Offene Rechnung mit Manderscheid
Das Kasemattentheater forscht viel in Archiven und schafft damit neue Bühnenproduktionen
Das Kasemattentheater will gleich zu Beginn der neuen Spielsaison eine offene Rechnung begleichen, und zwar mit Roger Manderscheid, der vor zehn Jahren verstorben ist. 1974 hatte er „Rote Nelken für Herkul Grün“geschrieben, eine Auftragsarbeit für das Kasemattentheater, die aber damals in ihrer Originalfassung nicht aufgeführt wurde – sie erschien einigen Mitgliedern des Ensembles damals als zu gewagt für das konservative Luxemburg.
Serge Tonnar hat nun das Stück aufgegriffen und dabei entdeckt, dass dieser Text von Manderscheid heute Grundthemen offenbart, die im Kontext der aktuellen Pandemie erschreckend aktuell sind: die Entfremdung und Zersetzung der sozialen Kontakte, die gesellschaftliche Isolation und die emotionale Vereinsamung im Leben und im digitalen Raum. Auf der Bühne spielen im Oktober im Kasemattentheater Marie Jung, Nora Koenig, Nickel Bösenberg, Pitt Simon und Konstantin Rommelfangen, Regie führt Serge Tonnar.
Der Höhepunkt der neuen Saison wird aber das Sommertheater in den Bock-Kasematten mit der Aufführung von „Judas“, zwei Monologen über einen Verrat von Lot Vekemans und Walter Jens. Diese Produktion war dieses Jahr wegen der Pandemie gestrichen worden und wird nun im August in den historischen Bock-Kasematten, dort wo das Theater seine Ursprünge hat, aufgeführt, und zwar mit Luc Schiltz und Serge Tonnar auf der Bühne. Regie führen Anne Simon und Marion Rothhaar.
Etwas ganz Besonderes wird ganz bestimmt auch die Lesung von Marc Limpach „Aus der damaligen Gegenwart“. Sie findet am 15. Dezember im Nationalen Literaturzentrum
in Mersch statt. Es sind Tagebuchaufzeichnungen von Paulheinz Wantzen, eines deutschen Journalisten während der Besatzung in Luxemburg. Der hat auch für das damals gleichgeschaltete „Luxemburger Wort“geschrieben. Interessant wird der Blick eines schreibgewandten Besatzers auf Luxemburg sein.
Als „Theaterprojekt“bezeichnet das Kasemattentheater seine Produktion „Rosenkranz und Güldenstern auf Greta“, die im Januar im Carré in Hollerich, der früheren Spielstätte der Rotondes, aufgeführt wird. Es ist ein Text von Fanny Sorgo nach Motiven von Shakespeare und anderen.
Mit der Komödie „Staycation“greift derweil Ian De Toffoli eine „Urban Legend“aus Luxemburg auf. Es ist die Geschichte von einer Familie, die in den Keller zieht, um ihre Nachbarn glauben zu lassen, sie sei in einem Luxusurlaub. Es ist ein Stück über den digitalen Schein mit Catherine Janke und Ilja Biederkirchner. Die Uraufführung findet im Februar statt.
„Schnoucky“gibt Anlass für eine weitere Uraufführung im Kasemattentheater. Es ist dies ein Monolog nach Briefen von Andrée Viénot-Mayrisch, der Tochter von Emile und Aline Mayrisch. Dargestellt wird der Text auf der Bühne von Eugénie Anselin, die Textfassung und das Konzept stammen von dem künstlerischen Leiter des Theaters Marc Limpach. Aufführung ist im April. mt
Theater zeigt uns, dass wir am Leben sind. Marc Limpach