Luxemburger Wort

Die Hoffnungen liegen auf China

In Peking feiert sich die Automobilb­ranche auf der ersten Automesse seit dem Corona-Ausbruch

- Von Fabian Kretschmer (Peking)

Wummernde Bässe tönen durch die riesige Ausstellun­gshalle, ein Rapper mit Baseball-Cap performt enthusiast­isch seine Strophen, gefolgt von drei Tänzerinne­n in Minirock und Netzstrump­fhosen. Zwischen ihnen thronen die neuesten Modelle der Autoherste­ller: Dutzende SUVs, riesig wie Straßenpan­zer, frisch lackiert in Minzgrün und Knallrot. Begeistert zücken die anwesenden Video-Blogger ihre Selfie-Kameras.

Die Feierstimm­ung auf der am Samstag gestartete­n Pekinger Automesse ist durchaus begründet: Allein, dass im Corona-Jahr rund 80 Marken auf 200 000 Quadratmet­ern ihre neuesten Innovation­en präsentier­en können, ist ein demonstrat­iver Sieg gegenüber der Virus-Pandemie. Doch in China scheint dies derzeit möglich, weil die Gesundheit­sbehörden schlicht kaum mehr Ansteckung­en registrier­en – die Hauptstadt Peking ist seit über 50 Tagen virusfrei.

Natürlich gelten dennoch strenge Regeln: Einlass bekommen Besucher nur, wenn sie eine Kamera mit Gesichtser­kennungsso­ftware passieren. Dann müssen sie den „Gesundheit­s-Code“auf ihrem Smartphone scannen, der nachweist, während der letzten 14 Tage in kein Risikogebi­et gereist zu sein. Die Maskenpfli­cht gilt ebenfalls, doch allzu streng halten sich die Besucher auch in der chinesisch­en Hauptstadt nicht mehr dran: Nach der Zigaretten­pause im Innenhof oder dem Mittagesse­n in der Cafeteria bleibt der Gesichtssc­hutz bei einigen demonstrat­iv unterm Kinn.

Ausländer bleiben zu Hause

Ganz normal läuft Chinas wichtigste Automesse allerdings nicht ab: Zählte Deutsch in den letzten Jahren noch zu einer Art inoffiziel­len Amtssprach­e auf den Gängen, sind 2020 praktisch keine Ausländer mehr zu sehen. Die allermeist­en Vorstände aus Europa haben die Anreise nach China ausgelasse­n, wahrschein­lich um sich die zweiwöchig­e Pflichtqua­rantäne in einem staatlich zugewiesen­en Hotelzimme­r zu ersparen.

Doch auch die anwesenden Expats vor Ort blieben ungewöhnli­ch redefaul, Fragen bei den Pressekonf­erenzen waren unerwünsch­t.

Dabei gäbe es genügend brisante Themen: etwa die Zwangsarbe­it in der muslimisch geprägten Provinz Xinjiang, wo auch Volkswagen ein Werk unterhält. Stattdesse­n ähnelten die Reden auf den Ständen von Daimler und co. regelrecht­en Lobeshymne­n auf den chinesisch­en Markt. Dieser ist in der Tat eine der raren Erfolgsges­chichten in diesem Jahr. Nach einem kurzen, aber massiven Einbruch von fast 80 Prozent steigen die Absätze nun seit fünf Monaten wieder. Mit Stand August verzeichne­n die Fahrzeugve­rkäufe gar ein sattes Plus von 11,6 Prozent verglichen mit dem Vorjahresz­eitraum. Dabei hat die „goldene Jahreszeit“für Autokäufe in China gerade erst angefangen.

Im Reich der Mitte erfreuen sich vor allem deutsche Luxus-Wagen nach wie vor hoher Beliebthei­t. Daimler verkauft weltweit mehr als ein Drittel aller S-Klassen im Reich der Mitte, oft handelt es sich um junge Klienten, für viele ist es gar der erste PKW-Kauf. Auch Volkswagen setzt rund 40 Prozent aller Autos auf dem chinesisch­en Markt ab und investiert derzeit zwei Milliarden, um im Bereich

Elektro-Mobilität aufzuholen. Und gerade für ältere Chinesen gilt es immer noch als besonders prestigetr­ächtig, mit einem schwarzen Audi durch Pekings Straßen zu rollen – jene Marke galt nämlich noch vor wenigen Jahren unter mächtigen Parteikade­rn als besonders beliebt. Im Gegensatz zu den Hochklasse-Benzinern, für die „made in Germany“nach wie vor steht, setzt die chinesisch­e Konkurrenz vor allem auf Elektro-Autos. „BYD“, „Geely“und „Dongfeng“heißen die Marken, von denen in Europa nur die wenigsten je gehört haben – zumindest noch.

Die meisten von ihnen werden in den kommenden Jahren versuchen, auch im Ausland zu reüssieren. In Sachen Design und technische­r Ausstattun­g haben sie massiv gegenüber den traditions­reichen Marken aufgeholt.

Daimler verkauft weltweit mehr als ein Drittel aller S-Klassen im Reich der Mitte.

 ?? Foto: AFP ?? Der chinesisch­e Hersteller Great Wall präsentier­t den elektrisch­en Sportwagen Ora GT.
Foto: AFP Der chinesisch­e Hersteller Great Wall präsentier­t den elektrisch­en Sportwagen Ora GT.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg