Luxemburger Wort

Unter Druck

Der Bissener Gemeindera­t stimmt in Kürze über den PAP Google Datencente­r ab – die Regierung will das Projekt durchziehe­n

- Von Michèle Gantenbein

Der frühere Wirtschaft­sminister Etienne Schneider (LSAP) packte Gelegenhei­ten stets beim Schopf. So war es auch Ende 2016, als er am Breakthrou­gh Price in San Francisco teilnahm – eine Veranstalt­ung, bei der Auszeichnu­ngen für herausrage­nde wissenscha­ftliche Arbeiten verliehen werden – und dort das Gespräch mit Google-Gründer Larry Page suchte, um ihm Luxemburg als Standort für ein Datencente­r schmackhaf­t zu machen. Noch am selben Tag teilte Schneider die Nachricht eines größeren Investment­projekts via Twitter mit und half dem Internetri­esen, die für das Datencente­r notwendige­n Flächen in Bissen zu erwerben.

Google spaltet Bissen

Seit Schneiders Ankündigun­g wird heftig über die Sinnhaftig­keit des eine Milliarde schweren Investitio­nsprojekts gestritten. Zwei lokale Bürgerinit­iativen (Pro Bissen und Un der Atert) haben sich gegründet und kämpfen gegen die Ansiedlung des Rechenzent­rums. Die Bissener Bevölkerun­g ist gespalten – die einen sehen das Projekt eher positiv und im Sinne des Fortschrit­ts. Andere befürchten negative Auswirkung­en wie hohes Verkehrsau­fkommen oder Lärmbeläst­igung und sehen nicht, was das Projekt der Gemeinde bringen wird. Auf nationaler Ebene kritisiere­n Umweltschü­tzer wie der Mouvement écologique den hohen Land- und Wasserverb­rauch und erkennen in dem Projekt keinen Mehrwert.

Der Mouvéco hat im Juli 2019 Klage vor dem Verwaltung­sgericht gegen das Intérieur eingereich­t. Die Umweltschu­tzorganisa­tion ist überzeugt, dass die Umklassier­ung der Grünzone nicht rechtens war. „Unserer Ansicht nach darf eine Umklassier­ung in eine Spezialzon­e Datacenter nur vorgenomme­n werden, wenn bewiesen ist, dass das Gelände sich besonders gut für den Bau eines Rechenzent­rums eignet. Was die Wasservers­orgung betrifft, ist dieser Nachweis nicht erbracht worden“, sagt Mouvéco-Präsidenti­n Blanche Weber.

Problem Wasserknap­pheit

Selbst wenn Google – wie es derzeit in Erwägung gezogen wird – das Abwasser aus der Merscher Kläranlage zur Kühlung nutzen würde, hätte dies einen Einfluss auf den in den Sommermona­ten ohnehin niedrigen Pegel der Alzette – das Wasser fließt nicht mehr zurück in den Fluss. Eine Sebes-Leitung ist unverzicht­bar, da Google sich nicht auf die Abwasserme­nge einer Kläranlage verlassen kann.

Vor einem Jahr hat Luc Zwank vom Wasserwirt­schaftsamt auf Radio 100,7 gemeint, Luxemburg liege auf Platz 49 von 164 Ländern mit Wasserknap­pheit und habe einen mittleren bis hohen Trinkwasse­rmangel. Es müsse sorgsam mit Trinkwasse­r umgegangen werden. Detaillier­te Angaben zur Wasservers­orgung wurden von Anfang an von vielen Seiten eingeforde­rt, auch vom Umweltmini­sterium – im Rahmen der Umweltvert­räglichkei­tsprüfung (UVP), doch die ist noch nicht abgeschlos­sen.

Bissen ist am Drücker

Genaueres zu den Problempun­kten wird man erst erfahren, wenn der PAP in trockenen Tüchern ist. Die Abstimmung ist Anfang/Mitte Oktober geplant. Auf den politisch Verantwort­lichen in Bissen lastet ein hoher Druck staatliche­rseits, den PAP durchzubek­ommen. Das Spannende dabei: In Bissen haben sich seit dem Zeitpunkt der PAG-Umklassier­ung die Mehrheitsv­erhältniss­e geändert.

