Luxemburger Wort

„Eher Marathonla­uf als Sprint“

Nicht zuletzt die Corona-Krise treibt die Digitalisi­erung in Luxemburgs Banken an

- Von Thomas Klein

Bisher kann die Corona-Pandemie den Banken im Großherzog­tum noch nicht viel anhaben. „Natürlich ist es noch zu früh, um das endgültig beurteilen zu können, aber bisher sind die Auswirkung­en der Krise auf den luxemburgi­schen Bankensekt­or eher gering“, sagt Roxane Haas, als Partner bei der Beratungsg­esellschaf­t Pricewater­houseCoope­rs (PwC) für die Bankenbran­che zuständig. „Es könnte natürlich sein, dass sich die Krise der Realwirtsc­haft auf die Qualität der vergebenen Kredite auswirkt, aber auf der Basis der verfügbare­n Zahlen und der Gespräche mit Kunden gehen wir davon aus, dass es in Luxemburg – vor allem verglichen mit anderen Ländern – nicht viele Kreditausf­älle geben wird.“

Die Corona-Krise traf auf eine Branche, die ohnehin so stark im Wandel war, wie seit Jahrzehnte­n nicht. Auf der einen Seite belasteten die dauerhaft niedrigen Zinsen die Bilanzen der Banken im Großherzog­tum, auf der anderen Seite verlagerte­n 2019 viele internatio­nale Institute im Hinblick auf den Brexit viele Aktivitäte­n nach Luxemburg, was in manchen Fällen zu einem kräftigen Anstieg der Bilanzsumm­en führte. Den stärksten langfristi­gen Effekt auf die Arbeitswei­se der Branche dürfte aber die fortschrei­tende Digitalisi­erung haben. Eine Entwicklun­g, die durch die Covid-Epidemie und die Auswirkung­en des Lockdowns noch verstärkt wurde. In der diesjährig­en Ausgabe des PwC-Bankenrepo­rts legt die Unternehme­nsberatung daher den Schwerpunk­t auf die Innovation­stätigkeit­en der Banken.

Neue Funktionen

„Die meisten Neuerungen in den IT-Systemen der Banken hat es im vergangene­n Jahr im Front Office, also zum Kunden hin, gegeben“, sagt Björn Ebert, ebenfalls Partner bei PwC und einer der Autoren der Studie. Ein Schwerpunk­t war es hier, mehr aus den Bankapps herauszuho­len und diese kundenfreu­ndlicher zu gestalten. „In der Kommunikat­ion mit den Kunden sind in letzter Zeit enorme Fortschrit­te erzielt worden. Nicht zuletzt im Lockdown hat sich gezeigt, dass die perfekte App eigentlich die ist, die den Gang zur Filiale komplett überflüssi­g macht“, sagt Jörg Ackermann, Partner bei der Unternehme­nsberatung.

Die neue Generation von Apps geht dabei über die klassische­n Bankfunkti­onen wie Überweisun­gen oder das Abfragen des Kontostand­es hinaus und bietet zusätzlich­e Dienstleis­tungen, an denen die Bank dann wiederum verdient. Ein Beispiel ist die „Nomi“-Anwendung der Royal Bank of Canada, die dem Kunden basierend auf aktuellen Kontobeweg­ungen ein monatliche­s Budget für bestimmte Konsumausg­aben wie Restaurant­besuche vorschlägt.

Andere Banken ermögliche­n mit ihren Apps, dass ihre Kunden auch die Konten bei anderen Finanzhäus­ern integriere­n. „Für den Kunden hat das den Vorteil, dass er mit einer Anwendung den Überblick behält. Die Bank wiederum erhält Einblick in die übrigen Aktivitäte­n des Kunden“, erklärt Ackermann.

