Ohne gesetzliche Grundlage
Zwei von der Douanesgewerkschaft in Auftrag gegebene Gutachten bewerten die Grenzkontrollen in der Corona-Krise als illegal
Die Europäische Union wurde während der Corona-Krise buchstäblich an ihre Grenzen geführt; mehrere Länder führten wieder Grenzkontrollen ein, darunter Deutschland. Das merkten auch viele Luxemburger, die im Nachbarland einkaufen oder Freunde besuchen wollten und beim Grenzübertritt mehrere persönliche Daten angeben mussten. Es kam sogar zu Fällen, bei denen die Einreise verweigert wurde. Die Kontrollen wurden sowohl auf dem Territorium der Bundesrepublik als auch des Großherzogtums durchgeführt. In zwei von der Douanesgewerkschaft in Auftrag gegebenen Gutachten werden diese Kontrollen durch den Zoll nun als illegal bezeichnet.
Bereits im Mai hatte Lynn Luciani, Präsidentin der Douanesgewerkschaft, die Legalität der Kontrollen infrage gestellt. Der Anwalt Marc Kohnen kam in seinen juristischen Gutachten zu demselben Schluss. Bei den Kontrollen mussten die betroffenen Personen ihren Vor- und Nachnamen, das Geburtsdatum sowie den Grund ihrer Reise angeben. Außerdem wurden die Fahrzeugkennzeichen notiert.
Es sei aber nicht notwendig gewesen, all diese Informationen zu sammeln, damit die Beamten ihre Aufgabe, den Grund des Grenzübertritts zu erfassen, erfüllen konnten. Die Anweisungen der luxemburgischen Zollbeamten waren deckungsgleich mit denen ihrer deutschen Kollegen und basierten auf einem Dokument namens „Anlage 18 zum Einsatzbefehl Nr. 5“.
In den Gutachten geht es auch um die gesetzliche Basis der Kontrollen an sich. Kohnen verweist hier auf die Antworten des zuständigen Finanzministers Pierre Gramegna (DP) auf zwei parlamentarische Fragen von Léon Gloden (CSV) und Sven Clement (Piraten). Laut Gramegna waren die Kontrollen durch mehrere Gesetze respektive Abkommen abgedeckt, was der Jurist jedoch anders sieht.
Als legale Basis wird unter anderem eine Konvention zwischen den Benelux-Staaten, Deutschland und Frankreich vom 14. Juni 1985 angeführt. Darin heißt es in Bezug auf die Kompetenzen der Zollbeamten „Toutefois elles peuvent procéder par sondage à des contrôles plus approfondis.“Gleichzeitig
müssten diese jedoch auf speziell eingerichteten Flächen so durchgeführt werden, dass sie den Verkehrsfluss nicht behindern. Für den Gutachter stellt dieses Gesetz keine Basis für systematische Kontrollen dar.
Gramegna führt ebenfalls ein Gesetz vom 9. Juni 1994 an, das es den Zollbeamten erlaubt, verschiedene Aufgaben der Polizei zu übernehmen. Demzufolge dürfen Personenkontrollen an den Grenzen vorgenommen werden, wenn sie einerseits zeitlich begrenzt sind und andererseits die öffentliche Ordnung respektive die nationale Sicherheit bedroht ist. Während die erste Bedingung erfüllt gewesen sei, habe die Regierung zu keinem Moment erklärt, dass zum Schutz der nationalen Sicherheit Personen an der Ausreise gehindert werden müssten.
„Es war nicht niemand“
Lynn Luciani erklärte gestern auf Nachfrage, dass die Douanesgewerkschaft keine juristischen Schritte auf Basis der Gutachten plant. Man hoffe jedoch, dass sich ein solches Vorgehen nicht noch einmal wiederholt. Außerdem wird sich eine Stellungnahme der Verantwortlichen erwartet: „Justizministerin Sam Tanson (Déi Gréng) sagt, sie habe den Einsatz nicht angeordnet und Pierre Gramegna sagt dasselbe, aber es war nicht niemand.“Es sei unzumutbar, Beamte auf eine Mission ohne legale Grundlage zu schicken.
Zu einem Rechtsstreit kommt es jedoch rund um die Arbeitszeiten bei der Douane. Bereits seit einem Jahr liege ein Abkommen auf dem Tisch, das nicht umgesetzt werde, weil auf eine Änderung des Gesetzes gewartet werde. Es bedürfe jedoch einer Übergangslösung. Auch Streikmaßnahmen schließt die Gewerkschaft nicht aus. MaH