Brexit: Die Zeit wird knapp
Die Fronten verhärten sich: Vor der neuen Post-Brexit-Verhandlungsrunde Anfang September erhöhte der britische Premierminister Boris Johnson den Druck. Er drohte zum wiederholten Mal mit einem harten Brexit zum Ende der Übergangsphase am 31. Dezember
2020. Der Europäischen Union (EU) warf er vor, an unhaltbaren Forderungen festzuhalten. Im Gegenzug attestierte der ChefUnterhändler der EU, Michel Barnier, den Briten mangelnde Beweglichkeit.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Regierung in London einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der das sogenannte Nordirland-Protokoll untergräbt und somit internationales Recht bricht. Es scheint, dass sich Johnson auf der Suche nach dem dringend benötigten innenpolitischen Erfolg als harter Verhandler positionieren will. Doch die Zeit für eine Lösung wird knapp. Scheitert ein Abkommen vor Jahresfrist zahlen die Briten die Zeche. Ein harter Brexit ohne Vertrag hätte schwere Folgen für die britische Wirtschaft. Denn Europa ist für britische Unternehmen um einiges wichtiger als umgekehrt.
Daher scheint es trotz allem wahrscheinlich, dass zumindest ein Rumpf-Handelsabkommen geschlossen wird. Goldene Zeiten stehen der Wirtschaft in Großbritannien aber nicht bevor. Der Abschied aus der EU schwächte die Position der britischen Unternehmen auf dem Weltmarkt. Ihr Potenzial ist am Aktienmarkt begrenzt. Auch das britische Pfund wird aus der Position der Schwäche so schnell nicht wieder herauskommen.
Der Autor ist Leiter Research & Investment Strategy bei Union Investment.