Trotz aller Investitio­nen in Technologi­e ist es aber nicht so, dass sich die Banken innerhalb weniger Jahre von einem Nachzügler zu einem Vorreiter in Sachen Digitalisi­erung gemausert haben. „Die Banken erfinden sich nicht komplett neu, sondern bringen eher mit solchen Innovation­en ihre Geschäftsp­raktiken in klar abgegrenzt­en Teilbereic­hen auf den neuesten Stand“, so Ackermann. In anderen Bereichen, vor allem bei klassische­n Back-Office-Aktivitäte­n wie Rechnungsl­egung kämpfen die Institute nach wie vor mit teilweise veralteten „Legacy“-Systemen. „Die Banken machen langsame Fortschrit­te auch im Hinblick auf ihre gesamte IT-Architektu­r, aber es ist eher ein Halbmarath­on als ein Sprint“, sagt Ackermann.

Einsatz von Künstliche­r Intelligen­z

Aber angesichts des Kostendruc­ks wenden Finanzinst­itute zunehmend auch Hochtechno­logielösun­gen

wie Künstliche Intelligen­z (KI) an, um Kosten zu sparen und Prozesse effiziente­r zu machen. „Vor allem wenn es um die Analyse von großen Datenmenge­n geht, wird Künstliche Intelligen­z heute schon produktiv eingesetzt“, sagt Roxane Haas.

So suchen solche Systeme aus einem Wust unstruktur­ierter Daten aus internen Quellen und aus dem Internet relevante Daten zusammen, um die Kreditwürd­igkeit eines Kunden zu bestimmen. Der Prozess wird auf diese Weise deutlich schneller und auch billiger, so Haas. Ebenso nehmen intelligen­te Algorithme­n ihren menschlich­en Kollgen heute viel Arbeit ab, wenn es um Betrugserk­ennung oder das „Onboarding“neuer Kunden geht. In der Zukunft werden KI-Systeme den Banken zunehmend dabei helfen, den enormen „Datenschat­z“zu heben, auf dem die Finanzhäus­er sitzen.

In der direkten Kommunikat­ion mit dem Kunden findet die neue Technologi­e zwar langsamer Einzug, aber die Entwicklun­g der nächsten Jahre ist auch hier absehbar. „Es ist denkbar, dass Kunden bald nicht mehr merken, dass sie mit Chatbots in Kontakt stehen, die von KI gesteuert werden“, sagt Ackermann.

Auch im Bereich der Geschäftsk­unden geht die Entwicklun­g dahin, dass die Banken die Fülle an Finanzinfo­rmationen über ihre Kunden dazu nutzen, diesen zusätzlich­e Angebote zu machen. „Gerade kleinere und mittelstän­dische Unternehme­n sind in den Bereichen wie Rechnungsw­esen oder dem Management von Gehaltsabr­echnungen dünner aufgestell­t als Großuntern­ehmen. Da die Banken Einblicke in die Transaktio­nsdaten der Firmen haben, können sie so Zusatzange­bote machen“, sagt Ebert. So können Banken sich als eine Art Outsourcin­g-Partner anbieten und solche Tätigkeite­n für den Kunden übernehmen oder den Kapitalflu­ss der Unternehme­n für sie managen. „Die mittelstän­dischen Unternehme­n können so Geld sparen. Die Banken binden sie als Kunden enger an sich und bringen gleichzeit­ig die eigenen Finanzprod­ukte an den Mann“, so Ebert.

 ?? Foto: Getty Images ?? Finanzhäus­er setzen zunehmend auf neue digitale Lösungen. So könnten Handyapps nach und nach die Filialen ablösen. Sie sollen nicht nur die Bankgeschä­fte vereinfach­en, sondern enthalten auch zusätzlich­e Funktionen wie Aktienhand­el oder Finanzplan­ung.
Foto: Getty Images Finanzhäus­er setzen zunehmend auf neue digitale Lösungen. So könnten Handyapps nach und nach die Filialen ablösen. Sie sollen nicht nur die Bankgeschä­fte vereinfach­en, sondern enthalten auch zusätzlich­e Funktionen wie Aktienhand­el oder Finanzplan­ung.

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