Wahlen rücken ins Rampenlicht
Wall Street: Viele Anlagestrategen raten ihren Kunden zur Vorsicht vor zunehmenden Risiken
Die Angst vor einer zweiten Corona-Welle hat die Finanzmärkte vorige Woche wie kein anderer Einflussfaktor belastet. Der Aktienmarkt schloss die vierte Woche in Folge mit Verlusten. Wird der Kongress noch vor Jahresschluss, wenn überhaupt, zusätzliche fiskalpolitische Hilfen beschließen? Zudem rückt in der neuen Handelswoche der Wahlkampf in eine entscheidende Phase: Präsident Trump steht am Dienstagabend seinem Herausforderer Joe Biden in der ersten Debatte gegenüber.
Vorsicht anschnallen, die Risiken nehmen zu, raten viele Anlagestrategen ihren Kunden. Die Aktienindizes spiegeln diese Sorgen. Auf Wochensicht fiel der 30 Spitzenwerte umfassende Dow Jones um 1,7 Prozent auf 27 174 Punkte und der breitere S&P-500 gab um 0,6 Prozent auf 3 298 Punkte nach. Der Russell-2000-Index für Nebenwerte stürzte um ganze vier Prozent auf 1 475 Punkte ab. Nur der Nasdaq stieg. Dank seiner Technologiekomponenten, allen voran eBay, PayPal und Nvidia, legte der Nasdaq 1,1 Prozent auf 10 914 Punkte zu. Dass gerade diese drei „Stay-at-home“-Werte gestiegen
Avis de sociétés sind, deutet darauf hin, dass es die Angst vor einer weiteren Covid-19-Welle war, die den Markt zum Einsturz brachte. Das Anlegerblatt Barron’s nennt die Gründe: Großbritannien warnt zu Beginn der Woche vor einem zweiten Lockdown, Frankreich meldet die höchste Zahl täglicher Ansteckungsfälle, in den USA liegt die Zahl der Todesopfer inzwischen bei über 200 000.
Das könnte zu neuen Betriebsschließungen führen und Investoren dazu veranlassen, in „sichere Häfen“zu flüchten, also in Aktien wie Amazon, Apple und Microsoft, die von den Corona-Beschränkungen profitieren, weil sich die Menschen zu Hause Waren im Internet bestellten oder Filme online ansehen. „Stay-at-home-Aktien sind gefragt, und Aktien, die von der wirtschaftlichen Erholung abhängig sind, kriegen einen auf den Deckel“, so Dave Donabedian, Chief Investment Officer bei CIBC Private Wealth Management, in Barron’s.
Zur letzteren Gruppe zählen die Dow-Jones-Komponenten Dow (Chemie) und Chevron (Energie). Einen regelrechten Ausverkauf kann Donabedien jedoch nicht feststellen. Niemand sei vorige Woche in Panik geraten.
Was die Konjunktur betrifft, steht am Freitag der mit großer Spannung erwartete Beschäftigungsbericht
für September im Fokus. Er enthält die endgültigen Arbeitsmarktdaten vor dem Wahltag
am 3. November. Volkswirte erwarten einen Zuwachs um 932 500 Stellen nach 1,73 Millionen Anstieg im Vormonat. Tags zuvor gibt es neue Zahlen über die persönlichen Einkommen und Ausgaben im August und am Mittwoch ist der wöchentliche Arbeitsmarktbericht fällig. Wie es um das Vertrauen der Bürger im September bestellt ist, darüber berichtet am Dienstag das Conference Board. Erwartet wird eine leichte Erholung gegenüber August.
Biden und Trump reden über neues Konjunkturpaket
Man geht davon aus, dass Trump und Biden bei der Debatte am Dienstagabend auch über ein neues Konjunkturpaket reden werden. Bidens Demokraten fordern Anreize in Höhe von 2,4 Billionen Dollar, weit mehr als das, was die Republikaner zu unterstützen bereit wären.
Zur Beunruhigung der Finanzmärkte trägt nicht zuletzt die Weigerung von Trump bei, einer friedliche Machtübergabe zuzusagen, falls er die Wahl verlieren sollte. Denn die Auszählung der Stimmzettel könnte sich aufgrund der erweiterten Briefwahl und der vorzeitigen Stimmabgaben um Wochen verzögern.