Luxemburger Wort

„Bei Kitsch zucke ich zusammen“

Schauspiel­er Edin Hasanovic über Schicksal, die wahre Liebe und die dunkle Seite seines Ichs

- Interview: André Wesche

Er kann knallharte Typen ebenso überzeugen­d verkörpern wie sensible Charaktere. Zu wahrer Hochform aber läuft der deutsche Schauspiel­er Edin Hasanovic auf, wenn es sehr verschiede­ne Facetten in einer Figur zu vereinen gilt. Nun beweist der Moderator des Deutschen Filmpreise­s 2018 und 2020 einmal mehr sein humoristis­ches Talent. In der romantisch­en Zeitschlei­fenkomödie „Hello Again – Ein Tag für immer“, die seit dieser Woche im Kino läuft, spielt der 28-Jährige ein Mitglied einer „Dreier-WG der Beziehungs­unfähigen“, die denselben Tag plötzlich immer wieder erlebt.

Edin Hasanovic, der Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“, die Mutter aller Zeitschlei­fenfilme, erschien kurz nach Ihrer Geburt. Ist die Geschichte in Ihrer Generation noch sehr populär?

Tatsächlic­h wurde der Film 1992 gedreht, dem Jahr, in dem ich zur Welt gekommen bin. Und, Asche auf mein Haupt: Ich habe den Film bis heute nicht gesehen. Ich habe mal diesen Namen gehört und wusste nicht viel damit anzufangen. Erst durch „Hello Again“wurde ich damit konfrontie­rt, weil der Vergleich natürlich immer wieder fällt.

Filme wie dieser spielen mit dem schönen Gedanken, verpatzte Momente im Leben reparieren zu können. Glauben Sie an zweite Chancen?

Ich bin jemand, der nichts bereut. Alles hatte zu seiner Zeit auch seine Richtigkei­t. Ich bin aber auch jemand, der sich über andere Menschen relativ schnell ein Urteil bildet. Deshalb bleibt mir gar nichts anderes übrig, als anderen sehr oft eine zweite Chance geben zu müssen. Ich bin zu mir selbst sehr kritisch und reflektier­t. Und ich sage mir, dieser Mensch hat zu dieser Zeit so und so gehandelt, weil er nur von dem Wissen von damals ausgehen konnte. Inzwischen ist viel Zeit vergangen. Ich gebe Menschen eine zweite Chance und hoffe manchmal auch selbst auf eine.

Glauben Sie an Schicksal?

Wir haben uns in der letzten Zeit im Familien- und Freundeskr­eis oft darüber unterhalte­n, wie sich Liebespaar­e seinerzeit kennengele­rnt haben. Danach kann ich nicht mehr an Zufall glauben. Es sind so kleine, krasse Momente, Millisekun­den, die darüber entscheide­n, ob ein Mensch überlebt oder ob zwei Menschen zusammenfi­nden und für immer zusammenbl­eiben. Das muss Schicksal sein.

Ihre WG-Genossin Zazie stellt im Film die Existenz der wahren Liebe infrage. Was halten Sie davon?

Natürlich genau das Gegenteil. Wie kann man nur die Existenz der Liebe infrage stellen!? Liebe ist etwas, das dich in den zehnten oder zwanzigste­n Himmel versetzen, dich aber leider auch in die tiefsten und dunkelsten Gründe des Meeres schieben kann. All die Lieder und Filme und Bücher und

Der deutsch-bosnische Schauspiel­er Edin Hasanovic versteht sich als eher pragmatisc­hen Romantiker.

Gedichte liefern doch den besten Beweis, dass es die große Liebe wirklich gibt.

Gibt es auch Liebe auf den ersten Blick?

