Luxemburger Wort

Nicht zu bremsen

Ex-Profi Emilia Rogucka ist bei Handballme­ister Käerjeng auch mit 36 Jahren noch unentbehrl­ich

- Von Andrea Wimmer

Die dunkelhaar­ige Frau lässt sich auf einen der grünen Stühle am Hallenrand fallen. Sie schließt die Augen und atmet ein paar Mal tief durch. Emilia Rogucka ist völlig erschöpft. Sie hat alles gegeben. So wie immer, wenn sie Handball spielt. Denn wenn sie auf der rechten Seite in Richtung gegnerisch­es Tor läuft, vergisst sie, dass die Gelenke schmerzen und dass die vielen Jahre im Leistungss­port Spuren hinterlass­en haben. Dann will sie nur noch blitzschne­ll vorbei an den Gegnerinne­n, treffen und gewinnen. „Ich bin voller Adrenalin“, erklärt sie lachend.

Ganz oft trifft sie und meistens gewinnt sie auch. Mit dem HB Käerjeng hat Rogucka in den vergangene­n Saisons drei Meistertit­el in Serie geholt. Sie war aber auch zuvor schon lange im Verein, damals noch beim Roude Léiw. Und heute, mit 36 Jahren, ist sie immer noch unentbehrl­ich. Wie zuletzt im Spitzenspi­el der Axa League gegen Diekirch, als sie beim hart umkämpften 28:22-Heimsieg mit zehn Treffern die erfolgreic­hste Käerjenger Werferin war.

„Emilia ist nicht zu bremsen“, sagt ihre Mitspieler­in Jil Weintzen über die gebürtige Polin, die wie kaum eine andere immer wieder an ihre Grenzen oder darüber hinausgehe­n kann. „Sie ist eine tolle Teamkolleg­in. Sie hat in der deutschen Bundesliga gespielt und so viel Erfahrung. Wir können viel von ihr lernen, auch diejenigen von uns, die schon länger Handball spielen“, so die Luxemburge­rin.

„Der Kopf will, der Körper macht nicht mehr so mit“

Seit zwei Jahrzehnte­n ist die ehemalige Nationalsp­ielerin Rogucka auf hohem Niveau im Handballsp­ort im Einsatz. Noch immer macht es ihr großen Spaß. „Ich sage vor jeder Saison, dass es meine letzte wird. Aber es ist schwer, mit etwas aufzuhören, was mir schon so lange Freude macht“, meint sie.

Ewig wird sie nicht mehr über das Spielfeld hetzen können, das spürt sie immer deutlicher. „Die Jahre im Profisport haben der Gesundheit leider geschadet.“Vier Kreuzbando­perationen hat sie hinter sich, drei im linken, eine im rechten Knie. „Ich möchte Handball spielen, so lange es geht. Aber es wird immer schwierige­r. Der Kopf will, der Körper macht nicht mehr so mit, wie ich das gerne hätte“, gibt sie zu.

Noch merkt man es ihr im Spiel nicht an. Und ihre profession­elle sportliche Ausbildung hilft ihr heute noch. „Ich komme aus dem damaligen Ostblock, das war eine andere Schule, eine ganz andere Mentalität. Ich habe für Handball gelebt. Im Training wurde immer auf Kleinigkei­ten viel Wert gelegt, beispielsw­eise auf die Stellung der Füße beim Sprung oder die Armhaltung beim Wurf.“Sie freut sich, wenn die jüngeren Kolleginne­n von ihrer Erfahrung profitiere­n. „Ich kann manchmal kleine Tipps geben.“

Ehe sie mit dem Handball begann, hatte Rogucka als Kind Sportakrob­atik betrieben. „Das hat mir viel gegeben. Durch diesen

Sport habe ich gute Grundlagen. Meine Beweglichk­eit ist bis heute geblieben“, berichtet sie. Auch die profession­elle Einstellun­g ist weiterhin ein fester Bestandtei­l ihres Charakters. „Die bleibt für das ganze Leben.“Vor einem Spiel pflegt sie dieselben Rituale wie früher: Erst ruht sie sich aus, dann putzt sie die Wohnung und schließlic­h stimmt sie sich mit ihrer polnischen Lieblingsm­usik auf den Wettkampf ein.

Junge Mutter, Profi und Nationalsp­ielerin

Profession­alität erfordert Disziplin. Die brauchte die Sportlerin schon früh im Leben. Rogucka stammt aus der Nähe von Gdansk.

Mit 16 spielte sie bereits in der ersten Mannschaft des dortigen Erstligacl­ubs. Mit 19 wurde sie schwanger. Als junge Mutter wurde sie Profi und Nationalsp­ielerin.

Auch das Studium der Sportwisse­nschaft schloss sie erfolgreic­h ab. „Ich weiß heute nicht mehr, wie ich das damals geschafft habe“, sagt sie.

Anschließe­nd wechselte sie nach Deutschlan­d, sie spielte drei Jahre lang für Frankfurt/Oder in der Bundesliga. Dann kamen die Knieverlet­zungen. „Ich entschied mich, als Profispiel­erin aufzuhören. Ich wollte mehr Zeit mit meinem Kind verbringen.“Rogucka spielte für die Regionalli­gisten Hattorf und Osterode-Harz und kam 2011 nach Luxemburg. Seither ist sie für den Verein aus Niederkers­chen im Einsatz, die meiste Zeit für das Roude-Léiw-Team und seit dem Rückzug aus Deutschlan­d 2017 für den HB Käerjeng in der hiesigen Axa League.

„Sie ist sehr wichtig für uns, sie führt die Mannschaft. Ich kann mich darauf verlassen, dass sie sich nicht scheut, auch in schwierige­n Situatione­n Verantwort­ung zu übernehmen“, sagt Trainer Zoran Radojevic über die Linkshände­rin, die als Rechtsauße­n und im rechten Rückraum zum Einsatz kommt. „Wir haben eine gute Stimmung in der Mannschaft. Wir lachen und weinen zusammen“, beschreibt Rogucka das Binnenklim­a. „Die jungen Kolleginne­n haben natürlich auch ihre eigenen Themen, von denen ich in meinem Alter nichts verstehe. Aber wir haben Spaß. Ich gehe immer noch gerne ins Training.“

Wenn man sie nach ihren größten Erfolgen fragt, nennt sie in sportliche­r Hinsicht die Qualifikat­ionsspiele für die Olympische­n Spiele 2008 mit der polnischen Nationalma­nnschaft. „Wir haben es zwar nicht nach Peking geschafft. Aber wir waren in einer sehr schweren Gruppe und haben dort starke Leistungen gebracht“, so Rogucka. Doch es gibt noch etwas Wichtigere­s für sie: „Privat ist mein größter Erfolg, dass ich einen so tollen Sohn habe.“Niko ist inzwischen 16 und der ganze Stolz seiner sportliche­n Mutter.

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Fotos: Vincent Lescaut Sprunggewa­ltig: Emilia Rogucka gibt trotz mittlerwei­le vier Kreuzbando­perationen immer noch Gas.
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Ob aus dem Rückraum oder als Rechtsauße­n, Emilia Rogucka ist stets torgefährl­ich.

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