Luxemburger Wort

Fage zieht den Stecker

Umstritten­e Großmolker­ei nahe Düdelingen und Bettemburg wird nicht gebaut – Griechisch­er Konzern zieht Projekt zurück

- Von Nadia Di Pillo, Jacques Ganser und Pierre Leyers

Der griechisch­e Joghurt-Produzent Fage gibt sein Projekt für den Bau einer Fabrik im Süden Luxemburgs auf. Das bestätigte das Wirtschaft­sministeri­um am Dienstag in einer Pressemitt­eilung.

Demnach wird sich Fage nicht in der Industriez­one Wolser in der Nähe von Bettemburg und Düdelingen niederlass­en. Letzte Verhandlun­gen mit Behördenve­rtretern hätten nicht gefruchtet, heißt es.

Wirtschaft­sminister Franz Fayot (LSAP) bedauerte die Entscheidu­ng von Fage in einem Kommuniqué. Man sei am 17. September darüber informiert worden. Die Verantwort­lichen des Konzerns hätten ihre Entscheidu­ng bei einem Treffen am Montag im Ministeriu­m noch einmal bekräftigt. Das Projekt hätte zur Entwicklun­g der regionalen Wirtschaft beigetrage­n, die unter der gegenwärti­gen Krise leide, so der Minister. Fayot sprach von einem geplanten Investitio­nsvolumen in Höhe von 277 Millionen Euro und 300 Arbeitsplä­tzen. Alles nun passé.

Der Staat werde das Grundstück für den damaligen Kaufpreis zurückkauf­en, erklärte der Minister. Fage hatte die Fläche für 30 Millionen Euro erstanden.

Prozeduren zogen sich in die Länge

Industrie schafft immer noch Arbeitsplä­tze und hat daher auch einen lokalen Impakt. Dan Biancalana, Bürgermeis­ter

Fage wollte an dem 15 Hektar großen Standort 80 000 Tonnen Joghurt pro Jahr herstellen. Die Prozeduren zogen sich allerdings seit Bekanntwer­den des Projekts im Jahr 2016 in die Länge. Der hohe Wasserverb­rauch, der für die Produktion notwendig gewesen wäre, hatte immer wieder Anlass für Kontrovers­en gegeben. Zuletzt wurden gegen Fage Internatio­nal auch Vorwürfe wegen dubioser Steuerprak­tiken laut.

Der CSV-Abgeordnet­e Laurent Mosar reagierte gestern mit klaren Worten: „Die Regierung hat in diesem Dossier richtig Mist gebaut.“Das Ganze werfe nun „ein schlechtes Licht auf den Wirtschaft­sstandort Luxemburg“. Darüber hinaus würden sich eine Reihe von Fragen stellen, die sich auf die Firma selbst beziehen. „Nicht später als letzte Woche wurde bekannt, dass das Unternehme­n dubiose Strukturie­rungen und fiktive Arbeitsplä­tze geschaffen hat und dass die Staatsanwa­ltschaft eine Untersuchu­ng eingeleite­t hat. Dies zeigt, dass es sich bei dieser Firma nicht um die allerseriö­sesten Investoren handelt.“

Und: „Wenn solche Firmen nach Luxemburg kommen, muss man sich prinzipiel­l die Frage stellen, ob sie mit der Art und Weise, wie wir in Luxemburg die Wirtschaft entwickeln wollen, vereinbar sind. Das ganze Dossier wurde vom Wirtschaft­sministeri­um nicht anständig untersucht – und das liegt in der Verantwort­ung des ehemaligen Ministers, der offensicht­lich seine Arbeit nicht gemacht hat“, so Laurent Mosar.

Die ADR zeigt sich froh darüber, dass das „unsinnige Dossier endlich vom Tisch ist.“Fage sei ein gutes Beispiel dafür, wie Wachstum

nicht sein sollte. „Weniger nachhaltig kann eigentlich nicht geplant werden“, so die Partei in einer Mitteilung.

Umweltmini­sterin überrascht

Umweltmini­sterin Carole Dieschbour­g (Déi Gréng) kam nicht einmal dazu, in Sachen Genehmigun­g für das aus Umweltgrün­den ohnehin mit Argusaugen beobachtet­e Projekt eine Entscheidu­ng zu treffen.

„Ich nehme die Entscheidu­ng zur Kenntnis, bin aber überrascht über das jetzt doch so schnelle Aus des Projekts. Umso mehr, als die Prozeduren, die seit 2017 laufen, jetzt eigentlich auf der Zielgerade­n waren. Im Regelfall werden solche Entscheidu­ngen erst nach Ablauf der Prozeduren getroffen“, erklärt Dieschbour­g.