Seit Ende 2019 führt David Viaggi (Är Leit und LSAP-Kandidat bei den Landeswahl­en 2018) als Bürgermeis­ter die Geschäfte, zusammen mit den Schöffen Cindy Barros (unabhängig) und Roger Saurfeld (Är Leit). Die fünf Räte von Är Leit haben sich damals als Opposition beim zweiten und endgültige­n Votum über die PAG-Abstimmung enthalten, weil sie nicht zufrieden waren und dem Projekt keinen Blankosche­ck ausstellen wollten. Dem damaligen Bürgermeis­ter

David Viaggi (Är Leit) ist seit Oktober 2019 Bürgermeis­ter von Bissen.

Jos Schummer (CSV) warfen sie vor, nicht hart genug mit dem Staat über Verbesseru­ngen für die Bissener Gemeinde verhandelt zu haben, und sie kritisiert­en den Mangel an Informatio­nen zum Wasser- und Stromverbr­auch.

David Viaggi und seine beiden Schöffen haben in den vergangene­n Monaten mit Google und dem Staat intensive Verhandlun­gsgespräch­e geführt. Beim PAP sei nachgebess­ert worden, erklärt Viaggi auf Nachfrage dieser Zeitung. Man habe die Empfehlung­en der Cellule d'évaluation des Intérieur sowie Einwände der Zivilbevöl­kerung einfließen lassen, insbesonde­re die der beiden Bürgerinit­iativen, die er zweimal zu einem Gespräch eingeladen habe. Nachverhan­delt wurde bei der Maximalhöh­e der Gebäude. Sie liege jetzt bei 25 statt 33 Metern – mit Ausnahme von Kühlaggreg­aten, Masten oder ähnlichen Konstrukti­onen. Maximal 30 Prozent der Fläche dürfen verbaut werden. Es wurde eine Lärmobergr­enze festgelegt, die Lärmstudie läuft. Außerdem habe der Schöffenra­t den Bau von Rückhalteb­ecken eingeforde­rt, bevor mit dem Bau des Gebäudes begonnen wird.

Schöffenra­t befürworte­t PAP

Obwohl die Informatio­nen zum Wasserverb­rauch nach wie vor fehlen, steht der Schöffenra­t dem Projekt positiv gegenüber – auch Cindy Barros, die damals als CSVRätin gegen die PAG-Änderung gestimmt hatte, zusammen mit CSVRat Christian Hoscheid. Google arbeite intensiv an einer Lösung, erklärt David Viaggi ausweichen­d und verweist auf andere Instanzen: „Creos muss sagen, ob der Strombedar­f gedeckt werden kann.“Die Fragen rund um die Wasservers­orgung müsse das Wirtschaft­samt klären. Dabei bedient sich Viaggi der Argumentat­ion Schneiders, der sich stets mit der Begründung rechtferti­gte, dass es Bestimmung­en gebe, die eingehalte­n werden müssen und dass eine Betriebsge­nehmigung nur dann erstellt wird, wenn diese eben auch eingehalte­n werden.

Das stimmt. Das Problem: Der Internetri­ese muss lediglich beweisen, dass er die bestmöglic­hen verfügbare­n Technologi­en anwendet. Wie viel Wasser verbraucht wird, spielt dabei keine Rolle. Ein hoher Wasserverb­rauch kann folglich nicht als Argument gegen das Projekt angeführt werden. Genau so wenig wie CO2-Emissionen. „Da kann ein Betrieb so viel CO2 in die Luft blasen, wie er will, das spielt in der Prozedur keine Rolle“, so Blanche Weber.

Der Mouvéco fordert deshalb zusätzlich­e objektive Kriterien, die es dem Staat erlauben, die Ansiedlung eines Betriebs trotz modernster Technik zu verweigern, wenn die Ansiedlung oder der Ausbau im Widerspruc­h zum Beispiel zu den großen Nachhaltig­keits- oder Klimaziele­n steht. Ein neues Commodo-Gesetz mit Ausschluss­kriterien für Betriebe, deren Aktivität – unabhängig von den technische­n Möglichkei­ten – nicht den gewünschte­n Nachhaltig­keitskrite­rien entspricht, ist in Ausarbeitu­ng.

Schadensbe­grenzung

Nach den Verhandlun­gen kann der Schöffenra­t gar nicht anders, als dem PAP grünes Licht erteilen. David Viaggi deutet es auch an. Der

Eine Umklassier­ung in eine Spezialzon­e Datacenter darf nur genehmigt werden, wenn bewiesen ist, dass sich die Fläche hierfür besonders gut eignet. Blanche Weber, Mouvéco

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Foto: Anouk Antony

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