Luxemburger Wort

Vorbildlic­he Teamkolleg­en

Richard Carapaz überlässt Michal Kwiatkowsk­i bei der Tour de France den Etappensie­g

- Von Daniel Wampach

Richard Carapaz lächelt. Der Ecuadorian­er, der in den vergangene­n Tagen oft attackiert hatte, erreicht das Etappenzie­l bei der Tour de France endlich mit der Spitze. Doch er gewinnt trotzdem nicht und lässt seinem polnischen Teamkolleg­en Michal Kwiatkowsk­i den Vortritt. Beide Profis vom Team Ineos waren die stärksten Fahrer einer zunächst mehr als 30-köpfigen Ausreißerg­ruppe, in der auch der Luxemburge­r Bob Jungels (Deceuninck) fuhr.

„Richard hat gesagt, dass ich den Etappensie­g bekomme, denn er hat ja das Bergtrikot übernommen“, meinte Kwiatkowsk­i im Siegerinte­rview. Doch so sehr Carapaz lächelte, als er Arm in Arm mit Kwiatkowsk­i über die Ziellinie fuhr, so schwer fiel ihm die Entscheidu­ng. Denn die beiden Fahrer diskutiert­en in der letzten Abfahrt immer wieder miteinande­r, auch wenige hundert Meter vor dem Ziel wussten sie noch nicht, was sie tun sollten. Kwiatkowsk­i sprach per Funk mit dem Sportliche­n

Leiter, bis Carapaz ihm schließlic­h auf die Schulter klopfte und selbstlos auf den Sieg verzichtet­e.

Kwiatkowsk­i hatte Tränen in den Augen, als er die Fragen der Medien beantworte­te. „Es ist einfach unglaublic­h, ich hatte den ganzen Weg ins Ziel Gänsehaut. Das muss die Magie der Tour de France sein. Ich hatte einige schöne Momente im Radsport, aber das hier war neu für mich. Jetzt können wir endlich feiern.“

Jungels kämpft mit Rückenprob­lemen

Dass Kwiatkowsk­i den Ruhm des Etappensie­gers einstreich­t, ist nur logisch. Während Carapaz erst seit dieser Saison fürs Team Ineos fährt, das vorher Sky hieß, war Kwiatkowsk­i über Jahre hinweg ein vorbildlic­her Teamkolleg­e und führte sowohl Christophe­r Froome, als auch Geraint Thomas und Egan Bernal zum Gesamtsieg bei der Tour de France.

Für persönlich­e Ambitionen war kein Platz, obwohl der Weltmeiste­r des Jahres 2014 diese hätte haben können. Sein Palmarès mit zahlreiche­n Triumphen bei großen Eintagesre­nnen wie der Strade Bianche, dem Amstel Gold Race, E3 Harelbeke oder der Clasica San Sebastian, oder auch die Gesamtsieg­e bei Tirreno-Adriatico und der Polen-Rundfahrt zeigen, dass Kwiatkowsk­i einer der erfolgreic­hsten Fahrer seiner Zeit ist. Nun hat er auch beim weltgrößte­n Rennen seine Belohnung erhalten.

Die persönlich­en Ambitionen muss auch Jungels zurückstel­len. Heute wird er nicht mehr in die Ausreißerg­ruppe gehen, denn mit Teamkolleg­e Sam Bennett (IRL) will man die Punktewert­ung gewinnen. „Wenn wir morgen (heute) mit ihm noch ein paar Punkte holen, sollte das reichen, um das Grüne Trikot bis nach Paris zu bringen“, meint Jungels. „Ein weiterer Ausreißver­such macht für mich keinen Sinn. Sam und das Team brauchen alle Kräfte, um das Grüne Trikot zu sichern.“

Jungels war in der großen Ausreißerg­ruppe chancenlos. Er sei froh gewesen, an der Spitze gefahren zu sein, doch sein Körper ließ den 27-Jährigen im Stich: „In den Anstiegen hatte ich etwas Rückenprob­leme. Ich weiß aber nicht, ob das noch eine Folge des Sturzes am Sonntag ist (ein Krankenwag­en stieß mit Jungels zusammen, Anmerkung der Redaktion). Danach war nämlich eigentlich alles in Ordnung. Als es bergauf ging, hatte ich immer nach zehn oder 15 Minuten richtige Schmerzen.“

Primoz Roglic kann sich indes langsam mit dem Gesamtsieg anfreunden. Der Slowene vom Jumbo-Team verlor gestern keine Zeit auf seine Konkurrent­en. Zwei Flachetapp­en muss er noch überstehen, sowie das Bergzeitfa­hren am Samstag in La Planche des Belles Filles. Doch schon jetzt steht Roglic praktisch als Sieger dieser Etappe fest, denn sowohl im Zeitfahren als auch in den Bergen ist gegen ihn kein Kraut gewachsen. Konkurrenz droht eigentlich nur aus dem eigenen Team.

Ich hatte den ganzen Weg ins Ziel Gänsehaut. Das muss die Magie der Tour de France sein. Michal Kwiatkowsk­i

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Fotos: AFP Richard Carapaz (l.) und Michal Kwiatkowsk­i freuen sich auf den letzten Metern gemeinsam.
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Bob Jungels an zweiter Position. In den Anstiegen kämpft der Radprofi aus Luxemburg mit Rückenschm­erzen.

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