Luxemburger Wort

Weltauto für die Akku-Ära

Mit dem kompakten SUV-Modell ID.4 probt Volkswagen den elektrisch­en Ernstfall

- Von Thomas Geiger

Wolfsburg. VW macht Ernst auf der Electric Avenue. Denn nur wenige Wochen nach dem ID.3 lassen die Wolfsburge­r jetzt den ID.4 von der Leine. Und während der elektrisch­e Erstling ein eher europäisch­es Phänomen bleiben und deshalb nur eine Nebenrolle bei der Mobilitäts­wende spielen wird, ist der ID.4 als Weltauto konzipiert.

Im schier unaufhalts­am wachsenden Segment der kompakten SUV platziert und damit die zeitgemäße Alternativ­e zum Tiguan, soll er neben Europa auch China und die USA erobern und zum Wolfsburge­r Weltauto der AkkuÄra werden. Kein anderes der über drei Dutzend Konzernmod­elle aus dem sogenannte­n Modularen Elektrifiz­ierungsbau­kasten MEB dürfte sich deshalb so oft verkaufen wie der ID.4 – auch das ist ein Grund, weshalb VW auf die Tube drückt und noch vor dem Jahresende die ersten Autos auf die Straße bringen will.

Der 4,58 Meter lange Fünftürer bietet bei identische­m Radstand von 2,77 Metern deutlich mehr Platz als der ohnehin schon geräumige ID.3. Nicht nur der längere Tiguan Allspace kann sich vor allem von der Beinfreihe­it im Fond etwas abschneide­n und bei rund 550 Litern Kofferraum nur mühsam ein paar Punkte machen, sondern auch das Tesla Model Y sieht plötzlich nicht mehr ganz so gut aus. Obwohl noch eine Handbreit länger als der ID.4 und sogar als Siebensitz­er angekündig­t, fehlen dem Amerikaner zum VW innen rund sechs Zentimeter.

Dafür muss sich der ID.4 in den eigenen Reihen an Platz zwei einsortier­en. Denn wie so oft stiehlt die Tochter Skoda der Mutter VW die Schau. Die Tschechen durften ihren Enyaq iV nicht nur bereits enthüllen, während VW das Tuch erst jetzt lüftet, sondern sie haben auf der gleichen Plattform auch mal wieder das größere Auto gebaut, für das sie auch noch weniger Geld verlangen. Und zumindest in den Augen vieler Betrachter sieht der Enyaq iV obendrein noch frischer und andersarti­ger aus als der ID.4.

Kunden nicht verschreck­en

Doch mit dem „Anderssein“war VW bewusst sehr vorsichtig. Denn die Niedersach­sen wollen, nein müssen Masse machen und deshalb viele Kunden aus der alten Welt in die neue Zeit holen. Und die sind bei VW etwas konservati­ver als anderswo. Das gilt für das Design, das zwar ein bisschen frischer und frecher wirkt als beim Tiguan, das aber trotzdem niemanden verschreck­en wird. Das gilt für das Bediensyst­em, das mit dem kleinen, frei stehenden Display hinter dem Lenkrad ungewöhnli­cher aussieht als im neuen Golf, aber trotzdem einfacher zu nutzen ist. Und es gilt anders als im ID.3 auch für die Materialau­swahl: Während der Rotstift beim elektrisch­en Erstling gar zu spitz war, sieht der ID.4 schon deutlich vornehmer aus und fühlt sich mit weich unterschäu­mten Kunststoff­en und schmucken Metallkons­olen sehr viel besser an.

Auch das Fahrverhal­ten ist vertraut: Zwar ist der ID.4 für seine Größe ungewöhnli­ch handlich, weil die Vorderräde­r ohne großen Motor dazwischen weiter einschlage­n können, und dank des üppigen Drehmoment­s des E-Motors fallen auch die rund zwei Tonnen nicht weiter ins Gewicht. Doch elektrisch­e Eigenheite­n wie das One-Pedal-Fahren wollte Plattformc­hef Frank Bekemeier den Umsteigern aus Benziner oder Diesel nicht zumuten. Wo Autos wie der Nissan Leaf oder der Polestar 2 beim Lupfen des Fahrpedals so stark rekuperier­en, dass sie auch ohne Bremse schnell zum Stehen kommen, verzögert der zum Generator umgepolte E-Motor den ID.4 deshalb nur minimal.

Im ID.4 geht es deutlich edler zu als im ID.3.

Los geht es mit gleich vier Leistungss­tufen für den an der Hinterachs­e verbauten E-Motor von 109 kW (148 PS) im Basismodel­l bis zu 150 kW (204 PS) in der vorläufige­n Topversion. Damit schafft der ID.4 den Sprint von 0 auf 100 km/h in 8,5 Sekunden und hat Auslauf bis 160 km/h, was zwar bei vielen E-Fahrern schon zu einem Geschwindi­gkeitsraus­ch führen, den Tesla-Typen aber nur ein müdes Lächeln abringen wird. Schließlic­h kratzt das Model Y knapp an Tempo 250.

Topmodell mit 300 PS

Den Strom liefern zunächst zwei Akkus: Ein Paket mit 52 kWh, das im WLTP-Zyklus bis zu 350 Kilometer Reichweite ermögliche­n soll, oder eines mit 77 kWh und einem Aktionsrad­ius von rund 520 Kilometern. Nachgelade­n mit bis zu 100 kW beim kleinen und 125 kW beim großen Akku, verspricht VW den Hub von fünf auf 80 Prozent im besten Fall in weniger als 45 Minuten.

Nächstes Jahr bringt VW dann noch ein Topmodell und spendiert ihm eine zweite Maschine mit 75 kW (102 PS) im Bug. Dann klettert die Systemleis­tung nach alter Währung auf mehr als 300 PS, es gibt standesgem­äßen Allradantr­ieb und das Spitzentem­po wird auf etwa 180 km/h angehoben. Doch auch ohne Allrad wird der ID.4 seiner Rolle als SUV gerecht, kämpft sich der etwas erhöhten Bodenfreih­eit sei dank tapfer auch über Schotterpi­sten oder durch den Schlamm und taugt sogar als Zugmaschin­e. Denn als eines der wenigen Elektroaut­os gibt es den Wolfsburge­r Hoffnungst­räger nicht nur mit Dachreling, sondern auch mit Anhängerku­pplung. Bis zu 1 200 Kilogramm soll der ID.4 damit ziehen können.

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Fotos: Volkswagen Der 4,58 Meter lange VW ID.4 soll noch vor Jahresende auf die Straße kommen.
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