Ländlich ist nicht gleich ländlich
Bettendorf, Erpeldingen/Sauer und Schieren stehen vor ähnlichen Herausforderungen, Unterschiede gibt es dennoch
Wer glaubt, dass es sich bei Bettendorf, Erpeldingen/Sauer und Schieren um drei austauschbare Landgemeinden handelt, muss sich nur kurz mit den Gemeindeoberhäuptern Pascale Hansen (DP), Claude Gleis (CSV) und Eric Thill (DP) unterhalten, um eines Besseren belehrt zu werden. Während Hansen in ihrer Gemeinde die „grüne Lunge“der Nordstad sieht, unterstreicht Gleis die zentrale Lage von Erpeldingen mitten an der im Ausbau befindlichen Zentralachse. Wohl auch deswegen wird Erpeldingen in den kommenden Jahren stark wachsen und seine Einwohnerzahl quasi verdoppeln. Als Alleinstellungsmerkmal von Schieren sieht Thill die Tatsache, dass seine Kommune nur aus einer Ortschaft besteht und sich die öffentlichen Räumlichkeiten alle im Zentrum befinden.
Trotz aller Unterschiede eint die drei der Wille zur Fusion. Für eine kleine Gemeinde werde es zunehmend schwieriger, den immer größer werdenden Erwartungen der Bürger gerecht zu werden. „Es wird alles immer komplexer, aber im Gegensatz zu Diekirch oder Ettelbrück verfügen wir nicht über einen Juristen oder Urbanisten, hier erhoffen wir uns Verbesserungen in Bezug auf die Professionalisierung der Gemeindedienste“, so Gleis. Thill erhofft sich darüber hinaus eine Professionalisierung des Gemeinderats an sich.
Kleine Geschäfte anziehen
Auch bei der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung ihrer Gemeinde wollen Hansen, Gleis und Thill ähnliche Akzente setzen. Während größere Betriebe in die interkommunale Gewerbezone ZANO auf dem Fridhaff ziehen, sollen sich in den Ortskernen kleine Geschäfte ansiedeln respektive erhalten bleiben. Hansen denkt hier neben Bäcker, Metzger und Restaurants vor allem an Freiberufler, wie beispielsweise Ärzte. In der Corona-Krise hätten viele Menschen ein Bewusstsein für die Bedeutung von lokalem Konsum entwickelt.
Auf dem Gelände der ehemaligen Molkerei Laduno in Erpeldingen, das schon seit Jahrzehnten ungenutzt ist, will Luxlait laut Gleis ein Projekt verwirklichen. Details kann er jedoch nicht nennen, aber Gemeinde und Luxlait arbeiteten derzeit gemeinsam an einem Plan d'aménagement particulier (PAP). Ein ursprünglich vorgelegtes Projekt sei wegen der übertriebenen Dimensionen nicht realisiert worden.
Keine Eifersucht gibt es in puncto Mobilität, wo Schieren als einzige der drei Gemeinden über eine Eisenbahnanbindung verfügt. „In Erpeldingen sind wir ganz froh, dass in den kommenden Jahren ein Pôle multimodale am Ettelbrücker Bahnhof entsteht, der nicht weit von uns entfernt liegt. Dieses Projekt wird nur realisiert, weil die Nordstad mittlerweile auch ein Begriff in der Hauptstadt ist“, meint Gleis. In Bettendorf ist man derweil mit der Busanbindung zufrieden. Außerdem hofft Hansen, dass die Einwohner der Nordstad künftig etwas weniger oft mit dem Zug in die Hauptstadt fahren, weil sie Arbeit, Freizeit und Wohnen in ihrer Region verbinden.
In Schieren und Erpeldingen ist in den vergangenen Wochen und Monaten nicht alles rund gelaufen. So sitzen in Schieren aktuell nur noch sechs statt ursprünglich neun Mitglieder am Ratstisch. Während Thills Amtsvorgänger André Schmit nach Streitereien mit Innen- und Umweltministerium um den neuen Bebauungsplan freiwillig aus dem Gemeinderat ausgeschieden ist, wurde die frühere Rätin Susi Pfeiffer per Mehrheitsbeschluss ausgeschlossen, weil sich ihr Lebensmittelpunkt
nicht mehr in Schieren befinde. Rat Claude Mohnen zog seinerseits bereits im Sommer 2019 um und ließ sein Mandat daraufhin ruhen.
Windanlage als „Alibi-Argument“Dass sich bei den Komplementarwahlen, die am 11. Oktober abgehalten werden, fünf Kandidaten für die drei freien Posten gemeldet haben, wertet Thill als Zeichen, dass die Menschen in Schieren trotz aller Turbulenzen noch nicht politikverdrossen sind.
In der Ortschaft Bürden gehen die Einwohner derweil wegen einer Windkraftanlage von Nordenergie, der Stromversorgungsgesellschaft der Gemeinden Diekirch
und Ettelbrück auf die Barrikaden, die mehrere Hundert Meter entfernt auf dem Territorium der Gemeinde Ettelbrück entstehen soll. Gleis kann den Unmut verstehen und bemängelt fehlende gesetzliche Einschränkungen. „85 Prozent der Haushalte hat eine Petition gegen das Projekt unterschrieben und die Gemeinde steht hinter diesen Menschen. Wir haben einen alternativen Standort vorgeschlagen, wo es bereits eine Windkraftanlage gibt und der jetzt analysiert werden sollte.“
Er fordert zwar einerseits Diekirch und Ettelbrück zum Handeln auf, wehrt sich aber anderseits gegen den Eindruck, dass die großen die kleinen Gemeinden bei einer Fusion „fressen“würden. „Ich bin etwas traurig, dass das jetzt von einigen als Alibi-Argument gegen die Fusion genutzt wird, dabei arbeiten wir heute viel besser zusammen als noch vor fünf oder zehn Jahren. Die Nordstad ist größer und wichtiger als ein einziges Projekt“, unterstreicht Gleis mit Nachdruck.