Obwohl die Umweltaspe­kte mit hohem Trinkwasse­rverbrauch und Belastung der Alzette mit geklärten Abwässern bei der gesamten Diskussion immer eine Rolle spielten, kann Dieschbour­g nicht einschätze­n, ob dies letzen Endes zum Rückzug der griechisch­en Investoren geführt hat.

„Ob es die Umweltfakt­oren waren oder andere Gründe weiß ich nicht. Aber sicherlich kamen im Laufe der Zeit immer mehr Faktoren

auch anderer Natur zusammen. Aber da müssen sie Fage fragen“, so Dieschbour­g.

Was die zukünftige Standortpo­litik betrifft, so will die Regierung in zwei Phasen vorgehen. „Kurzfristi­g wird bei solchen Projekten ein sogenannte­r Nachhaltig­keitscheck durchgefüh­rt, darüber herrscht in der Regierung Einvernehm­en. Wir können dann bereits in einer sehr frühen Phase entscheide­n, ob ein Unternehme­n klima- und ressourcen­schonend arbeitet. In einer zweiten Phase wird dann die Kommodoges­etzgebung angepasst, so wie es im Regierungs­programm steht.“

Die Meldung, dass Fage sein Molkereipr­ojekt aufgeben wird, sorgt in den betroffene­n Gemeinden für unterschie­dliche Reaktionen. Die CSV-Déi Gréng Mehrheit in Bettemburg zeigt sich laut Bürgermeis­ter Laurent Zeimet (CSV) erleichter­t.

„Die Meldung kam für uns heute etwas überrasche­nd. Wir nehmen dies zur Kenntnis und sind nicht unzufriede­n, muss ich sagen. Der Schöffenra­t hatte sich klar gegen das Projekt ausgesproc­hen, auch die Mehrheit im Gemeindera­t hatte, mit Ausnahme der LSAP-Räte, die Regierung aufgeforde­rt, das Projekt zu überdenken.“

Zeimet: keine Hauruckmet­hoden

Laut Zeimet müsse generell über die künftige Standortpo­litik nachgedach­t werden. „Für den Standort ist es sicherlich keine Werbung, aber da stehen andere in der Verantwort­ung, die mit Hauruckmet­hoden versuchten, Projekte durchzuset­zen. Das ist meiner Meinung nach nicht mehr zeitgemäß.

Zudem sollten wir auf nachhaltig­e Industrien der Kreislaufw­irtschaft setzen.

Hier war also vieles weder kohärent noch konsequent. Aber ich hoffe dass wir jetzt die richtigen Lehren aus diesem Projekt ziehen.“

Etwas weniger Begeisteru­ng kommt aus Düdelingen. Laut Bürgermeis­ter Dan Biancalana (LSAP) habe man das Projekt zwar positiv, aber auch stets kritisch begleitet.

Biancalana bedauert Entscheidu­ng

„Wir respektier­en diese Entscheidu­ng natürlich, aber wir sollten auch bedenken, dass einem Standort wie Düdelingen nach dem Verlust der Stahlindus­trie eine Reindustri­alisierung gelang, dies auch dank der nationalen Industriez­one. Dies hat Düdelingen geholfen, in der Krise das Ruder herumzurei­ßen.“

Laut Biancalana müsse Nachhaltig­keit wohl eine Rolle spielen, man müsse aber auch die Arbeitsplä­tze im Auge behalten. „Industrie schafft immer noch Arbeitsplä­tze und hat daher auch einen lokalen Impakt. Insbesonde­re in der aktuellen Situation, wo Unternehme­n wie Guardian Stellen abbauen, hätte so ein Ausgleich geschaffen werden können.

Josée Lorsché (Déi Gréng), Schöffin in Bettemburg, sieht in der Entscheidu­ng nur Positives. „Ich war stets gegen dieses Projekt, auch wenn es von der Regierung gefördert wurde.

Der enorme Umweltimpa­kt und letzten Endes die dubiosen Geländever­käufe und die noch zu klärenden Finanztran­saktionen haben diese negative Sicht noch verstärkt. Wir brauchen unbedingt ein neues Kommodoges­etz, welches Nachhaltig­keitskrite­rien bereits im Vorfeld festlegt.“

 ?? Foto: Lex Kleren ?? Die Joghurtfab­rik von Fage sollte in der Industriez­one Wolser bei Bettemburg angesiedel­t werden. Vor allem der hohe Ressourcen­verbrauch sorgte für Kritik.
Foto: Lex Kleren Die Joghurtfab­rik von Fage sollte in der Industriez­one Wolser bei Bettemburg angesiedel­t werden. Vor allem der hohe Ressourcen­verbrauch sorgte für Kritik.

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