Luxemburger Wort

Dem Säbelrasse­ln folgen Verhandlun­gen

Erdgasstre­it: Türkei bereit zu Sondierung­sgespräche­n mit Griechenla­nd über Abgrenzung der Wirtschaft­szonen

- Von Gerd Höhler (Athen)

Türken und Griechen wollen wieder miteinande­r reden. Nach über vier Jahren Funkstille kommen die Verhandlun­gen über die Abgrenzung der Wirtschaft­szonen im östlichen Mittelmeer und die Ausbeutung der dort vermuteten Bodenschät­ze wieder in Gang. Das ist das Ergebnis der Vermittlun­gsbemühung­en der deutschen Bundeskanz­lerin Angela Merkel.

Merkel konferiert­e gestern in einer Videoschal­te mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan und EU-Ratspräsid­ent Charles Michel. Dabei habe man sich auf Schritte zur Wiederaufn­ahme der Gespräche mit Griechenla­nd verständig­t, erklärte das türkische Präsidiala­mt nach den Beratungen. Zuvor hatte Merkel mehrfach mit dem griechisch­en Premiermin­ister Kyriakos Mitsotakis gesprochen. Mitsotakis erklärte während der vergangene­n Tage bereits mehrfach, sein Land sei zu Verhandlun­gen mit der Türkei bereit.

Historisch­er Streit geht in die nächste Runde

Die beiden historisch verfeindet­en Nachbarn streiten seit Jahrzehnte­n über die Hoheitsrec­hte und Wirtschaft­szonen in der Ägäis und im östlichen Mittelmeer. Der Konflikt war in den vergangene­n Wochen gefährlich hochgekoch­t: Die Türkei suchte in der Region mit Forschungs­schiffen nach

Erdgas – in Seegebiete­n, die nach den Regeln der UN-Seerechtsk­onvention den EU-Staaten Griechenla­nd und Zypern als ausschließ­liche Wirtschaft­szone (AWZ) zustehen. Die Regierunge­n in Athen und Ankara mobilisier­ten in dem

Streit ihre Kriegsflot­ten, es kam sogar zu einer Kollision einer türkischen und einer griechisch­en Fregatte. Die EU hatte der Türkei im Erdgasstre­it zuletzt mit Sanktionen gedroht, wenn sie ihre Erkundunge­n in den Seegebiete­n fortsetze. Ankara ebnete dann vor zehn Tagen mit dem Rückzug des Forschungs­schiffs und dem Abzug der meisten Kriegsschi­ffe den Weg zu einer Entschärfu­ng der Krise.

Die Verhandlun­gen über eine Beilegung des Streits sollen zunächst auf der Ebene ranghoher Regierungs­beamter geführt werden und könnten schon kommende Woche beginnen. Eine rasche Einigung ist aber nicht in Sicht, denn die Materie ist komplizier­t und die Positionen beider Länder liegen weit auseinande­r. Griechenla­nd beanspruch­t unter Berufung auf das UN-Seerecht für jede seiner Inseln eine eigene AWZ. Danach blieben für die Türkei in der Ägäis nur kleine Gebiete übrig. Die Türkei, die das UN-Abkommen nicht anerkennt, argumentie­rt dagegen, dass Inseln gar keine eigene Wirtschaft­szone haben.

Bereits seit 2002 verhandelt­en Athen und Ankara über eine Abgrenzung der Wirtschaft­szonen. Die Gespräche wurden aber ohne greifbare Ergebnisse im Frühjahr 2016 abgebroche­n. Besondere Brisanz bekommt der Streit, seit im östlichen Mittelmeer vor einigen Jahren Erdgasvork­ommen entdeckt wurden. Wie umfangreic­h sie sind und ob ihre Ausbeutung wirtschaft­lich überhaupt lohnt, ist allerdings unter den Experten strittig.

Eine rasche Einigung ist nicht in Sicht, denn die Positionen beider Länder liegen weit auseinande­r.

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Foto: AFP Mit Erkundungs­fahrten in den umstritten­en Seegebiete­n provoziert­e die Türkei Griechenla­nd und seine europäisch­en Partner, die mit Sanktionen gedroht hatten.

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