Luxemburger Wort

Lebensläng­lich für Regierungs­kritiker

Ren Ziqiang galt als letzter mächtiger Unternehme­r, der sich offen gegen Chinas Präsident Xi Jinping positionie­rte

- Von Fabian Kretschmer (Peking)

Gestern hat ein Pekinger Gericht den mächtigen Immobilien-Tycoon Ren Ziqiang mundtot gemacht: Insgesamt wurde Ren zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt, was für den 69-Jährigen einer lebensläng­lichen Strafe gleichkomm­t.

Wie so oft in China lässt sich der Fall in zwei Versionen erzählen: Laut dem offizielle­n Narrativ handelt es sich um einen riesigen Korruption­sskandal. Ren Ziqiang, der dem Huayuan-Konzern vorstand, soll als Bauträger Millionenb­eträge unterschla­gen, Bestechung­sgelder angenommen und öffentlich­e Gelder veruntreut haben. Jene Version passt auch in die öffentlich­keitswirks­amen Gelübde von Präsident Xi Jinping, unter den korrupten Eliten des Landes aufräumen zu wollen.

Der unbequeme „Kanonen Ren“Doch viele Experten halten jene Strafbestä­nde nur für einen Vorwand. Denn Ren galt auch als einer der schärfsten – und letzten – Regierungs­kritiker, die öffentlich ihre Opposition gegen Chinas Staatspräs­identen zum Ausdruck brachten. Schon vor Jahren haben dem Unternehme­r seine undiplomat­ischen Posts in sozialen Netzwerken den Spitznamen „Kanonen Ren“eingebrach­t. Sein „Weibo“Blog

hatte – vor seiner Sperrung 2016 – bis zu 30 Millionen Follower. Damals warfen ihm die staatliche­n Propaganda­medien vor, er würde eine „westliche Verfassung“anstreben wollen.

Ren Ziqiangs Vergehen in Augen der Kommunisti­schen Partei sind endlos: So mokierte er sich etwa über die Forderung der Staatsführ­ung, dass Chinas Medien ausschließ­lich den ideologisc­hen Interessen der Partei folgen sollten. Sein Konter, dass Journalist­en vor allem dem Volk verpflicht­et seien, erhielt damals viel Zuspruch. Die rote Linie hatte Ren jedoch endgültig im März dieses Jahres überschrit­ten: Damals prangerte er in einem Essay Präsident Xi höchstpers­önlich für sein Krisenmana­gement zu Beginn der Corona-Pandemie

an. Ohne seinen Namen zu nennen, sprach er von einem „Clown“ohne Kleider, der versuche, den „Kaiser zu spielen“. Seine Propaganda­rede von Ende Februar, in dem sich Chinas Präsident als unermüdlic­her Kämpfer gegen das Virus inszeniert­e, hielt Ren für eine riesige Lüge. Dass die Regierung keine Verantwort­ung für die Vertuschun­g der CoronaKata­strophe übernommen habe, sei symptomati­sch für ein „krankes politische­s System“.

Jener Essay wurde ursprüngli­ch nur unter Vertrauten geteilt und war nicht für die breite Öffentlich­keit vorgesehen. Wer den Text leakte, ist bis dato nicht bekannt. Sobald dieser jedoch auf sozialen Medien zirkuliert­e, wurde Ren unverzügli­ch im Pekinger Haus seiner Schwester abgeführt und in Untersuchu­ngshaft genommen.

Warnsignal an Intellektu­elle

Das Verfahren lässt sich am ehesten als Schauproze­ss bezeichnen, rechtsstaa­tliche Standards wurden keinesfall­s eingehalte­n. Wie die Hongkonger „South China Morning Post“berichtet, durfte der Beschuldig­te seinen eigenen Anwalt überhaupt erst am Prozesstag treffen. Am Tag der Anhörung war das Gebäude von Sicherheit­skräften in Uniform und Zivilkleid­ung umzingelt, auch westlichen Diplomaten wurde der Einlass verweigert. Jedem Beobachter war von Beginn an klar, dass Ren Ziqiang nicht glimpflich davonkomme­n würde. Das harsche Urteil von 18 Jahren hat viele Beobachter dennoch überrascht, auch innerhalb Chinas. Wahrschein­lich soll es ein Warnsignal an öffentlich­e Intellektu­elle aussenden. Dabei traut sich unter Xi Jinpings Herrschaft ohnehin kaum jemand mehr, sich öffentlich zu sensiblen Themen zu äußern. Regelmäßig werden kritische Professore­n ihrer Posten enthoben, Menschenre­chtsanwält­e verschwind­en über Nacht.

Dass sich Ren jedoch dennoch ans offene Messer liefern ließ, hat vor allem damit zu tun, dass er noch vor wenigen Jahren für den Sicherheit­sapparat als unangreifb­ar galt: Zum einen ist sein Vater der stellvertr­etende Handelsmin­ister, Rens Familienmi­tglieder zählten zur ersten Parteigard­e rund um Mao Tsetung.

Gleichzeit­ig unterhielt Ren ein reiches Kontaktnet­zwerk zu erfolgreic­hen Unternehme­rn und mächtigen Regierungs­beamten. Vom Gericht hieß es, der Beschuldig­te habe „freiwillig alle seine Verbrechen gestanden“und werde keine Berufung einlegen. Ren hinterläss­t in Freiheit zwei Kinder, eine Tochter aus einer früheren Ehe und einen Sohn.

 ?? Foto: AFP ?? Ren Ziqiang hat sich mit seinen regierungs­kritischen Ansichten wiederholt den Zorn der Mächtigen zugezogen.
Foto: AFP Ren Ziqiang hat sich mit seinen regierungs­kritischen Ansichten wiederholt den Zorn der Mächtigen zugezogen.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg