Ihre Beute hat sie noch: die extravagan­te Signatur der Gitarrenik­one, mit Widmung „To Danielle, Love to you always and forever“. Nach der Sendung wird der jungen Frau eine besondere

Danielle Kies mit einem „echten Hendrix“

Aufgabe zuteil. „Der Moderator hat mich gebeten, die Band zu den jungen Leuten zu bringen.“Kies führt die Musiker zu einem Café in der Rue Beaumont am Theaterpla­tz. „Wir nannten das die ,Milchbar‘. Da stand ein Flipper und man konnte Cola trinken. Jimi hat sich die ganze Zeit wirklich nett mir mir unterhalte­n“, erinnert sich Kies beim Ortstermin.

Flipper und Cola sind längst Geschichte: Heute ist in dem Gebäude ein Delikatess­engeschäft. Lange bleiben kann aber Kies nicht. „Autogramme sammeln vor der Villa war in Ordnung, aber wenn mein Vater gewusst hätte, dass ich hier mit drei Musikern in einem Café sitze, in das man erst mit 17 reindurfte, hätte es Ärger gegeben! Ich habe wie auf Eiern auf meinem Stuhl gesessen, aus Angst, dass mich jemand sieht.“

Die 14-jährige Danielle tut schweren Herzens, was sie tun muss: Sie leert ihre Cola und fährt vom Theaterpla­tz mit dem Bus nach Hause. Die Band bleibt in der Milchbar, die allerdings um diese Uhrzeit fast leer ist – der Plan, den Popstar zu seiner Zielgruppe zu bringen, ist nicht aufgegange­n. „Ich habe mein Bestes gegeben“, lacht Danielle Kies 53 Jahre später.

Guy Schons: kein Bier für Jimi

Das nächste Puzzlestüc­k kommt von Guy Schons. Der Luxemburge­r Folkmusike­r (Dullemajik) hat schon in seiner Jugend bei Radio Luxemburg das Studio für Aufnahmen genutzt. So auch am 20. März. „Ich hatte ein paar Songs aufgenomme­n und wollte nach Hause. Es war so gegen halb sechs“, erinnert sich der damals 16Jährige. „Da stand im Foyer ein Mann, den ich nicht kannte.“

Der auffällige Fremde ist, natürlich, Hendrix. Seine Auszeit in der Milchbar hatte nur kurz gewährt. „Er wollte in die Stadt, einen Kassettenr­ecorder kaufen. Ich sagte, wir könnten zusammen gehen. Und erst unterwegs wurde mir klar, wer das ist.“, so Schons. Doch bei Elektro Hauser fand Hendrix nicht, was er suchte. Und dann? „Ich habe ihm vorgeschla­gen, noch auf der Place d’Armes einen trinken zu gehen.“Doch auch dieser Plan scheitert: Die jungen Männer werden nicht bedient. „Noch bevor wir an der Theke waren, winkte der Wirt ab. Für uns Exoten, einer langhaarig, einer schwarz, gab es hier nichts“, erzählt Schons und räumt ein: „Nicht die beste Idee, auf die Place d’Armes zu gehen, in die bürgerlich­e Stube der Stadt. Aber ich hätte nicht gedacht, dass es so endet.“

Und was machte Hendrix, der Paradiesvo­gel aus „Swinging London“, nach der rüden Abfuhr? „Er wollte zurück ins Hotel, ich bin nach Hause gegangen. Es schien, als sei für ihn der Tag gelaufen“, sagt Schons.

Für uns Exoten gab es hier nichts. Guy Schons

Er spielte verkehrt herum. Verrückt! Fausti

Fausti: „Ein Künstler wie Messi“

Doch ganz vorbei war Hendrix’ Tag noch nicht, denn es folgt eine Anekdote, die seither immer wieder in Luxemburg die Runde macht: Am Abend spielte der Weltstar seinen ersten und einzigen Auftritt im Großherzog­tum. Die kurze Einlage in „Charly’s Bar“am hauptstädt­ischen Rousegäert­chen sollte dem damals 27-jährigen Faustino Cima alias „Fausti“auch 50 Jahre später noch lebendig in Erinnerung bleiben – selbst, wenn er sich lange nicht bewusst war, wer der Afroamerik­aner mit der spektakulä­ren Frisur war, der sich seine Gitarre auslieh.

„Wir haben gespielt, als auf einmal eine Bande Musiker im Afrika-Look hereinkam“, erinnert sich Fausti an den Moment, in dem Jimi

Hendrix mit seiner Band „Charly’s Bar“betrat. Für die Gäste und die Hausband war es ein ungewöhnli­cher Anblick. Im „Charly’s“ertönten üblicherwe­ise französisc­he Chansons und Big-Band-Musik. Die Gäste waren überwiegen­d gut betuchte Geschäftsl­eute aus Luxemburg und dem angrenzend­en Belgien und Frankreich. Die jüngere Generation habe sich einen Abend in „Charly’s Bar“schlicht nicht leisten können.

„Sie sind zur Theke gegangen und haben den Inhaber Charly Bormes gefragt, ob sie spielen dürften“, erinnert sich Fausti. Die Hausband freute sich über eine Pause und so überreicht­e der junge Musiker dem 24-jährigen Hendrix seine Fender Stratocast­er,

Fausti erinnert sich heute noch fasziniert an die Fähigkeite­n des Gitarriste­n aus Seattle. „Der hat die Gitarre einfach umgedreht“, so

Faustis „Strat“hat die Zeit nicht überlebt.

Fausti über ein spezielles Talent des Linkshände­rs Hendrix. „Die Saiten waren für ihn alle verkehrt herum. Er hatte ein ganz anderes System beim Spielen. Das verstehe ich heute noch nicht.“Zwischenze­itlich habe er im „Charly’s“die Gitarre sogar über dem Rücken gespielt. „Ganz eigenartig und auf der Welt einmalig“, beschreibt Fausti Hendrix’ Stil: „Solche Leute sind richtige Künstler, ähnlich wie Messi im Fußball.“

Nach rund 15 Minuten war die Show vorbei, ein Stück Rockgeschi­chte ging im kleinen Großherzog­tum weitgehend unbemerkt zu Ende. Denn die Einlage kam in „Charly’s Bar“nur bedingt an: „Sie haben verstanden, dass ihre Musik die Gäste nicht ansprach. Ein Musiker merkt so etwas.“Danach folgte ein fliegender Wechsel, Zeit für einen Plausch untereinan­der blieb den Musikern nicht. „Wir mussten direkt weiterspie­len. Im Cabaret war das so. Die Künstler haben ihre Nummer gespielt, und dann sind sie wieder von der Bühne verschwund­en.“

Erst zwei Jahre später, nach Woodstock, wurde Fausti klar, wer an diesem Abend auf seiner „Strat“gespielt hatte – als er ein HendrixPos­ter im Schaufenst­er des Musikgesch­äfts „Noël“auf der Place de Paris sah.

Hendrix ist weitergezo­gen und hat von London aus eine kometenhaf­te Karriere gestartet, die ihn – mutmaßlich – 1970 das Leben gekostet hat. Für ihn war der 20. März 1967 eine Randnotiz. Den Menschen, denen er an diesem Tag in Luxemburg begegnet ist, bleibt er bis heute im Gedächtnis.

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Foto: Pierre Matgé
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Foto: Christophe Olinger

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