„Eher Marathonlauf als Sprint“
Nicht zuletzt die Corona-Krise treibt die Digitalisierung in Luxemburgs Banken an
Bisher kann die Corona-Pandemie den Banken im Großherzogtum noch nicht viel anhaben. „Natürlich ist es noch zu früh, um das endgültig beurteilen zu können, aber bisher sind die Auswirkungen der Krise auf den luxemburgischen Bankensektor eher gering“, sagt Roxane Haas, als Partner bei der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) für die Bankenbranche zuständig. „Es könnte natürlich sein, dass sich die Krise der Realwirtschaft auf die Qualität der vergebenen Kredite auswirkt, aber auf der Basis der verfügbaren Zahlen und der Gespräche mit Kunden gehen wir davon aus, dass es in Luxemburg – vor allem verglichen mit anderen Ländern – nicht viele Kreditausfälle geben wird.“
Die Corona-Krise traf auf eine Branche, die ohnehin so stark im Wandel war, wie seit Jahrzehnten nicht. Auf der einen Seite belasteten die dauerhaft niedrigen Zinsen die Bilanzen der Banken im Großherzogtum, auf der anderen Seite verlagerten 2019 viele internationale Institute im Hinblick auf den Brexit viele Aktivitäten nach Luxemburg, was in manchen Fällen zu einem kräftigen Anstieg der Bilanzsummen führte. Den stärksten langfristigen Effekt auf die Arbeitsweise der Branche dürfte aber die fortschreitende Digitalisierung haben. Eine Entwicklung, die durch die Covid-Epidemie und die Auswirkungen des Lockdowns noch verstärkt wurde. In der diesjährigen Ausgabe des PwC-Bankenreports legt die Unternehmensberatung daher den Schwerpunkt auf die Innovationstätigkeiten der Banken.
Neue Funktionen
„Die meisten Neuerungen in den IT-Systemen der Banken hat es im vergangenen Jahr im Front Office, also zum Kunden hin, gegeben“, sagt Björn Ebert, ebenfalls Partner bei PwC und einer der Autoren der Studie. Ein Schwerpunkt war es hier, mehr aus den Bankapps herauszuholen und diese kundenfreundlicher zu gestalten. „In der Kommunikation mit den Kunden sind in letzter Zeit enorme Fortschritte erzielt worden. Nicht zuletzt im Lockdown hat sich gezeigt, dass die perfekte App eigentlich die ist, die den Gang zur Filiale komplett überflüssig macht“, sagt Jörg Ackermann, Partner bei der Unternehmensberatung.
Die neue Generation von Apps geht dabei über die klassischen Bankfunktionen wie Überweisungen oder das Abfragen des Kontostandes hinaus und bietet zusätzliche Dienstleistungen, an denen die Bank dann wiederum verdient. Ein Beispiel ist die „Nomi“-Anwendung der Royal Bank of Canada, die dem Kunden basierend auf aktuellen Kontobewegungen ein monatliches Budget für bestimmte Konsumausgaben wie Restaurantbesuche vorschlägt.
Andere Banken ermöglichen mit ihren Apps, dass ihre Kunden auch die Konten bei anderen Finanzhäusern integrieren. „Für den Kunden hat das den Vorteil, dass er mit einer Anwendung den Überblick behält. Die Bank wiederum erhält Einblick in die übrigen Aktivitäten des Kunden“, erklärt Ackermann.
Trotz aller Investitionen in Technologie ist es aber nicht so, dass sich die Banken innerhalb weniger Jahre von einem Nachzügler zu einem Vorreiter in Sachen Digitalisierung gemausert haben. „Die Banken erfinden sich nicht komplett neu, sondern bringen eher mit solchen Innovationen ihre Geschäftspraktiken in klar abgegrenzten Teilbereichen auf den neuesten Stand“, so Ackermann. In anderen Bereichen, vor allem bei klassischen Back-Office-Aktivitäten wie Rechnungslegung kämpfen die Institute nach wie vor mit teilweise veralteten „Legacy“-Systemen. „Die Banken machen langsame Fortschritte auch im Hinblick auf ihre gesamte IT-Architektur, aber es ist eher ein Halbmarathon als ein Sprint“, sagt Ackermann.
Einsatz von Künstlicher Intelligenz
Aber angesichts des Kostendrucks wenden Finanzinstitute zunehmend auch Hochtechnologielösungen
wie Künstliche Intelligenz (KI) an, um Kosten zu sparen und Prozesse effizienter zu machen. „Vor allem wenn es um die Analyse von großen Datenmengen geht, wird Künstliche Intelligenz heute schon produktiv eingesetzt“, sagt Roxane Haas.
So suchen solche Systeme aus einem Wust unstrukturierter Daten aus internen Quellen und aus dem Internet relevante Daten zusammen, um die Kreditwürdigkeit eines Kunden zu bestimmen. Der Prozess wird auf diese Weise deutlich schneller und auch billiger, so Haas. Ebenso nehmen intelligente Algorithmen ihren menschlichen Kollgen heute viel Arbeit ab, wenn es um Betrugserkennung oder das „Onboarding“neuer Kunden geht. In der Zukunft werden KI-Systeme den Banken zunehmend dabei helfen, den enormen „Datenschatz“zu heben, auf dem die Finanzhäuser sitzen.
In der direkten Kommunikation mit dem Kunden findet die neue Technologie zwar langsamer Einzug, aber die Entwicklung der nächsten Jahre ist auch hier absehbar. „Es ist denkbar, dass Kunden bald nicht mehr merken, dass sie mit Chatbots in Kontakt stehen, die von KI gesteuert werden“, sagt Ackermann.
Auch im Bereich der Geschäftskunden geht die Entwicklung dahin, dass die Banken die Fülle an Finanzinformationen über ihre Kunden dazu nutzen, diesen zusätzliche Angebote zu machen. „Gerade kleinere und mittelständische Unternehmen sind in den Bereichen wie Rechnungswesen oder dem Management von Gehaltsabrechnungen dünner aufgestellt als Großunternehmen. Da die Banken Einblicke in die Transaktionsdaten der Firmen haben, können sie so Zusatzangebote machen“, sagt Ebert. So können Banken sich als eine Art Outsourcing-Partner anbieten und solche Tätigkeiten für den Kunden übernehmen oder den Kapitalfluss der Unternehmen für sie managen. „Die mittelständischen Unternehmen können so Geld sparen. Die Banken binden sie als Kunden enger an sich und bringen gleichzeitig die eigenen Finanzprodukte an den Mann“, so Ebert.