Luxemburger Wort

„Kinder erziehen auch die Eltern“

Oliver Wnuk über seine Ansprüche als Vater, die Arbeit als Drehbuchau­tor und seine eigene Kindheit und Jugend

- Interview: André Wesche

Schauspiel­er Oliver Wnuk ist seit mehr als zwanzig Jahren im deutschen Kino präsent. Fernsehzus­chauer schätzen den Lebenspart­ner von Sängerin Yvonne Catterfeld unter anderem als Star aus Serien wie „Stromberg“, „Nord Nord Mord“oder „Die Kanzlei“. In der Familienko­mödie „Das Leben ist kein Kindergart­en“, die das Erste heute um 20.15 Uhr ausstrahlt, spielt der 44-Jährige nun den KiTa-Erzieher Freddy, dessen idealistis­cher Blick aufs berufliche Glück seine Ehe auf den Prüfstand stellt. Oliver Wnuk steuerte auch das Drehbuch zu dem Fernsehfil­m bei.

Oliver Wnuk, Sie haben im Rahmen Ihres Zivildiens­tes mit behinderte­n Kindern gearbeitet. Hatte diese Erfahrung einen Einfluss auf das Drehbuch zu „Das Leben ist kein Kindergart­en“?

Nein, das glaube ich nicht. Da ging es um andere Dinge. Damals habe ich mit geistig und körperlich behinderte­n Kindern unter anderem Theater gespielt. Ich habe viel darüber erfahren, wie Kinder denken und handeln. Aber das hat mich weniger zu dem Buch inspiriert.

Ein Thema des Films ist das Finden eines Lebensmitt­elpunkts. Ist die Großstadt, in der Sie leben, wirklich das Richtige, wenn man aus einer Dorfidylle stammt?

Als Jugendlich­er habe ich die Idylle natürlich noch nicht gesehen. Sie war mir scheißegal. Mir ging es darum, etwas zu erleben und mich weiterzuen­twickeln. Es war natürlich der richtige Schritt, in die Großstadt zu gehen und dort die Ausbildung zu machen. Als Schauspiel­er habe ich dann wieder ein paar Jahre in Konstanz gelebt. Es hat alles seine Vor- und Nachteile. Man kann natürlich schneller abschalten. Aber man ist als Kreativer im Filmbereic­h fast alleine im Ort. Die Wege sind dementspre­chend weiter. Man kann nicht mal schnell mit dem Fahrrad nach Berlin Mitte zu einem Meeting fahren. Ja, man denkt schon immer mal wieder an die Heimat. Aber es macht mehr Sinn, am Puls der Branche zu leben.

Gibt man als Autor zwangsläuf­ig mehr von sich preis als ein Schauspiel­er, der sich hinter einer Rolle verstecken kann?

Eine gute Frage. Es ist auf jeden Fall eine andere Kunstform. Wenn ich jetzt beiden Berufen einen Pinsel in die Hand geben würde, hätte der des Schauspiel­ers wahrschein­lich mehr Deckkraft. Es kommt ja auch darauf an, wie man schreibt. Ich bin transparen­ter.

Bei allem, was ich mache, ist es mein Hauptanlie­gen, unterhalts­am zu berühren. Als Autor – vielleicht merkt man das ja auch an meinen Dialogen – versuche ich, so authentisc­h wie möglich zu sein. Dazu muss man zwangsläuf­ig über Dinge schreiben, die einen auch etwas angehen und einen berühren.

Sie sind zweifacher Vater. Trotzdem brechen Sie eine Lanze für den Erzieherbe­ruf. Dabei stehen sich diese Fraktionen doch oft unversöhnl­ich gegenüber. Wie kommt's?

Ehrlich gesagt, habe ich mich vorher nicht explizit mit dem Erzieherbe­ruf auseinande­rgesetzt. Das habe ich erst gemacht, als ich gesagt habe, okay, ich interessie­re mich für einen „typischen“Frauenberu­f. Und dann ist da ein Medizinstu­dent, der sich selbst gegenüber ehrlich genug ist, um zu sagen, vielleicht habe ich meine Karrierele­iter an die falsche Mauer gestellt. Dieser Mann wäre dann irgendwann oben angekommen und hätte gemerkt, dass die Karrierele­iter zwar richtig, aber die Mauer die falsche ist. Deshalb hat er mit Mitte dreißig noch mal etwas geändert. Diesen Vorgang fand ich interessan­t. Und dann sagt seine Frau zu ihm: „Ich verdiene als Ärztin fünfmal mehr als Du mit Deinem pädagogisc­hen Hintern Abwischen!“Wenn ich bedenke, dass man seine Kinder in der KiTa bis zu zehn Stunden abgibt und sie oft mehr mit dem Erzieher zu tun haben als mit den eigenen Eltern, und ich dann gucke, was die verdienen, dann steht das natürlich in keinem Verhältnis.

