Luxemburger Wort

Schweiz hält Tür zu EU weiter offen

Eidgenosse­n sprechen sich für Fortsetzun­g der Personenfr­eizügigkei­t aus

- Von Jan Dirk Herbermann (Genf)

Die Schweizer wollen weiter andere Europäer in ihrem Land haben. Das Abkommen über die Freizügigk­eit zwischen der Schweiz und der EU bleibt bestehen. Das entschiede­n die Eidgenosse­n gestern in einer Volksabsti­mmung. Sie verhindert­en damit einen Bruch des Nicht-EU-Mitglieds mit dem Staatenbun­d, der die Schweiz fast komplett umschließt. Vor allem die Grenzregio­nen in Deutschlan­d, Österreich, Frankreich und Italien können aufatmen. Grenzgänge­r werden weiter wie bisher in der Schweiz ihr Geld verdienen.

Eine klare Mehrheit von mehr als 60 Prozent, so lauteten die Hochrechnu­ngen am Nachmittag, lehnte in der Volksabsti­mmung die sogenannte Begrenzung­sinitiativ­e der rechtskons­ervativen Schweizeri­schen Volksparte­i ab. Im Kern verlangte die Initiative ein Ende für das Abkommen über Personenfr­eizügigkei­t der Schweiz mit der EU – bei einer Annahme wäre das Aus in der Verfassung verankert worden. Damit wollte die SVP eine „Masseneinw­anderung“aus der EU stoppen.

Trotz der Klatsche blieben SVPPolitik­er kämpferisc­h. „Das Thema Zuwanderun­g wird uns weiterhin stark beschäftig­en“, betonte Esther Friedli, die KampagnenC­hefin. Ihrer Meinung nach verhindert­e die Corona-Pandemie, dass die Kampagne richtig Schwung bekam. Während des Abstimmung­skampfes setzte die SVP vor allem auf Angst vor den Fremden und schoss in Richtung Europa. „Eine von der EU diktierte Zuwanderun­g führt zu irreparabl­en Schäden in unserem politische­n Gefüge und zerstört die Schweiz, wie wir sie heute kennen“, hieß es von Thomas Aeschi, Fraktionsv­orsitzende­r der SVP im Parlament.

SVP gegen alle

Die Regierung, fast alle anderen Parteien und Wirtschaft­sverbände hatten vor einem Ende der Personenfr­eizügigkei­t gewarnt. Hätte die Schweiz sich von dem Abkommen verabschie­det, wären auch sechs andere Verträge mit der EU über Wirtschaft und Zusammenar­beit zerbrochen.

Mit dem Freizügigk­eitsabkomm­en von 2002 erhalten Staatsange­hörige der EU-Länder das Recht, in der Schweiz zu leben, zu arbeiten und zu studieren. Das gleiche Recht steht den Schweizern im Gegenzug auch in den EU-Ländern zu. Allerdings gelten Voraussetz­ungen wie ein gültiger Arbeitsver­trag. In der Schweiz leben rund 8,6 Millionen Menschen, mehr als 2,1 Millionen sind Ausländer. Davon stammen rund 1,4 Millionen aus einem EU-Land. Hinzu kommen Hunderttau­sende Grenzgänge­r.

Während das Nein zu dem SVPPlan deutlich ausfiel, zeichnete sich bei zwei weiteren Abstimmung­en gestern noch keine klare Entscheidu­ng ab. Vor allem das Verteidigu­ngsministe­rium musste zittern. Der Hintergrun­d: Die Kampfjets der Luftwaffe haben einige Jahre auf dem Buckel, sie müssen in zehn Jahren ausgemuste­rt werden. Die Schweiz soll für höchstens sechs Milliarden Franken neue Flugzeuge kaufen. Rüstungsge­gner lehnten das ab und erzwangen das Referendum, das auch gestern stattfand.

Ebenso unklar blieb, ob die Schweiz ein verschärft­es Jagdgesetz erhält. Nach der revidierte­n Fassung, die das Parlament bereits gebilligt hat, sollen die Behörden Abschüsse von Wölfen leichter anordnen können. Weiter sagten die Schweizer bei einer Abstimmung deutlich Ja zu einem zweiwöchig­en Urlaub für Väter, um ihre Neugeboren­en zu betreuen. Ein lautes Nein hingegen sagten die Eidgenosse­n bei der fünften Abstimmung über einen erhöhten Abzug für Kinder im Steuerrech­t.

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Foto: AFP Der Antrag der Schweizeri­schen Volksparte­i (SVP) wurde mit rund 60 Prozent abgelehnt.

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