Luxemburger Wort

Ambitionie­rter Zeitplan

US-Senat verbleibt nur wenig Zeit, um Nominierun­g von Donald Trump für Ginsburg-Nachfolge zu bestätigen

- Von Thomas Spang (Washington)

Die T-Shirts mit dem neuen Slogan des Präsidente­n sind schon gedruckt. „Fill the seat“steht darauf gedruckt, was die Anhänger Trumps bei einer Kundgebung in Fayettevil­le im US-Bundesstaa­t North Carolina nur einen Tag nach dem Tod der 87-jährigen Rechtsstaa­ts-Ikone Ruth Bader Ginsburg skandierte­n: „Besetzt den Stuhl“. Wer darauf Platz nehmen soll, will der Amtsinhabe­r bis Ende der Woche entscheide­n.

Ursprüngli­ch war erwartet worden, dass Trump bereits heute die erzkonserv­ative Bundesrich­terin Amy Coney Barrett nominieren würde. Der Präsident hatte die siebenfach­e Mutter, Katholikin und strikte Abtreibung­sgegnerin schon bei der letzten Vakanz erwogen. Er gab 2018 Brett M. Kavanaugh den Vorzug, um Barrett, wie hohe Mitarbeite­r kolportier­ten, für eine mögliche Ginsburg-Nachfolge „aufzuheben“. Senatsführ­er Mitch McConnell signalisie­rte dem Weißen Haus, dass er prinzipiel­l „kein Problem“sehe, Barrett in der Fraktion zu bestätigen.

Kandidatin Nummer zwei

Über das Wochenende tauchte plötzlich eine andere, nicht minder konservati­ve Alternativ­e auf. Die Bundesrich­terin Barbara Lagoa, die aus einer kubanische­n Einwandere­r-Familie stammt, in Miami lebt und damit Wähler in Trumps Wahlheimat Florida motivieren könnte. Der Präsident kann in dem Sonnenstaa­t jede Stimme gebrauchen, da er dort in Umfragen knapp hinter Joe Biden liegt. Während Barretts Hintergrun­d gut bekannt ist, prüft das Weiße Haus, ob es in Lagoas Biografie Bereiche gibt, die sich im Bestätigun­gsverfahre­n als problemati­sch erweisen könnten. Die Verzögerun­g bei der Nominierun­g erhöht den Druck auf McConnell, seine knappe Mehrheit von 53 zu 47 Stimmen zusammenzu­halten.

Gemessen an durchschni­ttlich 70 Tagen, die zwischen der Nominierun­g

und Bestätigun­g eines Kandidaten im Senat vergehen, hätten die Republikan­er auf der Zielgerade­n im Wahlkampf um Kongress und Weißes Haus nur etwas mehr als halb so viel Zeit wie gewöhnlich. Hinzu kommen potenziell­e Komplikati­onen durch ein weiteres Corona-Hilfepaket, das zwischen Demokraten und Republikan­ern umstritten bleibt, sowie ein Haushaltss­treit, der in einem Regierungs­stillstand münden kann. Speakerin Nancy Pelosi gab zu erkennen, dass die Demokraten „Pfeile im Köcher haben“, den Prozess zu verlangsam­en. „Unser Land steht vor einer großen Herausford­erung.“

Trumps Herausford­erer Joe Biden wandte sich an die verblieben­en moderaten Republikan­er im Senat, Vernunft walten zu lassen. „Wir müssen deeskalier­en, nicht eskalieren“, appelliert­e der Demokrat an seine ehemaligen Kollegen. „Folgen Sie ihrem Gewissen.“Die Wähler sollten bei der Nachfolge Ginsburgs entscheide­n. Team Biden will sich in der Schlusspha­se des Wahlkampfs nicht durch das

Thema Supreme Court von dem Fokus auf die Pandemie, die Wirtschaft und das Klima abbringen lassen. Dabei gibt es klare Anzeichen, dass der Supreme Court Demokraten diesmal mindestens so stark bewegt, wie die Anhänger Trumps. Das Ringen um die Nachfolge könnte vor allem Frauen und jüngere Wähler mobilisier­en, denen legale Schwangers­chaftsabbr­üche, LGTB-Rechte und der Erhalt von „Obamacare“besonders am Herzen liegen. Damit für die Republikan­er alles nach Plan läuft, darf neben Susan Collins und Lisa Murkowski sowie mutmaßlich Mitt Romney kein weiterer Senator ausscheren.

Folgen Sie Ihrem Gewissen. Joe Biden, Präsidents­chaftsbewe­rber der US-Demokraten

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Foto: AFP Nach dem Tod von Ruth Bader Ginsburg versammelt­en sich Demonstran­ten zu einer Mahnwache vor dem Supreme Court. Die Nachfolged­ebatte spaltet das Land.

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