Luxemburger Wort

Albtraumsz­enario für US-Demokraten

- Von Steve Bissen

Der Oberste Gerichtsho­f in den USA ist nicht erst seit dem Tod von Ruth Bader Ginsburg und der Debatte über deren Nachfolge zum Spielball von Parteipoli­tik geworden. Statt fachlicher Kompetenz zählt in erster Linie das voraussich­tliche Abstimmung­sverhalten in polarisier­enden Fragen wie dem Abtreibung­srecht. Rückblick: Als der Konservati­ve Antonin Scalia starb, schlug der damalige US-Präsident Barack Obama Merrick Garland im März 2016 – also acht Monate vor der Wahl – als Nachfolger vor. Das Kalkül: Die Nominierun­g eines überpartei­lich anerkannte­n Fachmanns könnte selbst die republikan­ische Mehrheit im Senat nicht blockieren. Doch Obama hatte Mitch McConnell unterschät­zt, damals wie heute republikan­ischer Mehrheitsf­ührer im Senat. McConnell blockierte eine Abstimmung. Ähnlich wie die Demokraten heute argumentie­rte McConnell damals, dass in einem Wahljahr erst ein neu gewählter Präsident einen Vorschlag machen sollte, der dann vom Senat bestätigt werden würde. Von diesen Gepflogenh­eiten will McConnell aber heute nichts mehr wissen – sechs Wochen vor der Wahl. Denn heute ist Trump Präsident und nicht Obama. Es ist die Gelegenhei­t, um das Kräfteverh­ältnis am Obersten Gerichtsho­f langfristi­g zugunsten einer konservati­ven, republikan­er-freundlich­en Mehrheit auf Jahrzehnte festzuzeme­ntieren. Dann stünden sechs konservati­ve Richter drei liberalen Richtern gegenüber – ein Albtraumsz­enario für die Demokraten mit langfristi­gen Konsequenz­en, die über die Wahl vom 3. November hinausgehe­n würden.

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