„Besonders abscheuliches Verbrechen“
Giftmorde heute vor vier Jahren: Angeklagter geht gegen Verurteilung in Berufung
Luxemburg. Am letzten Julitag dieses Jahres fiel das Urteil zu einer Mordtat, die heute vor genau vier Jahren in Bereldingen ihren Lauf nahm. Und der Fall ist in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich: Beim Tatverdächtigen Gilles L., der nun am 31. Juli in erster Instanz zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde, handelt es sich um einen Polizisten. Die Opfer sind seine einzige Schwester und sein Schwager. Ungewöhnlich auch: Der Beschuldigte gesteht die Tötung, bestreitet aber die Absicht. Und es geht um einen Giftmord – und die gelten nicht nur als besonders hinterhältig, sie sind auch in der Luxemburger Kriminalgeschichte sehr selten – wenn sie denn entdeckt werden.
Giftmord: Vier Fälle mit sechs Opfern in 40 Jahren
Neben dem Bereldinger Doppelmord wurden in den vergangenen 40 Jahren nur zwei weitere Fälle vor Gericht verhandelt, ein anderer Fall mit zwei Opfern bleibt bis zum heutigen Tag ungesühnt.
So wird im Dezember 2014 nach einem Wohnungsbrand in Esch/ Alzette die Leiche eines 30-jährigen Mannes geborgen. Die Ermittlungen ergeben, dass das Opfer mit einem Medikamentencocktail außer Gefecht gesetzt und dann dessen Wohnung angezündet wurde. Der Bruder des Toten wird schließlich zu lebenslanger Haft verurteilt, ein Komplize zu zwei Jahren Gefängnis.
Einer der bekanntesten Fälle in der Luxemburger Kriminalgeschichte ist darüber hinaus jene des Biologisten und damaligen Leiters des Laboratoriums der Klinik in Eich, Charles Missenard, der bis heute bestreitet, im Juli 1999 seine Frau mit Zyankali vergiftet zu haben. Bei den Ermittlungen hatte sich unter anderem gezeigt, dass schlicht niemand anders der Frau das schnell wirkende Gift verabreicht haben konnte. Charles Missenard verbüßt eine lebenslange Haftstrafe.
Zweifacher Mord aus den 1980er-Jahren bleibt ungesühnt
Besonders tragisch war der vierte bekannte Fall, der auf die 1980erJahre zurückgeht. Im März 1984 stirbt ein zweijähriger Junge in Gasperich, im September 1985 ein 42-jähriger Mann ebenfalls in der Hauptstadt – beide, wie sich erst später zeigt, an einer StrychninVergiftung. Die Zusammenhänge sind zunächst unklar, doch dann führt die Spur in den zwei Fällen zu ein und derselben Frau: Die Putzfrau im Haushalt des Kindes und Ehefrau des zweiten Opfers.
Die Verdächtige kommt für sechs Monate in Untersuchungshaft, doch die Beweise gegen sie reichen nicht aus. Im Fall des 42jährigen Mannes werden die Ermittlungen 1995 nach zehn Jahren ergebnislos eingestellt.
Beim Kind dauern sie bis 2011. Die Ermittlungen werden im Jahr 2003 noch einmal als Cold-Case aufgenommen. Trotz wegweisender Indizien reicht es aber scheinbar nicht für eine Anklage. Eine Ratskammer lässt das Verfahren einstellen. Für die Eltern mehr als nur ein Schlag ins Gesicht.
Beim Prozess um den Doppelmord in Bereldingen wird es indes eine zweite Runde geben. Wie die Pressestelle der Justiz auf LW-Nachfrage bestätigt, hat der zu lebenslänglicher Haft verurteilte Beschuldigte Gilles L. Berufung gegen das Urteil aus erster Instanz eingelegt.
Gilles L. ficht seine Verurteilung vor dem Appellationshof an
Wie gut seine Chancen stehen, vor dem Appellationshof ein geringeres Strafmaß zu erlangen, bleibt abzuwarten. Die Richter der Kriminalkammer
aus erster Instanz haben in ihrer Urteilsbegründung zumindest außerordentlich deutliche Worte für den Angeklagten gefunden.
Es bestehe kein Zweifel, daran, wie abscheulich das Verbrechen sei, wegen dessen man Gilles L. verurteile, schreiben die Richter. „Die Tat wurde auf eine feige, verräterische und hinterhältige Art und Weise und vorsätzlich an zwei Familienmitgliedern begangen, die ihm nicht das Geringste angetan haben“, so die Richter im Wortlaut.
Sie heben an dieser Stelle der Urteilsbegründung besonders hervor, dass Gilles L. im Prozess versucht habe, seine „guten Absichten“zu verdeutlichen, indem er sagte, er habe geglaubt, den Opfern Botulinumtoxin zu verabreichen.
Plan noch perfider als tatsächliche Tat
Dabei habe der Angeklagte vergessen, zu berücksichtigen, dass die Verabreichung dieser Substanz noch perfider sei als das Zyankali, das er ihnen tatsächlich ins Getränk mischte. Denn die Wirkung des Botulinumtoxins wäre erst nach Stunden eingetreten, also zu einem Zeitpunkt, an dem Gilles L. sich seelenruhig an seiner Arbeitsstelle befunden habe. „Er hätte dann nur noch abwarten müssen, dass die tödliche Wirkung seines Handelns eintrete“, schreiben die Richter in ihrer Urteilsbegründung.
Indem der Beschuldigte sich entschieden habe, den Rettungsdiensten nichts über die Verabreichung der Substanz zu sagen, von der er glaubte, sie verabreicht zu haben – und gegen die es ein Gegenmittel gibt, das jedoch innerhalb einer Stunde verabreicht werden muss – habe der Angeklagte seine ganze Hinterhältigkeit und Kälte mehr als verdeutlicht.
Richter sehen keinen einzigen Grund für Milde
Die Kriminalkammer sieht deswegen keinen Grund, dem Angeklagten irgendwelche strafmildernden Umstände zuzugestehen. Auch ansonsten gebe es keinen Anlass Nachsicht walten zu lassen, so die Richter im Urteil. Deswegen sei Gilles L. für seine Taten zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe zu verurteilen.