Die Hoffnungen liegen auf China
In Peking feiert sich die Automobilbranche auf der ersten Automesse seit dem Corona-Ausbruch
Wummernde Bässe tönen durch die riesige Ausstellungshalle, ein Rapper mit Baseball-Cap performt enthusiastisch seine Strophen, gefolgt von drei Tänzerinnen in Minirock und Netzstrumpfhosen. Zwischen ihnen thronen die neuesten Modelle der Autohersteller: Dutzende SUVs, riesig wie Straßenpanzer, frisch lackiert in Minzgrün und Knallrot. Begeistert zücken die anwesenden Video-Blogger ihre Selfie-Kameras.
Die Feierstimmung auf der am Samstag gestarteten Pekinger Automesse ist durchaus begründet: Allein, dass im Corona-Jahr rund 80 Marken auf 200 000 Quadratmetern ihre neuesten Innovationen präsentieren können, ist ein demonstrativer Sieg gegenüber der Virus-Pandemie. Doch in China scheint dies derzeit möglich, weil die Gesundheitsbehörden schlicht kaum mehr Ansteckungen registrieren – die Hauptstadt Peking ist seit über 50 Tagen virusfrei.
Natürlich gelten dennoch strenge Regeln: Einlass bekommen Besucher nur, wenn sie eine Kamera mit Gesichtserkennungssoftware passieren. Dann müssen sie den „Gesundheits-Code“auf ihrem Smartphone scannen, der nachweist, während der letzten 14 Tage in kein Risikogebiet gereist zu sein. Die Maskenpflicht gilt ebenfalls, doch allzu streng halten sich die Besucher auch in der chinesischen Hauptstadt nicht mehr dran: Nach der Zigarettenpause im Innenhof oder dem Mittagessen in der Cafeteria bleibt der Gesichtsschutz bei einigen demonstrativ unterm Kinn.
Ausländer bleiben zu Hause
Ganz normal läuft Chinas wichtigste Automesse allerdings nicht ab: Zählte Deutsch in den letzten Jahren noch zu einer Art inoffiziellen Amtssprache auf den Gängen, sind 2020 praktisch keine Ausländer mehr zu sehen. Die allermeisten Vorstände aus Europa haben die Anreise nach China ausgelassen, wahrscheinlich um sich die zweiwöchige Pflichtquarantäne in einem staatlich zugewiesenen Hotelzimmer zu ersparen.
Doch auch die anwesenden Expats vor Ort blieben ungewöhnlich redefaul, Fragen bei den Pressekonferenzen waren unerwünscht.
Dabei gäbe es genügend brisante Themen: etwa die Zwangsarbeit in der muslimisch geprägten Provinz Xinjiang, wo auch Volkswagen ein Werk unterhält. Stattdessen ähnelten die Reden auf den Ständen von Daimler und co. regelrechten Lobeshymnen auf den chinesischen Markt. Dieser ist in der Tat eine der raren Erfolgsgeschichten in diesem Jahr. Nach einem kurzen, aber massiven Einbruch von fast 80 Prozent steigen die Absätze nun seit fünf Monaten wieder. Mit Stand August verzeichnen die Fahrzeugverkäufe gar ein sattes Plus von 11,6 Prozent verglichen mit dem Vorjahreszeitraum. Dabei hat die „goldene Jahreszeit“für Autokäufe in China gerade erst angefangen.
Im Reich der Mitte erfreuen sich vor allem deutsche Luxus-Wagen nach wie vor hoher Beliebtheit. Daimler verkauft weltweit mehr als ein Drittel aller S-Klassen im Reich der Mitte, oft handelt es sich um junge Klienten, für viele ist es gar der erste PKW-Kauf. Auch Volkswagen setzt rund 40 Prozent aller Autos auf dem chinesischen Markt ab und investiert derzeit zwei Milliarden, um im Bereich
Elektro-Mobilität aufzuholen. Und gerade für ältere Chinesen gilt es immer noch als besonders prestigeträchtig, mit einem schwarzen Audi durch Pekings Straßen zu rollen – jene Marke galt nämlich noch vor wenigen Jahren unter mächtigen Parteikadern als besonders beliebt. Im Gegensatz zu den Hochklasse-Benzinern, für die „made in Germany“nach wie vor steht, setzt die chinesische Konkurrenz vor allem auf Elektro-Autos. „BYD“, „Geely“und „Dongfeng“heißen die Marken, von denen in Europa nur die wenigsten je gehört haben – zumindest noch.
Die meisten von ihnen werden in den kommenden Jahren versuchen, auch im Ausland zu reüssieren. In Sachen Design und technischer Ausstattung haben sie massiv gegenüber den traditionsreichen Marken aufgeholt.
Daimler verkauft weltweit mehr als ein Drittel aller S-Klassen im Reich der Mitte.