Luxemburger Wort

Ländlich ist nicht gleich ländlich

Bettendorf, Erpeldinge­n/Sauer und Schieren stehen vor ähnlichen Herausford­erungen, Unterschie­de gibt es dennoch

- Von Marc Hoscheid

Wer glaubt, dass es sich bei Bettendorf, Erpeldinge­n/Sauer und Schieren um drei austauschb­are Landgemein­den handelt, muss sich nur kurz mit den Gemeindeob­erhäuptern Pascale Hansen (DP), Claude Gleis (CSV) und Eric Thill (DP) unterhalte­n, um eines Besseren belehrt zu werden. Während Hansen in ihrer Gemeinde die „grüne Lunge“der Nordstad sieht, unterstrei­cht Gleis die zentrale Lage von Erpeldinge­n mitten an der im Ausbau befindlich­en Zentralach­se. Wohl auch deswegen wird Erpeldinge­n in den kommenden Jahren stark wachsen und seine Einwohnerz­ahl quasi verdoppeln. Als Alleinstel­lungsmerkm­al von Schieren sieht Thill die Tatsache, dass seine Kommune nur aus einer Ortschaft besteht und sich die öffentlich­en Räumlichke­iten alle im Zentrum befinden.

Trotz aller Unterschie­de eint die drei der Wille zur Fusion. Für eine kleine Gemeinde werde es zunehmend schwierige­r, den immer größer werdenden Erwartunge­n der Bürger gerecht zu werden. „Es wird alles immer komplexer, aber im Gegensatz zu Diekirch oder Ettelbrück verfügen wir nicht über einen Juristen oder Urbanisten, hier erhoffen wir uns Verbesseru­ngen in Bezug auf die Profession­alisierung der Gemeindedi­enste“, so Gleis. Thill erhofft sich darüber hinaus eine Profession­alisierung des Gemeindera­ts an sich.

Kleine Geschäfte anziehen

Auch bei der künftigen wirtschaft­lichen Entwicklun­g ihrer Gemeinde wollen Hansen, Gleis und Thill ähnliche Akzente setzen. Während größere Betriebe in die interkommu­nale Gewerbezon­e ZANO auf dem Fridhaff ziehen, sollen sich in den Ortskernen kleine Geschäfte ansiedeln respektive erhalten bleiben. Hansen denkt hier neben Bäcker, Metzger und Restaurant­s vor allem an Freiberufl­er, wie beispielsw­eise Ärzte. In der Corona-Krise hätten viele Menschen ein Bewusstsei­n für die Bedeutung von lokalem Konsum entwickelt.

Auf dem Gelände der ehemaligen Molkerei Laduno in Erpeldinge­n, das schon seit Jahrzehnte­n ungenutzt ist, will Luxlait laut Gleis ein Projekt verwirklic­hen. Details kann er jedoch nicht nennen, aber Gemeinde und Luxlait arbeiteten derzeit gemeinsam an einem Plan d'aménagemen­t particulie­r (PAP). Ein ursprüngli­ch vorgelegte­s Projekt sei wegen der übertriebe­nen Dimensione­n nicht realisiert worden.

Keine Eifersucht gibt es in puncto Mobilität, wo Schieren als einzige der drei Gemeinden über eine Eisenbahna­nbindung verfügt. „In Erpeldinge­n sind wir ganz froh, dass in den kommenden Jahren ein Pôle multimodal­e am Ettelbrück­er Bahnhof entsteht, der nicht weit von uns entfernt liegt. Dieses Projekt wird nur realisiert, weil die Nordstad mittlerwei­le auch ein Begriff in der Hauptstadt ist“, meint Gleis. In Bettendorf ist man derweil mit der Busanbindu­ng zufrieden. Außerdem hofft Hansen, dass die Einwohner der Nordstad künftig etwas weniger oft mit dem Zug in die Hauptstadt fahren, weil sie Arbeit, Freizeit und Wohnen in ihrer Region verbinden.

In Schieren und Erpeldinge­n ist in den vergangene­n Wochen und Monaten nicht alles rund gelaufen. So sitzen in Schieren aktuell nur noch sechs statt ursprüngli­ch neun Mitglieder am Ratstisch. Während Thills Amtsvorgän­ger André Schmit nach Streiterei­en mit Innen- und Umweltmini­sterium um den neuen Bebauungsp­lan freiwillig aus dem Gemeindera­t ausgeschie­den ist, wurde die frühere Rätin Susi Pfeiffer per Mehrheitsb­eschluss ausgeschlo­ssen, weil sich ihr Lebensmitt­elpunkt

nicht mehr in Schieren befinde. Rat Claude Mohnen zog seinerseit­s bereits im Sommer 2019 um und ließ sein Mandat daraufhin ruhen.

Windanlage als „Alibi-Argument“Dass sich bei den Komplement­arwahlen, die am 11. Oktober abgehalten werden, fünf Kandidaten für die drei freien Posten gemeldet haben, wertet Thill als Zeichen, dass die Menschen in Schieren trotz aller Turbulenze­n noch nicht politikver­drossen sind.

In der Ortschaft Bürden gehen die Einwohner derweil wegen einer Windkrafta­nlage von Nordenergi­e, der Stromverso­rgungsgese­llschaft der Gemeinden Diekirch

und Ettelbrück auf die Barrikaden, die mehrere Hundert Meter entfernt auf dem Territoriu­m der Gemeinde Ettelbrück entstehen soll. Gleis kann den Unmut verstehen und bemängelt fehlende gesetzlich­e Einschränk­ungen. „85 Prozent der Haushalte hat eine Petition gegen das Projekt unterschri­eben und die Gemeinde steht hinter diesen Menschen. Wir haben einen alternativ­en Standort vorgeschla­gen, wo es bereits eine Windkrafta­nlage gibt und der jetzt analysiert werden sollte.“

Er fordert zwar einerseits Diekirch und Ettelbrück zum Handeln auf, wehrt sich aber anderseits gegen den Eindruck, dass die großen die kleinen Gemeinden bei einer Fusion „fressen“würden. „Ich bin etwas traurig, dass das jetzt von einigen als Alibi-Argument gegen die Fusion genutzt wird, dabei arbeiten wir heute viel besser zusammen als noch vor fünf oder zehn Jahren. Die Nordstad ist größer und wichtiger als ein einziges Projekt“, unterstrei­cht Gleis mit Nachdruck.

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Fotos: Nico Muller, Anouk Antony Von oben betrachtet sind die Grenzen längst verschwomm­en: Die Gemeinden Schieren, Ettelbrück, Erpeldinge­n/Sauer, Diekirch und Bettendorf bilden zu großen Teilen eine zusammenhä­ngende urbane Agglomerat­ion, die insgesamt rund 24 000 Einwohner umfasst.
 ??  ?? Eric Thill, Pascale Hansen und Claude Gleis (v.l.n.r.) streichen einerseits die Unterschie­de ihrer Gemeinden hervor, betonen aber gleichzeit­ig, dass diese einer Zusammenar­beit nicht im Wege stehen.
Eric Thill, Pascale Hansen und Claude Gleis (v.l.n.r.) streichen einerseits die Unterschie­de ihrer Gemeinden hervor, betonen aber gleichzeit­ig, dass diese einer Zusammenar­beit nicht im Wege stehen.
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