Einsatz mit Händen und Füßen
Bei einem Lehmbau-Workshop im Kalendula-Garten Altwies verputzen die Besucher die Wände selbst
Altwies. Das Rezept ist einfach: Man rührt gesiebten Lehm mit ein paar Litern Wasser an und mischt gehäckseltes Stroh darunter. Dann heißt es: Schuhe ausziehen und mit bloßen Füßen alles zu einer Masse verkneten.
Die traditionelle Lehmbauweise, bestehend aus einer Holzkonstruktion und einer Füllung aus Stroh und Lehmputz, war früher in Luxemburg weit verbreitet, geriet aber im 20. Jahrhundert in Vergessenheit. Bei mehreren Workshops im Kalendula-Garten in Altwies konnten sich Privatleute, Handwerker und Architekten von den Vorzügen dieser umweltfreundlichen Bauweise überzeugen. An der Einfahrt zu diesem solidarischen Gartenbaubetrieb entsteht nämlich gerade ein zweistöckiges Umweltbildungszentrum in Lehmbauweise. Freiwillige Helfer konnten selbst Hand anlegen und die Gefächer zwischen den Holzbalken mit Strohballen auskleiden. Danach halfen sie dabei, den Lehmputz in drei Lagen aufzubringen.
Klimagase einsparen
Die drei natürlichen Baustoffe kommen allesamt aus der direkten Umgebung, sodass beim Transport wenig Energie verbraucht wird, erklärt Amélie Brenner, die Verantwortliche für das pädagogische Programm im Kalendula-Garten. Auch die Baustoffe selbst dienen dazu, den Ausstoß an Kohlendioxid zu minimieren, wie LehmbauExperte Michel Philippo erklärt. „Außerdem werden die meisten heute gebräuchlichen Baustoffe wie Zement, Tonklinker oder Styropor bei hohen Temperaturen hergestellt. Hierfür ist eine ganz erhebliche Menge Energie nötig, die wir im Lehmbau einsparen können.“
Michel Philippo ist Ausbilder des französischen Lehmbau-Instituts Lesa im Département HautesAlpes. In seinem Heimatland entstehen jedes Jahr um die 1 000 Häuser aus Holz, Stroh und Lehm – einige davon bis zu fünf Stockwerke hoch. Die alternative Bauweise sei ein Baustein im Kampf gegen den Klimawandel, sagt Philippo. „Rund 40 Prozent des Kohlendioxid-Ausstoßes weltweit entstehen beim Bau und dem Betrieb von Gebäuden. Gebäude mit Lehm lassen sich mit wenig Energie erstellen und beheizen.“
Bei den Workshops in Altwies, einem Angebot des Interreg-Projekts KreaVert, erfuhren die Teilnehmer, worauf es bei der Verarbeitung des Lehms ankommt. In vielen Gegenden von Luxemburg braucht man nach diesem weichen, dehnbaren Baustoff nicht lange zu suchen. Wichtig ist nur, dass man die obere Schicht mit Wurzeln und Pflanzenresten weglässt und erst die darunter liegende Schicht verwendet.
Großmutter mit Lehmhaus
Mit großem Interesse lauscht auch Conny Reichling den Ausführungen des Experten. Zwar fühlt sie sich nicht gerade berufen, barfuß in das Lehmbecken zu steigen, doch die praktischen Kenntnisse kann sie vielleicht später einmal anwenden, meint sie und erklärt: „Meine Großmutter hat ein 150 Jahre altes Haus in Stroh-Lehmbauweise, eine ehemalige Scheune. Wenn dort mal Arbeiten fällig werden, können wir unser Wissen weitergeben.“
Am Ende des Tages sind drei von vier Wänden des Empfangsgebäudes im Kalendula-Garten fertig verputzt. „Für die oberste Putzschicht kann man Pigmente zugeben, um eine gewünschte Naturfarbe zu erzielen“, erklärt Amélie Brenner. Außen ist das Gebäude mit Holzplatten verkleidet. Innen wird später eine Theke stehen, im Obergeschoss ist Platz für einen Versammlungsraum. Neben dem Neubau wird demnächst eine professionelle Küche gebaut, in der Kinder und Jugendliche frisch geerntetes Gemüse aus den Beeten nebenan selbst zubereiten können – mit dem Blick auf eine Mauer aus Naturmaterialien, wie es sie in Luxemburg nicht oft gibt.