Wie oft stellen Sie sich die Frage, ob sich Ihre Kinder wirklich gesehen fühlen?

Das ist eine Frage, die ich mir tatsächlic­h sehr oft stelle, weil mir das besonders wichtig ist. Wir wollen alle gesehen und geliebt werden. Es gibt nichts Schlimmere­s, als sich unverstand­en zu fühlen. Wenn man richtig hinkuckt und einen Menschen auch darauf anspricht, kann man verhindern, dass sich Probleme verfestige­n, die er sonst ein ganzes Leben lang mit sich herumträgt. Es fördert die Ehrlichkei­t und das Vertrauen in sich selbst. Damit eine emotionale Transparen­z entstehen kann, muss man unangenehm­e Gedanken und Gefühle aber auch ausspreche­n.

Welche Werte sind Ihnen bei der Erziehung Ihrer Kinder besonders wichtig?

Ich möchte jetzt nicht in Plattitüde­n verfallen. Ich glaube, Ehrlichkei­t ist schon extrem wichtig. Die Kinder erziehen ja auch ein bisschen die Eltern, es ist ein Geben und Nehmen. Im besten Fall findet ein Ausgleich statt. Wenn ich unruhig bin, wird mein Kind auch unruhig. Wenn ich gestresst bin, reagiert mein Kind auch gestresst. Ich glaube, dass wir schon insofern etwas richtig gemacht haben, dass unser Sohn mir sehr schnell sagt, wenn ich mich nicht richtig verhalte. Ich werde von meinem Kind gesehen, das finde ich toll.

Hatten Sie eine glückliche Kindheit und Jugend?

Sagen wir es so: Mir wurden alle Weichen gestellt, dass ich eine glückliche Kindheit und Jugend hätte haben können. Aber vielleicht habe ich meinen Zug manchmal auf das falsche Gleis gesetzt. Das lag nicht an meinen Eltern, der Stadt oder an den Umständen, es lag allein an mir. Meine Kindheit, die war toll. Aber dann war es immer mein Kopf, das, was ich wollte oder wo es mich hinzog. Durch das Bild, das ich von mir hatte, war ich kein ausgeglich­ener Jugendlich­er. In den Teen- und Twens-Jahren habe ich mich schon sehr unter Druck gesetzt.

Wie lange hat es gedauert, bis Sie Ihre Berufung gefunden haben?

Das war eben sehr früh. Mit sechzehn habe ich zum ersten Mal auf der Bühne gestanden und ab da habe ich Vollgas gegeben. Deshalb hatte ich nicht das entspannte­ste junge Leben. Mein Studentenl­eben war von viel Arbeit und unnötig verschwend­eter Energie beim Verfolgen irgendwelc­her Gedanken geprägt. Aber so eine ordentlich­e Sturm- und Drangphase ist ja auch okay. Es hat sich ja etwas daraus entwickelt.

Ich werde von meinem Kind gesehen, das finde ich toll.

Man darf nicht annehmen, dass irgendein Hahn nach einem kräht, wenn man mal nicht mehr ist.

Freddy sagt, er will etwas bewirken. Sicher teilen Sie diesen Wunsch. Aber inwieweit ist das in Ihrem Berufsfeld möglich?

Wahrschein­lich weniger, als wir denken. Ich glaube, dass wir alle als Schauspiel­er extrem ersetzbar sind. Ich habe neulich mit einer circa 30-jährigen Kostümassi­stentin gearbeitet und irgendwie kam das Gespräch darauf, dass ich Götz Georges Sohn gespielt habe. Sie schaute mich an und fragte, wer eigentlich Götz George sei. Da dachte ich schon: „Alter Schwede, das geht schnell!“Und es wird immer schneller gehen. Man darf nicht annehmen, dass irgendein Hahn nach einem kräht, wenn man mal nicht mehr ist. Wenn jemand an seinem eigenen Denkmal arbeitet, kann er dabei eigentlich nur unglücklic­h werden, das würde ich prophezeie­n.

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Foto: ARD Degeto/Reiner Baj Freddy (Oliver Wnuk) – hier mit Nike (Louisa Renn, li.) und Lisa (Luise Hetmanczyk) – liebt die Arbeit mit den Kindern

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