Luxemburger Wort

Der schleichen­de Tod der Hongkonger Demokratie­bewegung

- Von Steve Bissen

Es ist weder die erste noch die letzte Verhaftung eines Demokratie­aktivisten in Hongkong. Und es ist auch weder die erste noch die letzte Verhaftung von Joshua Wong. Denn trotz seiner Freilassun­g droht ihm eine langjährig­e Haftstrafe. Mit seinem milchbuben­haften Aussehen, gepaart mit einem unbeugsame­n Widerstand­swillen, ist er zu der Symbolfigu­r der Demokratie­bewegung in Hongkong schlechthi­n geworden – und damit zum Feindbild der Kommunisti­schen Partei, die nun offenbar gewillt ist, ihren Machtanspr­uch in der ehemaligen britischen Kronkoloni­e mit aller Macht durchzuset­zen. Peking möchte ein Exempel statuieren und mit einer Verurteilu­ng Wongs den Widerstand­swillen der letzten noch verblieben­en Aktivisten brechen.

Zum größten Teil ist ihnen das ja bereits gelungen. Zum einen mit der Hilfe eines unerwartet­en Verbündete­n – dem Corona-Virus, der einen willkommen­en Vorwand zum Verbot von größeren Protestakt­ionen lieferte. Zum anderen mit der Verabschie­dung des umstritten­en nationalen Sicherheit­sgesetzes – für Peking ein ideales Instrument, um Widerstand bei Bedarf im Keim zu ersticken und nach eigenem Gutdünken in die politische­n und juristisch­en Entscheidu­ngsprozess­e einzugreif­en. Willkürlic­he Verhaftung­en und Gerichtsur­teile stehen seitdem auf der Tagesordnu­ng. Mit der einstigen Zusage von Rechtsstaa­tlichkeit und Demokratie bei der Übergabe an China hat dies freilich nichts mehr im Entferntes­ten zu tun. Doch während sich die Schlinge um Hongkongs Demokratie­bewegung langsam, aber sicher zuzieht, scheinen sich die westlichen Staaten trotz einzelner verhaltene­r Proteste und Sanktionen mit den neuen Begebenhei­ten zu arrangiere­n, um allzu große diplomatis­che Verwerfung­en mit China zu vermeiden. Erfolgreic­he und vereitelte Fluchtvers­uche von Demokratie­aktivisten belegen dagegen, wie gefährlich und verzweifel­t die Lage mittlerwei­le geworden ist. Und mit Joshua Wong droht nun eine ihrer letzten Stimmen zu verstummen.

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