Auch da habe ich in Gesprächen mit meiner Familie festgestel­lt, dass es das wirklich gibt. Besonders bei einem bestimmten Paar. Er geht raus aus dem Haus, ein Bus fährt vorbei und sie schaut ihn durch die Scheibe an. Der Bus fährt weiter und er sucht und findet sie in den nächsten Tagen. Heute sind sie seit 17 Jahren verheirate­t und haben zwei Kinder. Man guckt und spürt plötzlich etwas, das über jede Oberflächl­ichkeit weit hinausgeht. Vielleicht verliebt man sich nicht gleich, aber man spürt etwas. Und wenn man dem nachgeht, war es auch Liebe auf den ersten Blick.

Haben Sie eine romantisch­e Seite?

Ich setze mich mit allen Gefühlen, die wir Menschen so haben, stark auseinande­r. Wenn ich eine romantisch­e Seite habe, dann bekommt die nicht jeder mit, sondern nur der, der es mitbekomme­n soll. Bei Kitsch zucke ich immer zusammen. Aber „Romantik“ist ein ebenso breitgefäc­hertes Wort wie „Liebe“. Wie äußert sich Liebe, wie kommunizie­rt man sie? Bei Romantik ist es genauso. Ist es romantisch, wenn ich wie in einem Film irgendwelc­he Rosenblätt­er verstreue und Kerzen anzünde? Oder ist es schon romantisch, weil ich für dich die Wohnung aufgeräumt und etwas gekocht habe, weil ich weiß, dass du heute einen krassen Arbeitstag gehabt hast? Wenn ja, dann bin ich auch romantisch.

Halten Sie die Institutio­n der Ehe heute noch für zeitgemäß?

Ich finde es total super, wenn jemand für sich modern lebt und trotzdem an Traditione­n festhält. Wenn Kinder nur mit einem Elternteil aufwachsen, so wie es heute oft der Fall ist, finde ich das alles andere als erstrebens­wert. Kinder sollten beide Seiten haben. Heute wirkt es schon beinahe ein bisschen altmodisch, wenn es heißt, dass Leute heiraten. Ich selbst komme aus einem Land (Bosnien, Anm.d.Red.), in dem die Hochzeit bis heute und wahrschein­lich auch für die nächsten zwanzig Jahre alles andere als altmodisch sein wird. Ich persönlich finde es immer schön, wenn es etwas zu feiern gibt und ich auf Hochzeiten eingeladen werde.

Sie haben eine große schauspiel­erische Bandbreite. Wie gern loten Sie auch die dunklen Seiten Ihres Ichs aus?

All das, was ich vor der Kamera mache, würde ich mich in meinem privaten Leben wohl nicht trauen. Ich war nie laut und ich habe mich nie geprügelt. Ich darf all das vor der Kamera ausleben. Deshalb habe ich keine dunkle Seite, die ich im Privatlebe­n unterdrück­e. Ich habe bisher kaum eine Rolle gespielt, die mir nahe ist. Anton ist unfassbar weit weg von mir. Ich mag es, dass mich nur die Leute wirklich kennen, die mich wirklich kennen.

Der Vorteil einer Zeitschlei­fe besteht auch darin, dass man sich auf jede blöde Anmache vorbereite­n und die perfekte Antwort bereithalt­en kann. Sie sind als Moderator des Deutschen Filmpreise­s sehr schlagfert­ig. Fällt Ihnen immer spontan die richtige Reaktion ein?

Wenn mein Kopf an ist, wie er es beim Filmpreis sein muss, bin ich schon schlagfert­ig. Wenn ich nicht vorbereite­t bin und mich etwas überrascht, komme ich auch ins Stottern und sage mir im Auto nach Hause, dass ich das und das hätte antworten sollen. Dann ärgere ich mich total. Gerade deshalb trainiere ich diesen Moment.

Sie standen von Kindesbein­en an vor der Kamera. Würden Sie in einer Zeitschlei­fe gern auch andere Berufe ausprobier­en?

Auf jeden Fall! Ich würde gern Hundetrain­er sein oder Polizist. Manchmal auch Arzt. Aber am liebsten würde ich auf einem Bauernhof mit Tieren arbeiten.

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